Si quadrupes pauperiem fecisse dicatur
(Von dem durch ein vierfüssiges Thier angerichteten Schaden.)
1Ulp. lib. XVIII. ad Ed. Wenn ein vierfüssiges Thier einen Schaden angerichtet hat, so ist dafür eine Klage in dem Zwölftafelgesetz begründet; dieses Gesetz wollte, dass entweder Das, was geschadet hat, d. h. das Thier, welches den Schaden anrichtete, [dem Beschädigten] überliefert, oder Ersatz für den Schaden geleistet werde. 1Schaden11Noxia. Es wird nicht befremden, wenn die Uebersetzung hier den allgemeinen (zum Verständniss zureichenden) Begriff gibt. heisst hier die Wirkung der schädlichen Handlung selbst22So möchte ich delictum hier verstehen, s. auch Glück X. 289. n. 54.. 2Diese Klage betrifft alle vierfüssigen Thiere. 3Der Prätor sagt: PAUPERIEM FECISSE33Unser Text hat hinter diesen Worten keine Interpunction. Ob dieselbe aus Gründen weggelassen ist, bezweifele ich; die Göttinger C. J. Ausgabe, sowie schon Russardus und Baudoza, haben dieselbe.. Pauperies heisst ein ohne Widerrechtlichkeit des Thäters angerichteter Schaden; denn [von] ein[em] vernunftlosen Thiere kann [man] nicht [sagen, dass es] widerrechtlich gehandelt habe. 4Es kommt daher, wie Servius schreibt, diese Klage blos dann zur Anwendung, wenn ein vierfüssiges Thier angereizt durch Wildheit geschadet hat, z. B. wenn ein auszuschlagen pflegendes Pferd mit dem Huf geschlagen, oder ein stössiger Ochs gestossen hat, oder Maulthiere aus übergrosser Wildheit. Hat ein vierfüssiges Thier in Folge örtlicher Hindernisse, oder der Schuld des Mauleseltreibers, oder überladen, eine Last auf Jemanden geworfen, so fällt diese Klage weg, und es muss die wegen widerrechtlich gestifteten Schadens erhoben werden. 5Auch wenn ein Hund, der von Jemandem geleitet wird, aus Unbändigkeit davon gelaufen ist, und Jemandem Schaden zugefügt hat, dahingegen ihn ein Anderer würde haben erhalten können, oder wenn er über einen gewissen Ort nicht hätte geführt werden sollen, so fällt diese Klage weg, und es haftet der, welcher den Hund hielt. 6Auch wenn ein Thier durch Anreizung eines Andern Schaden angerichtet hat, findet jene Klage nicht Statt. 7Ueberhaupt kommt dieselbe allemal dann zur Anwendung, wenn ein Thier wider seine Natur Schaden angerichtet hat. Wenn daher ein Pferd, durch Schmerz gereizt, ausgeschlagen hat, so fällt jene Klage weg; wer aber das Pferd geschlagen oder verwundet hat, der haftet durch die Klage auf das Geschehene, und nicht aus dem Aquilischen Gesetz und zwar deswegen, weil er den Schaden nicht durch seine körperliche Kraftäusserung unmittelbar selbst zugefügt hat. Hat aber ein Pferd Jemanden mit dem Huf geschlagen, der es gestreichelt, oder geklopft hat, so findet die Klage Statt. 8Wenn ein vierfüssiges Thier das andere zum Schaden gereizt hat, so findet die Klage in Bezug auf das erstere Statt. 9Dieselbe kommt zur Anwendung, es mag das Thier den Schaden mittelst Ausübung seiner körperlichen Kräfte angerichtet haben, oder durch eine andere Sache, welche es berührt, z. B. wenn ein Ochs Jemanden mit einem Lastwagen gequetscht hat, oder durch Umwerfen einer andern Sache, 10In Ansehung wilder Thiere findet wegen ihrer angeborenen Wildheit diese Klage nicht Statt; wenn daher ein Bär entflohen ist, und dann Schaden angerichtet hat, so kann nicht sein ehemaliger Eigenthümer angegriffen werden, denn er hat aufgehört, Eigenthümer zu sein, sobald das Thier entsprungen war; daher ist auch der Körper mein, sobald ich ihn getödtet habe. 11Wenn Böcke oder Ochsen zusammengerathen sind, und einer den andern getödtet hat, so unterscheidet Quintus Mucius so, dass, wenn der Angreifende getödtet worden wäre, die Klage wegfalle, wenn aber der Angegriffene, so finde sie Statt; der [Eigenthümer des Angreifers] müsse daher entweder den Schaden ersetzen, oder den Schädensstifter ausliefern. 12Da nun in Ansehung der vierfüssigen Thiere der angerichtete Schaden dem Thiere selbst folgt, so findet die Klage auch nicht gegen den Statt, welcher zu der Zeit, wo es den Schaden anrichtete, dessen Eigenthümer war, sondern wer es zur Zeit der Anstellung der Klage ist. 13Stirbt das Thier vor der Einleitung des Verfahrens, so erlischt die Klage. 14An Schädens Statt ausliefern, heisst, das Thier lebendig übergeben. Gehört das Thier Mehreren gemeinschaftlich, so findet gegen jeden Einzelnen die Schädenskläge ungetheilt Statt, so wie in Ansehung eines Sclaven. 15Zuweilen wird aber der Eigenthümer nicht auf Auslieferung an Schädens Statt belangt, sondern auch auf den ganzen Betrag [des Schadens], z. B. wenn er vor Gericht befragt, ob das [den Schaden angerichtet habende] vierfüssige Thier ihm gehöre, dies verneint hat; denn wenn es sich ergibt, dass es ihm doch gehöre, so wird er in den ganzen Betrag verurtheilt. 16Wenn das Thier nach Einleitung des Verfahrens von einem Dritten getödtet worden ist, so wird, weil dem Eigenthümer [allein] die Klage aus dem Aquilischen Gesetz zusteht, bei der schon anhängigen Klage auf das Aquilische Gesetz Rücksicht genommen, indem dem Eigenthümer die Möglichkeit der Auslieferung an Schädens Statt entzogen worden ist. Er muss daher in dem obschwebenden Verfahren die Streitwürderung erlegen, es sei denn, dass er sich zur Abtretung der Klage wider denjenigen, der das Thier getödtet hat, bereit erkläre. 17Dass diese Klage dem Erben und andern Nachfolgern gegeben werde, wird Niemand bezweifeln; ebenso findet sie auch gegen die Erben und Andere nicht auf den Rechtsgrund einer Erbfolge, sondern den, welchem zufolge sie Eigenthümer sind, Statt.
2Paul. lib. XXII. ad Ed. Die Klage kommt nicht blos dem Eigenthümer zu, sondern auch Jedem, der sonst dabei betheiligt ist, z. B. wem eine Sache geliehen worden ist, oder dem Kleiderwäscher, weil man annimmt, dass sie darum, weil sie haften müssen, den Schaden erleiden. 1Wenn man, um Jemanden zu vermeiden, etwa eine Magistratsperson, in den nächsten Schenkladen tritt, und daselbst von einem wilden Hunde gebissen worden ist, so glauben Einige, könne man wegen des Hundes keine Klage erheben; wenn er aber nicht angelegt war, so kann man klagen.
3Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. Es wird kein Zweifel mehr darüber erhoben, dass aus diesem Gesetze auch wegen freien Personen [zugefügten Schadens] geklagt werden könne, z. B. wenn ein vierfüssiges Thier einen Familienvater, oder einen Familiensohn verwundet hat; es wird nämlich hier nicht auf Entstellung Rücksicht genommen, denn der Körper eines freien Menschen unterliegt keiner Schätzung, sondern auf die zur Heilung verwendeten Kosten, auf die versäumte Arbeit, und zu deren künftigen Verrichtung Jemand untüchtig gemacht worden ist.
4Paul. lib. XXII. ad Ed. Analog findet die Klage auch Statt, wenn kein vierfüssiges, sondern irgend ein anderes Thier den Schaden angerichtet hat.
5Alfen. lib. II. Dig. Ein Maulthiertreiber führte ein Pferd in eine Schenke, das Pferd beriecht ein Maulthier, das Maulthier schlägt aus, und zerbricht dem Treiber den Schenkel; es ward um Rath gebeten, ob wider den Eigenthümer des Maulthiers, das diesen Schaden angerichtet hat, Klage angestellt werden könne? Ich habe bejahend geantwortet.