Si pars hereditatis petatur
(Wenn ein Theil der Erbschaft gefordert wird.)
1Ulp. lib. V. ad Ed. Nach derjenigen Klage welche der Prätor dem darbot, der behauptet, dass eine Erbschaft ihm allein gehöre, war es folgerecht, auch dem eine solche zu gewähren, der einen Theil der Erbschaft verlangt. 1Wer eine Erbschaft oder einen Theil derselben verlangt, der nimmt nicht darauf Rücksicht, was der Besitzer inne hat, sondern [nur] auf sein Recht, und daher kann er, wenn er Gesammterbe ist, die ganze Erbschaft [wider dich] in Anspruch nehmen, auch wenn du nur eine einzige Erbschaftssache besitzest; wenn er Theilerbe ist, seinen Theil, auch wenn du die ganze Erbschaft besitzest. 2Ja es braucht sich sogar, wenn zwei eine Erbschaft besitzen, und zwei Andere behaupten, dass jedem von ihnen die Hälfte [davon] gebühre, nicht jeder Einzelne an einen Einzelnen zu halten, zu begnügen, z. B. der Erste an den Ersten, und der Zweite an den Zweiten, sondern [es können sich] beide an den Ersten, oder beide an den Zweiten [halten]; denn es besitzt nicht der Eine die Hälfte des Ersten, und der Andere die des Zweiten, sondern Beide die Beider als Erben. Besitzen aber der Besitzer und der Kläger die Erbschaft, während jeder von ihnen die Hälfte derselben in Anspruch nimmt, so müssen sie gegenseitig klagen, um die Antheile an den [verschiedenen ] Sachen zu erlangen, oder wenn sie sich die Erbschaft selbst nicht streitig machen, die Erbtheilungsklage anstellen. 3Wenn ich Erbe zum Theil zu sein behaupte, mein Miterbe aber die Erbschaft zusammen mit einem Fremden besitzt, so fragt es sich, ob ich, wenn der Miterbe nicht mehr als seinen Theil besitzt, gegen den Fremden allein, oder auch gegen den Miterben die Erbschaftsklage erheben muss? Pegasus soll der Ansicht gewesen sein, ich müsste den Fremden allein verklagen, und dieser müsse herausgeben, was er besitze, und es dürfte hierfür sogar die Amtspflicht des Richters sorgen müssen. Uebrigens ergibt die Natur der Sache, dass ich die Erbschaftsklage [zwar] gegen Beide, das heisst auch gegen meinen Miterben anstellen, und dieser eine Klage dann gegen den fremden Besitzer richten kann; aber die Meinung des Pegasus ist vortheilhafter. 4Lass sehen, wie ich klagen muss, wenn ich Erbe zur Hälfte zu sein behaupte, und das Drittheil der Erbschaft besitze, und das noch fehlende Sechstheil erlangen will. Labeo schreibt, ich müsse die Hälfte durchaus von den einzelnen [Miterben] fordern, und so werde es geschehen, dass ich von jedem einzelnen ein Sechstheil erlange, und also zwei Drittheile bekomme. Dies halte ich für richtig; ich selbst aber werde wieder zur Herausgabe eines Sechstheils vom Drittheil gehalten, das ich besass, und daher muss, nach der Amtspflicht des Richters, eine Gegenrechnung dessen Statt finden, was ich besitze, wenn diejenigen, gegen welche ich die Erbschaftsklage angestellt habe, etwa Miterben sind. 5Zuweilen lässt der Prätor aus geeigneten eintretenden Ursachen eine Klage auf einen unbestimmten Theil der Erbschaft zu; so z. B. ist es unbestimmt, wenn ein Bruderssohn des Erblassers und schwangere Frauen von verstorbenen Brüdern vorhanden sind, welchen Theil der Erbschaft der Bruderssohn fordern kann, weil es unbestimmt ist, wie viel Kinder der [verstorbenen] Brüder geboren werden. Es ist also billig, jenem die Forderung eines unbestimmten Theiles nachzulassen. Man kann daher nicht mit Unrecht behaupten, dass, wo Jemand ungewiss ist, einen wie grossen Theil er fordern solle, ihm die Forderung eines unbestimmten gestattet werden müsse.
2Gaj. lib. VI. ad Ed. prov. Wenn von Mehreren, denen dieselbe Erbschaft zukommt, einige antreten, andere aber noch berathschlagen, so dürfen diejenigen, welche angetreten haben, auf keinen grössern Theil Klage erheben, als welchen sie haben würden, wenn die übrigen anträten; und es nützt ihnen nichts11Nämlich um der Strafe des Zuvielgeforderten zu entgehen. Glück B. VIII. p. 10. n. 19., wenn die übrigen [nachher auch] nicht angetreten haben. Wenn die übrigen aber gar nicht antreten, so können sie auch auf deren Antheile, dafern sie ihnen sonst zukommen, Klage erheben.
3Paul. lib. XVII. ad Plaut. Die Alten sorgten für eine freie Leibesfrucht auf die Art, dass sie ihr bis auf die Zeit der Geburt alle Rechte unverkürzt vorbehielten, sowie man es beim Erbschaftsrechte sehen kann, wo die Seitenverwandten fernern Grades als die Leibesfrucht nicht zugelassen werden, so lange es ungewiss ist, ob dieselbe geboren werden könne. Stehn aber die übrigen in gleichem Grade wie die Leibesfrucht, so hat man die Frage, ein wie grosser Theil ausgesetzt bleiben müsse, darum aufgeworfen, weil man nicht wissen konnte, wieviel geboren werden würden; denn über diesen Umstand wird soviel, so Mannigfaltiges und Unglaubliches geglaubt, dass man es zu den Fabeln zählen kann. Denn so erzählt man, es seien vier Mädchen auf einmal von einer Mutter geboren worden; auch berichten glaubwürdige Schriftsteller, dass eine Frau im Peloponnes fünfmal je vier Kinder, viele Weiber in Aegypten aber auf einmal sieben Kinder geboren haben. Wir haben ebenfalls drei Senatoren, die Drillingsbrüder waren, gesehen, die zum Kampf auszieheden22Cinctos, s. Brisson. und Ulr. Huber. Prael. ad h. t. §. 3. Horatier. Auch Lälius berichtet, dass er im kaiserlichen Pallast eine freie Frau gesehen habe, die von Alexandrien herbeigeführt worden, um dem Hadrian gezeigt zu werden, mit fünf Kindern; von denen sie vier zu gleicher Zeit, fünfte nach vierzig Tagen geboren haben sollte. Wie nun also? Die Rechtsgelehrten haben sehr klüglich gewissermaassen den Mittelweg befolgt, so dass sie darauf Rücksicht nehmen, was nicht gerade sehr selten geschehen kann, d. h. sie haben, weil es öfters geschieht, dass Drillinge geboren werden, dem überlebenden Sohn33In diesen beiden Fragmenten, die ursprünglich zusammengehangen haben mögen, ist der Fall vorausgesetzt, dass ein Sohn und dessen schwangere Mutter den Vater überleben. das Viertheil angewiesen; denn was einmal oder zweimal [nur] geschieht, übergehen, wie Theophilus sagt, die Gesetzgeber. Wenn die Mutter daher nachher auch nur ein Kind gebiert, so wird [jener doch] einstweilen nicht zur Hälfte, sondern zum Viertheil Erbe sein.
5Paul. lib. XVII. ad Plaut. Es ist zu merken, dass, wenn eine Frau nicht schwanger ist, aber dafür gehalten wird, der Sohn3, unterdessen Gesammterbe ist, wenn er auch nichts davon weiss, dass er Gesammterbe sei. 1Dasselbe gilt vom Fremden, wenn er auf einen bestimmten Theil zum Erben eingesetzt worden ist, und auf den übrigen die Nachkömmlinge. Ist vielleicht die Einsetzung mit den Worten geschehen: soviel Kinder mir geboren werden und Lucius Titius sollen zu Kopftheilen meine Erben sein, so kann die Frage entstehen, ob er nicht antreten könne, sowie derjenige, welcher den ihm im Testament [beschiedenen] Antheil nicht kennt. Es ist aber vortheilhafter für den, der seinen Antheil nicht kennt, antreten zu können, wenn ihm nur sonst das, was er wissen muss, nicht unbekannt ist.
6Ulp. lib. VI. Opin. Der Schwester, welche mit vier Brüdern44Welche nämlich die Erbschaft besitzen. Miterbin zum Vermögen der Mutter geworden ist, wird der fünfte Theil von jedem Antheile, der an jene fiel, zukommen, so dass jeder Einzelne auf das Viertheil [eingesetzte], welches er vorher zu haben angenommen ward, ihr [davon] nicht mehr als das Fünftheil abzutreten braucht. 1Die Kosten, welche auf die Lasten der ganzen Erbschaft rechtmässig verwendet worden sind, werden demjenigen, der auf den Grund des Rechts eines Freilassers seinen Antheil entwährt hat, verhältnissmässig angerechnet.
7Julian. lib. VIII. Digest. Dasjenige, was wir mit der Erbtheilungsklage erlangen, die Auseinandersetzung der Gemeinschaft, können wir durch die Erbschaftsklage nicht erreichen, indem [bei dieser] zur Amtspflicht des Richters nichts weiter gehört, als dass er befiehlt, mir das [mir gebührende] Erbantheil ungetheilt herauszugeben.
8Idem lib. XLVIII. Dig. Dem Besitzer einer Erbschaft muss gestattet werden, einen Theil der Erbschaft zu vertheidigen, und den andern abzutreten; denn es hindert Niemanden etwas, eine Erbschaft ganz zu besitzen, und zu wissen, dass ihm die Hälfte davon gebühre, wegen der andern aber keinen Streit zu erheben.
9Paul. lib. III. Epitom. Alfeni Dig. Während mehrere Erben eingesetzt waren, befand sich einer derselben in Asien; sein Geschäftsbesorger schloss einen Vergleich ab, und nahm das Geld für dessen Antheil in Empfang; nachher ergab sich, dass der, welcher sich in Asien befand, vorher schon mit Einsetzung seines Geschäftsbesorgers zum Erben zur Hälfte und eines Andern zur andern Hälfte gestorben sei. Hier entstand die Frage, auf welche Weise das Erbgeld einzuklagen wäre? Es ward geantwortet, die [Miterben] müssten von dem Geschäftsbesorger das ganze Erbgeld verlangen, weil dasjenige Geld, was aus dem Verkauf an den Procurator gelangt sei, aus der Erbschaft gelöst wäre; nichts desto weniger aber [könnten sie auch] die Hälfte derselben von dessen Miterben [einfordern]55Coherede und coheredem; diese Lesart ist jedenfalls die allein richtige, denn der Plural, den unser Text mit der Florentine hat, gibt einen grossen Missverstand, weshalb ihn auch Brencmann verwirft. Wie man übrigens die letzte Hälfte des Satzes, wenn man mit der Göttinger C. J.-Ausgabe (auch der Simon v. Leeuwenschen) darin zwischen ejus und Ita fore die Interpunction weglässt, verstehen will, ist mir ein Räthsel.. Wenn nämlich bei dem gewesenen Geschäftsbesorger noch alles Geld vorhanden sei, so würden sie auch alles von ihm durch den Richter[lichen Ausspruch] erlangen; wenn er aber die Hälfte davon seinem Miterben gegeben hat, so würde er selbst zur Hälfte, und zur andern Hälfte der Miterbe verurtheilt werden66Condemnarent = condemnari facerent. Glosse, s. auch Brisson..
10Papinian. lib. VI. Quaest. Wenn der Sohn eines auf einen Theil eingesetzten Erben, der nicht wusste, dass sein Vater schon bei Lebzeiten des Testators gestorben sei, den Theil der Erbschaft im Namen seines Vaters als Abwesenden verwaltet, und Gelder aus verkauften Sachen eingenommen hat, so kann die Erbschaftsklage gegen ihn nicht angestellt werden, weil er den Erlös weder als Erbe noch als Besitzer besitzt, sondern als Sohn des Vaters Geschäft besorgt hat. Aber die Geschäftsführungsklage wird den übrigen Miterben, denen der Antheil des Verstorbenen gebührt, gegeben. Das ist jedoch keineswegs zu befürchten, dass er auch den Erben des Vaters, wenn dieser ihn etwa enterbt hat, gehalten werde, als habe er Erbschaftsgeschäfte geführt, indem dasjenige, was er verwaltet hat, nicht zur väterlichen Erbschaft gehörte. Denn wenn77Es ist eine bekannte Sache, dass der Text der Florentine, welchem der unsrige hier folgt, verdorben sei; ich folge daher dem Haloander und der Vulgata, s. auch die Göttinger C. J.-Ausgabe. auch demjenigen die Geschäftsführungsklage zusteht, in dessen Namen etwas eingenommen worden ist, so muss doch dasjenige, was in fremden Namen eingenommen worden, billiger Weise herausgegeben werden. Im vorliegenden Fall waren aber die Geschäfte, die zu einer andern Erbschaft gehörten, weder die des Vaters, der zu leben aufgehört hatte, noch des väterlichen Nachlasses. Wenn jener Sohn aber selbst Erbe seines Vaters wird, und Streit erhebt, weil sein Vater, nachdem er Erbe geworden, gestorben sei, so entsteht die Frage, ob er den Grund seines eigenen Besitzes zu verändern, angenommen werden könne? Weil aber derjenige, der erbschaftliche Geschäfte übernommen und Schuldner geworden ist, nachher, nachdem er Streit wegen der Erbschaft verursacht, wie der Besitzer eines Rechts belangt werden kann, so kann man auch dasselbe von dem Sohn in diesem Fall sagen.