Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 43 übersetzt von Sintenis
Dig. XLIII4,
Ne vis fiat ei, qui in possessionem missus erit
Liber quadragesimus tertius
IV.

Ne vis fiat ei, qui in possessionem missus erit

(Dass Dem keine Gewalt geschehe, der in den Besitz gesetzt sein wird.)

1Ulpianus libro septuagensimo secundo ad edictum. Ait praetor: ‘Si quis dolo malo fecerit, quo minus quis permissu meo eiusve, cuius ea iurisdictio fuit, in possessionem bonorum sit, in eum in factum iudicium, quanti ea res fuit, ob quam in possessionem missus erit, dabo’. 1Hoc edictum summa providentia praetor proposuit: frustra enim in possessionem mitteret rei servandae causa, nisi missos tueretur et prohibentes venire in possessionem coerceret. 2Est autem generale hoc edictum: pertinet enim ad omnes, qui in possessionem a praetore missi sunt: convenit enim praetori omnes, quos ipse in possessionem misit, tueri. sed sive rei servandae causa sive legatorum aut ventris nomine in possessionem missi fuerint, habent ex hoc edicto in factum actionem, sive doli sive aliter prohibuerint. 3Haec actio non tantum eum tenet, qui prohibuit quem venire in possessionem, sed etiam eum, qui possessione pulsus est, cum venisset in possessionem: nec exigitur, ut vi fecerit qui prohibuit. 4Si quis ideo possessione arcuerit, quia rem suam putabat vel sibi nexam vel certe non esse debitoris, consequens est, ut hoc edicto non teneatur. 5Haec verba ‘quanti ea res erit, ob quam in possessionem missus erit’ continent utilitatem creditoris, ut quantum eius interest possessionem habere, tantum ei qui prohibuit condemnetur. proinde si ob falsum creditum vel ob falsam petitionem missus est in possessionem vel si exceptione summoveri potuit, nihil ei debet prodesse hoc edictum, quia propter nullam causam in possessionem missus est. 6Hoc edicto neque pupillum neque furiosum teneri constat, quia affectu carent. sed pupillum eum debemus accipere, qui doli capax non est: ceterum si iam doli capax sit, contra erit dicendum. ergo et si tutor dolo fecerit, in pupillum dabimus actionem, si modo solvendo sit tutor: sed et ipsum tutorem posse conveniri Iulianus scribit. 7Si domini vel patris voluntate prohibitus quis sit a possessione, in ipsos dabitur actio, quasi per alios hoc fecerint. 8Hanc actionem excepta legatorum missione intra annum competere et non postea sciendum est, cum sit poenalis, nec in heredes similesque personas dabitur, nisi in id quod ad eas pervenit: sed heredi similibusque personis dabitur. nam cum prohibitus quis est legatorum vel fideicommissorum causa possessionem adipisci, tunc actio et perpetua est et in heredem dabitur, quia est in potestate successorum evitare interdictum satisdatione oblata.
1Ulp. lib. LXXII. ad Ed. Der Prätor sagt: Wer es arglistigerweise dahingebracht hat, dass Jemand in Folge meiner oder Dessen Erlaubniss, dem die Gerichtsbarkeit zustand, sich nicht im Nachlassbesitz befinde, gegen den werde ich ein Verfahren auf das Geschehene, wie viel der Gegenstand werth war, dessenwegen er in Besitz gesetzt worden, ertheilen. 1Dieses Edict hat der Prätor aus grosser Vorsicht erlassen; denn die Einweisung in den Besitz zur Erhaltung einer Sache würde ganz vergeblich sein, wenn er nicht die Eingewiesenen auch darin schützen und Diejenigen zügeln wollte, welche sich deren Besitzergreifung widersetzen. 2Dieses Edict hat eine ganz allgemeine Beziehung; denn es geht alle Diejenigen an, die vom Prätor in den Besitz gesetzt worden sind, weil der Prätor ein gleiches Interesse hat, Alle zu beschützen, die er in den Besitz gesetzt hat. Die Klage auf das Geschehene aus dem Edict hat Jeder, er mag zur Erhaltung einer Sache, oder von Vermächtnissen, oder Namens einer Leibesfrucht in den Besitz gesetzt, er mag vom Eigenthümer oder einem Andern daran verhindert worden sein. 3Diese Klage ist nicht nur wider Den gerichtet, der Jemanden verhindert hat, den Besitz ergreifen, sondern auch wider Den, von dem Jemand, der schon den Besitz ergriffen gehabt, wieder daraus gesetzt worden ist, wobei es übrigens kein Erforderniss ist, dass Derjenige, der ein solches Hinderniss in den Weg gelegt, Gewalt angewendet habe. 4Wenn Jemand den Andern darum an der Besitzergreifung verhindert hat, weil er die Sache für die seinige, oder ihm verpfändet, oder wenigstens nicht für die seines Schuldners hielt, so ist es folgerichtig, dass er durch dieses Edict nicht gehalten werde. 5Die Worte: wie viel der Gegenstand werth sein wird, dessenwegen er in den Besitz gesetzt sein wird, begreifen den Vortheil des Gläubigers, dass ihm Der, welcher das Hinderniss bewirkt hat, zu soviel verurtheilt werde, als ihm an dem Besitz gelegen ist. Ist er mithin wegen einer falschen Foderung, oder einer falschen Klage in den Besitz gesetzt worden, oder kann er durch eine Einrede abgewehrt werden, so darf ihm das Edict keinen Vortheil gewähren, weil er dann ohne Grund in den Besitz gesetzt worden ist. 6Durch dieses Edict haftet bekanntermaassen weder ein Unmündiger noch ein Wahnsinniger, weil sie keine Willensfreiheit haben. Unter einem Unmündigen muss man sich aber einen Solchen denken, der der Arglist unfähig ist; ist er dieser fähig, so gilt das Gegentheil. Mithin werden wir auch wider den Unmündigen eine Klage dann ertheilen, wenn der Vormund mit Arglist gehandelt hat, vorausgesetzt, dass der Letztere zahlungsfähig ist. Der Vormund kann aber, wie Julianus schreibt, auch selbst angegriffen werden. 7Ist Jemand mit Einwilligung des Herrn oder Vaters an der Besitzergreifung [von einem Dritten] verhindert worden, so wird wider jene selbst eine Klage ertheilt werden, wie wenn sie dies durch Andere gethan hätten. 8Es ist zu bemerken, dass diese Klage, mit Ausnahme der Einweisung in den Besitz wegen der Vermächtnisse, nur ein Jahr lang und nicht länger zuständig sei, weil sie eine Strafklage ist. Auch wird sie nicht wider die Erben und ähnliche Personen ertheilt, ausgenommen darauf, was an sie gelangt ist; dem Erben hingegen und ähnlichen Personen wird sie ertheilt. Wenn aber11At; man kann auch nam (Flor.) behalten; dieses denn geht dann auf die excepta legatorum missio. Jemand verhindert worden ist, eines Vermächtnisses oder Fideicommisses wegen den Besitz zu ergreifen, so ist die Klage immerwährend und wird auch wider den Erben ertheilt, weil es in der Macht der Rechtsnachfolger steht, dem Interdicte durch das Anerbieten der Bürgschaftsbestellung vorzubeugen.
2Paulus libro quinquagensimo nono ad edictum. Suo quis an alieno nomine prohibitus sit, nihil interest: haec enim verba ‘quanti ea res est’ referenda sunt ad personam domini. 1Item tam is tenetur, qui suo nomine, quam qui alieno nomine prohibuit.
2Paul. lib. LIX. ad Ed. Ob Jemand im eigenen oder in fremdem Namen verhindert worden ist, darauf kommt nichts an; denn die Worte: wie hoch sich der Gegenstand beläuft, sind auf die Person des Herrn zu beziehen. 1Ebenso haftet sowohl Derjenige, welcher im eigenen, als wer im fremden Namen verhindert worden ist.
3Ulpianus libro sexagensimo octavo ad edictum. Si quis missus fuerit in possessionem fideicommissi servandi causa et non admittatur, potestate eius inducendus est in possessionem, qui eum misit, aut si quis volet uti interdicto, consequens erit dicere interdictum locum habere. sed melius erit dicere extra ordinem ipsos iure suae potestatis exsequi oportere decretum suum, nonnumquam etiam per manum militarem. 1Constitutum est ab Antonino, ut etiam in bona heredis quis admittatur certis modis. si quis igitur in his bonis non admittatur, dicendum est actionem hanc utilem competere: ceterum poterit uti et extraordinaria exsecutione. 2Praetor ventrem in possessionem mittit, et hoc interdictum prohibitorium et restitutorium est. sed si mulier velit in factum actione uti ad exemplum creditorum magis quam interdicto, posse eam experiri sciendum est. 3Si mulier dicatur calumniae causa in possessionem venisse, quod non sit praegnas vel non ex eo praegnas, vel si de statu mulieris aliquid dicatur: ex epistula divi Hadriani ad exemplum praesumptionis Carboniani edicti ventri praetor pollicetur possessionem.
3Ulp. lib. LXVIII. ad Ed. Wenn Jemand zur Erhaltung eines Fideicommisses in den Besitz eingewiesen, und nicht dazu gelassen worden ist, so muss er durch die Gewalt Dessen wirklich in den Besitz eingeführt werden, der ihn darein gesetzt hat; wenn aber Jemand von dem Interdicte Gebrauch machen will, wird es folgerichtig sein, dasselbe für zulässig zu erachten. Besser ist jedoch die Meinung, dass sie vermöge ihrer Gewalt auf ausserordentlichem Wege22Ὑπὲρ τὰ διατεταγμένα — ἐκβιβάση, Basil. ihr Decret zur Ausführung bringen müssen; zuweilen auch durch die bewaffnete Macht. 1Es ist von Antoninus festgesetzt worden, dass unter gewissen Bedingungen auch Einweisung in das Vermögen des Erben statthabe. Wird also Jemand zu diesem Vermögen nicht zugelassen, so steht ihm diese Klage analog zu; übrigens kann er sich auch einer ausserordentlichen Hilfsvollstreckung bedienen. 2Wenn der Prätor die Leibesfrucht in den Besitz setzt, so ist dieses Interdict sowohl verbietend, als die Herausgabe verfügend. Will sich die Frau aber einer Klage auf das Geschehene bedienen, so kann sie dies nach Art der Gläubiger vielmehr versuchen, als das Interdict. 3Wenn angegeben wird, eine Frau sei durch Chikane in den Besitz gesetzt worden, weil sie nicht schwanger, oder nicht von dem [Erblasser] schwanger sei, oder wenn über das Standesrecht der Frau Frage entsteht, so verspricht der Prätor aus dem Briefe des Kaisers Hadrianus den [Nachlass]besitz der Leibesfrucht, nach Art der rechtlichen Vermuthung des Carbonianischen Edicts.
4Idem libro sexagensimo nono ad edictum. Per interdictum etiam ei subvenit praetor, qui damni infecti ab eo in possessionem missus est, ne ei vis fiat. 1Poena autem eius, qui non promittit vel satis non dat, haec est, ut in possessionem mittatur adversarius. sive ergo promittat, sive per eum non fiat, quo minus promittat, non tenebit interdictum repulso per exceptionem eo qui experitur. 2Praetor in eum, qui neque cavit neque possidere passus est eum qui missus est, iudicium pollicetur in tantum, quantum praestare eum oporteret, si de ea re cautum fuerat. 3Sed et ex alia causa hoc iudicium proposuit, si eo tempore, quo in possessionem mitti desiderabat, praetoris adeundi potestas non fuerit, scilicet ut, si, cum potestas praetoris adeundi non esset, damnum interim datum est, haberet iudicium qui damnum passus est. 4Item subiectum, si ex alia causa in possessionem missus prohibitus esse dicetur, habere in factum actionem.
4Idem lib. LXIX. ad Ed. Durch ein Interdict kommt der Prätor auch Dem zu Hülfe, der von ihm wegen drohenden Schadens in den Besitz gesetzt worden ist, dass ihm keine Gewalt geschehe. 1Die Strafe Dessen, der weder ein Versprechen noch Bürgschaft stellt, besteht darin, dass sein Gegner in den Besitz gesetzt wird. Wenn er also ein Versprechen leistet, oder es an ihm nicht liegt, dass es nicht geschehe, so bindet ihn das Interdict nicht, sondern es wird der Kläger mit einer Einrede abgewiesen. 2Wider Den, der weder selbst Sicherheit bestellt, noch den in den Besitz Eingewiesenen darin leiden will, verspricht der Prätor eine Klage auf so hoch, als der Andere gewähren müsste, wenn deshalb Sicherheit bestellt worden wäre. 3Doch hat er dieses Interdict auch aus einem andern Grunde für statthaft erklärt, wenn zu der Zeit, wo Jemand die Einweisung in den Besitz verlangte, keine Möglichkeit war, den Prätor anzugehn, nemlich dass, wenn inzwischen, während diese Möglichkeit nicht stattfand, ein Schade entstanden ist, der Beschädigte eine Klage haben solle. 4Ingleichen ist hinzugefügt, dass, wenn ein aus einem andern Grunde in den Besitz Gesetzter daran verhindert worden, er eine Klage auf das Geschehene haben solle.