Ne vis fiat ei, qui in possessionem missus erit
(Dass Dem keine Gewalt geschehe, der in den Besitz gesetzt sein wird.)
1Ulp. lib. LXXII. ad Ed. Der Prätor sagt: Wer es arglistigerweise dahingebracht hat, dass Jemand in Folge meiner oder Dessen Erlaubniss, dem die Gerichtsbarkeit zustand, sich nicht im Nachlassbesitz befinde, gegen den werde ich ein Verfahren auf das Geschehene, wie viel der Gegenstand werth war, dessenwegen er in Besitz gesetzt worden, ertheilen. 1Dieses Edict hat der Prätor aus grosser Vorsicht erlassen; denn die Einweisung in den Besitz zur Erhaltung einer Sache würde ganz vergeblich sein, wenn er nicht die Eingewiesenen auch darin schützen und Diejenigen zügeln wollte, welche sich deren Besitzergreifung widersetzen. 2Dieses Edict hat eine ganz allgemeine Beziehung; denn es geht alle Diejenigen an, die vom Prätor in den Besitz gesetzt worden sind, weil der Prätor ein gleiches Interesse hat, Alle zu beschützen, die er in den Besitz gesetzt hat. Die Klage auf das Geschehene aus dem Edict hat Jeder, er mag zur Erhaltung einer Sache, oder von Vermächtnissen, oder Namens einer Leibesfrucht in den Besitz gesetzt, er mag vom Eigenthümer oder einem Andern daran verhindert worden sein. 3Diese Klage ist nicht nur wider Den gerichtet, der Jemanden verhindert hat, den Besitz ergreifen, sondern auch wider Den, von dem Jemand, der schon den Besitz ergriffen gehabt, wieder daraus gesetzt worden ist, wobei es übrigens kein Erforderniss ist, dass Derjenige, der ein solches Hinderniss in den Weg gelegt, Gewalt angewendet habe. 4Wenn Jemand den Andern darum an der Besitzergreifung verhindert hat, weil er die Sache für die seinige, oder ihm verpfändet, oder wenigstens nicht für die seines Schuldners hielt, so ist es folgerichtig, dass er durch dieses Edict nicht gehalten werde. 5Die Worte: wie viel der Gegenstand werth sein wird, dessenwegen er in den Besitz gesetzt sein wird, begreifen den Vortheil des Gläubigers, dass ihm Der, welcher das Hinderniss bewirkt hat, zu soviel verurtheilt werde, als ihm an dem Besitz gelegen ist. Ist er mithin wegen einer falschen Foderung, oder einer falschen Klage in den Besitz gesetzt worden, oder kann er durch eine Einrede abgewehrt werden, so darf ihm das Edict keinen Vortheil gewähren, weil er dann ohne Grund in den Besitz gesetzt worden ist. 6Durch dieses Edict haftet bekanntermaassen weder ein Unmündiger noch ein Wahnsinniger, weil sie keine Willensfreiheit haben. Unter einem Unmündigen muss man sich aber einen Solchen denken, der der Arglist unfähig ist; ist er dieser fähig, so gilt das Gegentheil. Mithin werden wir auch wider den Unmündigen eine Klage dann ertheilen, wenn der Vormund mit Arglist gehandelt hat, vorausgesetzt, dass der Letztere zahlungsfähig ist. Der Vormund kann aber, wie Julianus schreibt, auch selbst angegriffen werden. 7Ist Jemand mit Einwilligung des Herrn oder Vaters an der Besitzergreifung [von einem Dritten] verhindert worden, so wird wider jene selbst eine Klage ertheilt werden, wie wenn sie dies durch Andere gethan hätten. 8Es ist zu bemerken, dass diese Klage, mit Ausnahme der Einweisung in den Besitz wegen der Vermächtnisse, nur ein Jahr lang und nicht länger zuständig sei, weil sie eine Strafklage ist. Auch wird sie nicht wider die Erben und ähnliche Personen ertheilt, ausgenommen darauf, was an sie gelangt ist; dem Erben hingegen und ähnlichen Personen wird sie ertheilt. Wenn aber11At; man kann auch nam (Flor.) behalten; dieses denn geht dann auf die excepta legatorum missio. Jemand verhindert worden ist, eines Vermächtnisses oder Fideicommisses wegen den Besitz zu ergreifen, so ist die Klage immerwährend und wird auch wider den Erben ertheilt, weil es in der Macht der Rechtsnachfolger steht, dem Interdicte durch das Anerbieten der Bürgschaftsbestellung vorzubeugen.
2Paul. lib. LIX. ad Ed. Ob Jemand im eigenen oder in fremdem Namen verhindert worden ist, darauf kommt nichts an; denn die Worte: wie hoch sich der Gegenstand beläuft, sind auf die Person des Herrn zu beziehen. 1Ebenso haftet sowohl Derjenige, welcher im eigenen, als wer im fremden Namen verhindert worden ist.
3Ulp. lib. LXVIII. ad Ed. Wenn Jemand zur Erhaltung eines Fideicommisses in den Besitz eingewiesen, und nicht dazu gelassen worden ist, so muss er durch die Gewalt Dessen wirklich in den Besitz eingeführt werden, der ihn darein gesetzt hat; wenn aber Jemand von dem Interdicte Gebrauch machen will, wird es folgerichtig sein, dasselbe für zulässig zu erachten. Besser ist jedoch die Meinung, dass sie vermöge ihrer Gewalt auf ausserordentlichem Wege22Ὑπὲρ τὰ διατεταγμένα — ἐκβιβάση, Basil. ihr Decret zur Ausführung bringen müssen; zuweilen auch durch die bewaffnete Macht. 1Es ist von Antoninus festgesetzt worden, dass unter gewissen Bedingungen auch Einweisung in das Vermögen des Erben statthabe. Wird also Jemand zu diesem Vermögen nicht zugelassen, so steht ihm diese Klage analog zu; übrigens kann er sich auch einer ausserordentlichen Hilfsvollstreckung bedienen. 2Wenn der Prätor die Leibesfrucht in den Besitz setzt, so ist dieses Interdict sowohl verbietend, als die Herausgabe verfügend. Will sich die Frau aber einer Klage auf das Geschehene bedienen, so kann sie dies nach Art der Gläubiger vielmehr versuchen, als das Interdict. 3Wenn angegeben wird, eine Frau sei durch Chikane in den Besitz gesetzt worden, weil sie nicht schwanger, oder nicht von dem [Erblasser] schwanger sei, oder wenn über das Standesrecht der Frau Frage entsteht, so verspricht der Prätor aus dem Briefe des Kaisers Hadrianus den [Nachlass]besitz der Leibesfrucht, nach Art der rechtlichen Vermuthung des Carbonianischen Edicts.
4Idem lib. LXIX. ad Ed. Durch ein Interdict kommt der Prätor auch Dem zu Hülfe, der von ihm wegen drohenden Schadens in den Besitz gesetzt worden ist, dass ihm keine Gewalt geschehe. 1Die Strafe Dessen, der weder ein Versprechen noch Bürgschaft stellt, besteht darin, dass sein Gegner in den Besitz gesetzt wird. Wenn er also ein Versprechen leistet, oder es an ihm nicht liegt, dass es nicht geschehe, so bindet ihn das Interdict nicht, sondern es wird der Kläger mit einer Einrede abgewiesen. 2Wider Den, der weder selbst Sicherheit bestellt, noch den in den Besitz Eingewiesenen darin leiden will, verspricht der Prätor eine Klage auf so hoch, als der Andere gewähren müsste, wenn deshalb Sicherheit bestellt worden wäre. 3Doch hat er dieses Interdict auch aus einem andern Grunde für statthaft erklärt, wenn zu der Zeit, wo Jemand die Einweisung in den Besitz verlangte, keine Möglichkeit war, den Prätor anzugehn, nemlich dass, wenn inzwischen, während diese Möglichkeit nicht stattfand, ein Schade entstanden ist, der Beschädigte eine Klage haben solle. 4Ingleichen ist hinzugefügt, dass, wenn ein aus einem andern Grunde in den Besitz Gesetzter daran verhindert worden, er eine Klage auf das Geschehene haben solle.