Quod legatorum
(Was von Vermächtnissen.)
1Ulp. lib. LXVII. ad Ed. 1Dieses Interdict heisst gewöhnlich Was von Vermächtnissen. 2Es hat die Erlangung des Besitzes zum Gegenstande; und zweckt dahin ab, dass Derjenige, der Etwas Namens eines Vermächtnisses sich ohne des Erben Willen angemaasst hat, dies dem Erben herausgebe. Denn der Prätor hielt es für der Billigkeit im hohen Grade angemessen, dass sich Niemand durch eigenmächtige Ergreifung von Vermächtnissen selbst Recht schaffe, sondern sie vom Erben fordere. Er stellt mithin durch dieses Interdict dem Erben Dasjenige wieder zu, was Namens von Vermächtnissen in Besitz genommen worden ist, sodass ihn in Folge dessen die Vermächtnissinhaber angreifen können. 3Auch dem Erben des Erben und des Nachlassbesitzers steht des daraus entspringenden Nutzens wegen dieses Interdict zu; nicht weniger den übrigen Rechtsnachfolgern. 4Weil jedoch zuweilen Ungewissheit vorhanden ist, ob Jemand als Vermächtniss[inhaber], als Erbe, oder als Besitzer im Besitz sei, so, schreibt Arrianus geistreich, müsse für diesen Fall die Erbschaftsklage angestellt und zugleich dieses Interdict ertheilt werden, sodass Jeder, er besitze als Erbe oder als Besitzer, durch die Erbschaftsklage, oder, wenn als Vermächtnissinhaber, durch dieses Interdict gehalten wird, gleichwie man gewöhnlich thut, wenn es ungewiss ist, welche Klage wirksam sei; dann stellt man zwei an, wobei man erklärt, durch eine von beiden Das erlangen zu wollen, was Einem gebührt. 5Ad Dig. 43,3,1,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. III, § 676, Note 22.Wenn sich Jemand in Folge eine Schenkung auf den Todesfall im Besitz befindet, so wird das Inderdict wegfallen, weil die Portion des Falcidischen Gesetzes dem Erben dem Rechte selbst zufolge11Bynkershoek Obs. l. VII. c. 7. Püttmann Interp. et Obs. c. 17. p. 58. Aus dem angegebenen Grunde könnte nemlich blos der Fall der Rückforderung eintreten, quia, sagt Bynk., heres ex jure dominii habet actionem in rem. verbleibt, wenn Gegenstände auch körperlich im Ganzen übertragen worden sind. 6Wer hingegen auf den Grund einer Vorwegnahme [sich in den Besitz gesetzt], haftet durch dieses Interdict jedenfalls, natürlich aber nur zu dem Antheile, den er, in Folge Vermächtnisses, nicht zu dem, welchen er als Erbe innehat. Dasselbe gilt, wenn einem Erben ein Vermächtniss anderer Art hinterlassen worden ist; auch hier fällt das Interdict zu dem Antheile aus, wo er Erbe ist. 7Die Worte des Prätors: oder arglistigerweise zu besitzen aufgehört, muss man so verstehen, was herauszugeben er die Möglichkeit verloren hat. 8Daher ist die Frage entstanden, ob, wenn Jemandem der Gebrauch oder der Niessbrauch hinterlassen worden, und er ihn eigenmächtig in Besitz genommen, derselbe mittels dieses Interdicts zur Herausgabe genöthigt werden müsse? — Die Veranlassung zu dieser Frage ist nemlich der Umstand, dass weder ein Besitz des Niessbrauchs noch des Gebrauchs stattfindet, sondern vielmehr ein blosses Innehaben. Doch lässt sich die Zuständigkeit des Interdicts behaupten. Dasselbe gilt von einer letztwillig binterlassenen Dienstbarkeit. 9Es ist die Frage erhoben worden, ob Derjenige, welcher zur Erhaltung von Vermächtnissen in den Besitz gesetzt worden, durch dieses Interdict zur Herausgabe hafte? — Die Veranlassung zu dieser Frage ist zuvörderst, dass der [zur Erhaltung] von Vermächtnissen in den Besitz Gesetzte weniger einen wirklichen Besitz, als vielmehr eine blosse Bewachung ausübt, sodann aber, dass es der Prätor ist, der ihn in dieses Verhältniss gesetzt, hat. Allein es ist doch sicherer, die Zuständigkeit des Interdicts zu behaupten, besonders dann, wenn der Vermächtnisse wegen schon Bürgschaft bestellt worden ist, und [der Betheiligte] nicht aus dem Besitz weichen will; dann, muss man annehmen, befindet er sich auch wirklich im Besitz. 10Namens eines Vermächtnisses sagt man nicht nur, dass Derjenige besitze, dem ein Vermächtniss ausgesetzt worden ist, sondern auch sein Erbe und die übrigen Rechtsnachfolger. 11Die Worte des Prätors: mit Dessen Willen, dem die Sache gehört, sind so zu erklären, dass das Interdict wegfallen soll, wenn nach dem Antritt der Erbschaft, oder dem Empfang des Nachlassbesitzes der Wille [des Erben] sich für den Besitz des Vermächtinhabers erklärt hat; ist dies schon vor dem Erbschaftsantritt, oder vor Empfang des Nachlassbesitzes geschehen, so wird richtiger behauptet werden, dass der [erklärte] Wille [dem Erben] keinen Eintrag thue22Nemlich nachher wieder das Interdict zu ergreifen.. 12Wenn zwei Sachen vermacht worden sind, und die eine mit dem Willen [des Erben] in Besitz genommen worden ist, die andere nicht, so wird die eine zurückgefordert werden können, die andere nicht. Eben dasselbe wird von einer Sache gelten, deren eine Hälfte mit, und die andere ohne den Willen [des Erben] in Besitz genommen worden ist; hier wird auch nur die eine Hälfte durch das Interdict entzogen werden. 13Das ist aber nicht ausser Acht zu lassen, dass das Interdict zur Anwendung komme, gleichviel ob du selbst Etwas erst zu besitzen angefangen, oder Derjenige, dessen Rechtsnachfolger du geworden bist. Die Rechtsnachfolge wird sowohl von einer Gesammtheit, als von einer einzelnen Sache verstanden. 14Von Nutzen ist aber der Besitz, sobald er mit dem Willen Dessen, dem die Sache gehört, ergriffen worden ist. Auch wenn sich dessen Wille erst nachher ausgesprochen hat, muss derselbe dem Besitzer von Vortheil sein. Hat daher Jemand eine Sache mit Einwilligung Dessen, dem sie gehört, in Besitz genommen, und ist die Einwilligung darauf zurückgenommen worden, so schadet es nichts, weil der Besitz einmal mit der Einwilligung seinen Anfang genommen hat. 15Wenn einer von zweien Erben, denen die betreffende Sache gehört, in die Besitzergreifung des Vermächtnissinhabers gewilligt hat, und der andere nicht, so steht dem Letztern das Interdict zu; dem Erstern aber natürlich nicht. 16Die Worte des Prätors: wenn nicht Bürgschaft bestellt worden ist, sind so zu verstehen, wenn die Bürgschaftsbestellung von Dauer ist, sodass, wenn die Sicherheit nicht fortdauert, Einweisung in den Besitz zur Erhaltung der Vermächtnisse statthat. 17Bürgschaftsbestellung ist, meines Erachtens, dann geschehen, wenn sie in der Art geschehen, dass dadurch dem Vermächtnissinhaber, entweder dem Rechte selbst zufolge eine hinreichende Sicherheit erworben wird, oder er sie durch eine Auftragsklage erlangen kann, und dann wird das Interdict stattfinden. 18Wenn einiger Sachen wegen Bürgschaft bestellt worden ist, anderer wegen aber nicht, so kann in Ansehung der erstern ohne alles Hinderniss Klage erhoben werden, rücksichtlich der übrigen aber nicht.
2Paul. lib. LXIII. ad Ed. Anders ist der Fall dann, wenn einem Vermächtniss nachher ein Theil angewachsen ist. 1Die Worte des Prätors: wenn es nicht in des Nachlassbesitzers Gewalt steht, Bürgschaft zu bestellen, verstehen wir so, dass er dazu bereitwillig sei. Er braucht also die Bürgschaft nicht anzubieten, sondern nur dem sie Fordernden keinen Verzug in den Weg zu legen. 2Wer die Herausgabe nicht bewirkt, der muss nach diesem Interdicte zu dem Interesse verurtheilt werden. 3Wenn ein Vermächtnissinhaber mit einem blossen Versprechen zufrieden ist, so kann das Interdict ertheilt werden. Dasselbe gilt, wenn derselbe mit Sicherheitsbestellung durch Pfand sich begnügt hat. 4Hat das Unterbleiben der Bürgschaftsbestellung an dem Vermächtnissinhaber gelegen, so haftet er, auch ohne dass Sicherheit bestellt worden, durch das Interdict. Hat das Unterbleiben der Bürgschaftsbestellung aber zwar am Vermächtnissinhaber gelegen, es ist jedoch derselbe zur Zeit der Vorzeigung des Interdicts dazu bereit, so steht das Interdict nur gegen vorherige Bürgschaftsbestellung zu. Ingleichen kommt das Interdict zur Anwendung, wenn das Unterbleiben der Bürgschaftsbestellung zuvor am Nachlassbesitzer gelegen, derselbe aber nun dazu bereit ist. Denn es wird auf die Zeit Rücksicht genommen, wo das Interdict vorgezeigt wird.