De arboribus caedendis
(Vom Baumfällen.)
1Ulp. lib. LXXI. ad Ed. Der Prator sagt: Derjenige Baum, welcher von deinem Hause auf das Haus Des und Dessen herüberhängt, wenn es an dir liegt, dass du ihn nicht hinwegnehmest, dass nicht Demjenigen dann freistehe, diesen Baum wegzunehmen, und zu behalten, verbiete ich alle Gewaltthätigkeit. 1Dieses Interdict ist ein verbietendes. 2Wenn ein Baum über eines Andern Haus hinhängt, so fragt es sich, ob der Prätor die Hinwegnahme des ganzen Baumes befiehlt, oder nur Das, was überhängt? Rutilius sagt, er müsse von Grund aus weggeschlagen werden, und dies halten die Meisten für richtiger; und wenn der Eigenthümer denselben nicht hinwegnehmen wird, so, sagt Labeo, werde Dem, wem der Baum hinderlich ist, erlaubt, denselben, wenn er wolle, wegzuschlagen und das Holz an sich zu nehmen. 3Unter der Benennung Baum sind auch Weinstöcke begriffen. 4Dieses Interdict steht nicht nur dem Eigenthümer des Hauses, sondern auch dem Niessbraucher zu, weil ihm auch daran gelegen ist, dass jener Baum nicht überhänge. 5Ad Dig. 43,27,1,5Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 169a, Note 4d.Ausserdem ist anzunehmen, dass, wenn ein Baum über ein Zweien gemeinschaftlich gehöriges Haus hängt, jeder Eigenthümer dieses Interdict habe, und zwar auf das Ganze, weil auch Jedem freisteht, die Dienstbarkeiten in Anspruch zu nehmen. 6Der Prätor sagt: Wenn es an dir gelegen, dass du ihn nicht hinwegnehmest, dass nicht dann Dem und Dem erlaubt sei, ihn hinwegzunehmen, verbiete ich alle Gewaltthätigkeit. Zuvörderst wird dir daher freigestellt, ihn hinwegzunehmen, wenn du es nicht thust, dann verbietet er dem Nachbar Gewalt anzuthun, wenn er ihn hinwegnehmen will. 7Nachher sagt der Prätor: Welcher Baum von deinem Acker auf den Acker Des und Dessen hängt, wenn es an dir gelegen, dass du ihn nicht bis auf funfzehn Fuss hoch von der Erde beschneidest, so verbiete ich alle Gewaltthätigkeit, dass nicht Dem, und Dem dann erlaubt sei, ihn so zu beschneiden und das Holz für sich zu behalten. 8Was der Prätor sagt, das wollte schon das Zwölftafelgesetz, dass nemlich die Aeste der Bäume bis auf funfzehn Fuss Höhe rund herum abgeschnitten werden, und dies zu dem Zweck, dass der Schatten des Baumes dem benachbarten Grundstück nicht schade. 9Diese beiden Capitel des Interdicts sind darin verschieden, dass, wenn ein Baum über ein Haus hinwegragt, verordnet wird, ihn wegzuschlagen, wenn aber über ein Ackerstück, ihn nur bis auf funfzehn Fuss Höhe von der Erde aus zu beschneiden.
2Pompon. lib. XXXIV. ad Sabin. Wenn ein Baum von des Nachbars Landgute durch den Wind auf das deinige herübergebogen worden ist, so kannst du rechtlichermaassen aus dem Zwölftafelgesetz auf dessen Hinwegnahme klagen, dass er kein Recht habe, den Baum so zu haben.