Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 43 übersetzt von Sintenis
Dig. XLIII26,
De precario
Liber quadragesimus tertius
XXVI.

De precario

(Vom bittweisen [Besitzverhältniss].)

1Ulpianus libro primo institutionum. Precarium est, quod precibus petenti utendum conceditur tamdiu, quamdiu is qui concessit patitur. 1Quod genus liberalitatis ex iure gentium descendit. 2Et distat a donatione eo, quod qui donat, sic dat, ne recipiat, at qui precario concedit, sic dat quasi tunc recepturus, cum sibi libuerit precarium solvere. 3Et est simile commodato: nam et qui commodat rem, sic commodat, ut non faciat rem accipientis, sed ut ei uti re commodata permittat.
1Ulp. lib. I. Instit. Ein bittweises [Besitzverhältniss] ist dasjenige, welches auf vorherige Bitte dem darum Ansuchenden so lange zum Gebrauch verstattet wird, als Derjenige es leidet, wer es gestattet hat. 1Diese Art der Gefälligkeit ist völkerrechtlichen Ursprungs. 2Von der Schenkung ist es darin verschieden, dass der Schenker so giebt, dass er es nicht zurücknehmen will; allein wer Etwas bittweise zugesteht, der giebt es in der Voraussetzung, es zurücknehmen zu wollen, sobald es ihm beliebt, das bittweise Besitzverhältniss aufzulösen. 3Und es hat Aehnlichkeit mit dem Leihen, denn auch Derjenige, wer eine Sache leihet, giebt sie dergestalt, dass er sie nicht zu Eigenthum des Empfängers macht, sondern dass er ihm erlaubt, von derselben, als einer geliehenen, Gebrauch zu machen.
2Idem libro septuagensimo primo ad edictum. Ait praetor: ‘Quod precario ab illo habes aut dolo malo fecisti, ut desineres habere, qua de re agitur, id illi restituas’. 1Hoc interdictum restitutorium est. 2Et naturalem habet in se aequitatem, namque precarium revocare volenti competit: est enim natura aequum tamdiu te liberalitate mea uti, quamdiu ego velim, et ut possim revocare, cum mutavero voluntatem. itaque cum quid precario rogatum est, non solum hoc interdicto uti possumus, sed etiam praescriptis verbis actione, quae ex bona fide oritur. 3Habere precario videtur, qui possessionem vel corporis vel iuris adeptus est ex hac solummodo causa, quod preces adhibuit et impetravit, ut sibi possidere aut uti liceat:
2Idem lib. LXXI. ad Ed. Der Prätor sagt: Was bittweise du von Dem und Dem hast, oder arglistigerweise es dahingebracht hast, dass du es nicht mehr besitzest, worüber es sich handelt, das sollst du Dem und Dem zurückgeben. 1Dieses Interdict ist ein die Herausgabe verfügendes. 2Ad Dig. 43,26,2,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 376, Note 3.Und es begreift eine natürliche Billigkeit in sich, denn es steht Dem zu, der das bittweise Verhältniss widerrufen will. Denn es ist der Natur nach billig, dass du [nur] so lange von meiner Gefalligkeit Gebrauch machen dürfest, als ich will, und dass ich widerrufen kann, sobald ich meinen Willen geändert habe. Wenn daher um Etwas bittweise angesucht worden ist, so kann man sich nicht allein dieses Interdicts bedienen, sondern auch der aus dem guten Glauben entspringenden Klage aus bestimmten Worten. 3Bittweise besitzt Derjenige, der den Besitz eines Körpers oder eines Rechts aus dem einzigen Grunde erlangt hat, dass er darum gebeten und es dahingebracht hat, dass ihm der Besitz und Gebrauch erlaubt ward.
3Gaius libro vicensimo quinto ad edictum provinciale. veluti si me precario rogaveris, ut per fundum meum ire vel agere tibi liceat vel ut in tectum vel in aream aedium mearum stillicidium vel tignum in parietem immissum habeas.
3Gaj. lib. XXV. ad Ed. prov. Z. B. du hast mich gebeten, über mein Landgut gehen oder fahren zu dürfen, oder über das Dach oder den Hof meines Hauses die Traufe [vorgeschoben,] oder einen Balken in die Wand eingelegt zu haben.
4Ulpianus libro septuagensimo primo ad edictum. In rebus etiam mobilibus precarii rogatio constitit. 1Meminisse autem nos oportet eum, qui precario habet, etiam possidere. 2Tenetur hoc interdicto non utique ille, qui precario rogavit, sed qui precario habet: etenim fieri potest, ut quis non rogaverit, sed habeat precario. ut puta servus meus rogavit: mihi adquisiit precarium: vel quis alius, qui iuri meo subiectus est. 3Item si rem meam precario rogavero, rogavi quidem precario, sed non habeo precario idcirco, quia receptum est rei suae precarium non esse. 4Item qui precario ad tempus rogavit, finito tempore, etiamsi ad hoc temporis non rogavit, tamen precario possidere videtur: intellegitur enim dominus, cum patitur eum qui precario rogaverit possidere, rursus precario concedere.
4Ulp. lib. LXXI. ad Ed. Auch an beweglichen Sachen kann ein bittweises Verhältniss bestehen. 1Wir müssen aber darauf aufmerksam machen, dass Derjenige, wer bittweise Etwas innehat, wirklich besitzt. 2Durch dieses Interdict haftet nicht allein Derjenige, wer bittweise ersucht hat, sondern Derjenige, der Etwas bittweise hat; denn es kann ja der Fall sein, dass Jemand nicht gebeten und dennoch bittweise Etwas innehat, z. B. mein Sclave hat gebeten, und für mich das bittweise Verhältniss erworben, oder irgend ein Anderer, der meinem Rechte unterworfen ist. 3Ingleichen, wenn ich um eine mir selbst gehörige Sache bittweise nachgesucht habe, so habe ich zwar bittweise darum nachgesucht, allein ich habe sie doch nicht bittweise, nemlich deswegen, weil man angenommen hat, dass an einer eigenen Sache kein bittweises Verhältniss stattfinde. 4Ferner scheint Derjenige, wer bittweise auf eine gewisse Zeit nachgesucht hat, auch wenn diese Zeit abgelaufen und er für die fernere nicht bittweise nachgesucht, dennoch ebenso zu besitzen, denn es wird angenommen, als gestehe der Eigenthümer, der Den, welcher früher bittweise nachgesucht hat, [ferner] im Besitz lässt, ihm von Neuem denselben bittweise zu.
5Pomponius libro vicensimo nono ad Sabinum. Sed si manente adhuc precario tu in ulterius tempus rogasti, prorogatur precarium: nam nec mutatur causa possessionis et non constituitur eo modo precarium, sed in longius tempus profertur. si vero praeterita die rogas, propius est, ut soluta iam causa precarii non redintegretur, sed nova constituatur.
5Pompon. lib. XXIX. ad Sabin. Wenn du aber, während der Dauer des bittweisen Verhältnisses, noch für fernere Zeit gebeten hast, so wird dasselbe verlängert, denn dadurch wird weder der Grund des Besitzes verändert, noch ein [neues] bittweises Verhältniss begründet, sondern es wird [das vorhandene] nur auf längere Zeit ausgedehnt. Wenn du aber nach Ablauf der Frist darum bittest, so wird eigentlich nicht ein schon aufgelöstes bittweises Verhältniss wiedererneuert, sondern ein ganz neues begründet.
6Ulpianus libro septuagensimo primo ad edictum. Certe si interim dominus furere coeperit vel decesserit, fieri non posse Marcellus ait, ut precarium redintegretur, et hoc verum est. 1Si procurator meus me mandante vel ratum habente precario rogaverit, ego precario habere proprie dicor. 2Is qui rogavit, ut precario in fundo moretur, non possidet, sed possessio apud eum qui concessit remanet: nam et fructuarius, inquit, et colonus et inquilinus sunt in praedio et tamen non possident. 3Iulianus ait eum, qui vi alterum deiecit et ab eodem precario rogavit, desinere vi possidere et incipere precario, neque existimare sibi ipsum causam possessionis mutare, cum voluntate eius quem deiecit coeperit precario possidere: nam si ab eodem emisset, incipere etiam pro emptore posse dominium capere. 4Quaesitum est, si quis rem suam pignori mihi dederit et precario rogaverit, an hoc interdictum locum habeat. quaestio in eo est, ut precarium consistere rei suae possit. mihi videtur verius precarium consistere in pignore, cum possessionis rogetur, non proprietatis, et est haec sententia etiam utilissima: cottidie enim precario rogantur creditores ab his, qui pignori dederunt, et debet consistere precarium.
6Ulp. lib. LXXI. ad Ed. Ist freilich inzwischen der Eigenthümer in Wahnsinn verfallen oder gestorben, so, sagt Marcellus, ist die Erneuerung des bittweisen Verhältnisses unmöglich, und das ist richtig. 1Wenn mein Geschäftsbesorger in meinem Auftrag, oder unter geschehener Genehmigung, bittweise um Etwas nachgesucht hat, so wird gesagt, dass ich eigentlich bittweise besitze. 2Wer bittweise darum nachgesucht hat, auf meinem Landgute verweilen zu dürfen, der besitzt nicht, sondern der Besitz verbleibt Dem, der es erlaubt hat; denn auch der Niessbraucher, sagt er, der Pächter und Miether sind auf dem Grundstück, und besitzen doch nicht. 3Ad Dig. 43,26,6,3Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 182, Note 10.Julianus sagt, wer einen Andern aus dem Besitz vertrieben und ihn nachher bittweise um denselben ersucht habe, höre auf, gewaltsam zu besitzen, und fange an bittweise zu besitzen; auch glaube er nicht, dass er sich den Grund seines Besitzes selbst verändere, da er mit Einwilligung Dessen, den er vertrieben, zu besitzen anfängt; denn habe er von demselben gekauft, so könne er auch nunmehr das Eigenthum als Käufer ergreifen. 4Es ist die Frage erhoben worden, ob, wenn Jemand seine eigene Sache mir zum Pfande gegeben und bittweise um dieselbe nachgesucht hat, dieses Interdict statthabe; diese Frage drehet sich darum, dass ein bittweises Verhältniss an keiner eigenen Sache bestehen könne. — Mir scheint aber vielmehr dieses Verhältniss an [der Sache als] Pfand [betrachtet] zu bestehen, da das Ersuchen den Besitz und nicht das Eigenthum betrifft, und diese Meinung ist auch vom grössten Nutzen, denn täglich werden ja Gläubiger von Denen, die Etwas verpfändet haben, darum bittweise angegangen, und es darf ein solches Verhältniss bestehen.
7Venuleius libro tertio interdictorum. Sed et si eam rem, cuius possessionem per interdictum uti possidetis retinere possim, quamvis futurum esset, ut tenear de proprietate, precario tibi concesserim, teneberis hoc interdicto.
7Venulej. lib. III. Interdict. Auch dann wirst du durch dieses Interdict haften, wenn ich dir bittweise eine solche Sache zugestanden habe, deren Besitz ich durch das Interdict Wie ihr besitzet behalten kann, obwohl es sich ereignen würde, dass ich in einem Rechtsstreit über das Eigenthum den Kürzern zöge.
8Ulpianus libro septuagensimo primo ad edictum. Quaesitum est, si Titius me rogaverit, ut re Sempronii utatur, deinde ego Sempronium rogavero, ut concederet, et ille, dum mihi vult praestitum, concesserit. Titius a me habet precario et ego cum eo agam interdicto de precario: Sempronius autem non aget cum eo, quia haec verba ‘ab illo precario habes’ ostendunt ei demum competere interdictum, a quo quis precario rogavit, non cuius res est, an tamen Sempronius mecum, quasi a me rogatus, interdictum habeat? et magis est, ne habeat, quia non habeo precario, cum non mihi, sed alii impetravi. mandati tamen actionem potest adversus me habere, quia me mandante dedit tibi: aut si quis dixerit non mandatu meo, sed magis mihi credentem hoc fecisse, dicendum est in factum dandam actionem et adversus me. 1Quod a Titio precario quis rogavit, id etiam ab herede eius precario habere videtur: et ita et Sabinus et Celsus scribunt eoque iure utimur. ergo et a ceteris successoribus habere quis precario videtur. idem et Labeo probat et adicit, etiamsi ignoret quis heredem, tamen videri eum ab herede precario habere. 2Illud tamen videamus quale sit, si a me precario rogaveris et ego eam rem alienavero, an precarium duret re ad alium translata. et magis est, ut, si ille non revocet, posse interdicere quasi ab illo precario habeas, non quasi a me: et si passus est aliquo tempore a se precario habere, recte interdicet, quasi a se precario habeas. 3Eum quoque precario teneri voluit praetor, qui dolo fecit, ut habere desineret. illud adnotatur, quod culpam non praestat is qui precario rogavit, sed solum dolum praestat, quamquam is, qui commodatum suscepit, non tantum dolum, sed etiam culpam praestat. nec immerito dolum solum praestat is qui precario rogavit, cum totum ex liberalitate descendat eius qui precario concessit et satis sit, si dolus tantum praestetur. culpam tamen dolo proximam contineri quis merito dixerit. 4Ex hoc interdicto restitui debet in pristinam causam: quod si non fuerit factum, condemnatio in tantum fiet, quanti interfuit actoris ei rem restitui ex eo tempore, ex quo interdictum editum est: ergo et fructus ex die interdicti editi praestabuntur. 5Si servitute usus non fuit is qui precario rogavit ac per hoc amissa sit, videamus, an interdicto teneatur. ego arbitror non alias, quam si dolo fecerit. 6Et generaliter erit dicendum in restitutionem venire dolum et culpam latam dumtaxat, cetera non venire. plane post interdictum editum oportebit et dolum et culpam et omnem causam venire: nam ubi moram quis fecit precario, omnem causam debebit constituere. 7Interdictum hoc et post annum competere Labeo scribit eoque iure utimur: cum enim nonnumquam in longum tempus precarium concedatur, absurdum est dicere interdictum locum non habere post annum. 8Hoc interdicto heres eius qui precario rogavit tenetur quemadmodum ipse, ut, sive habet sive dolo fecit quo minus haberet vel ad se perveniret, teneatur: ex dolo autem defuncti hactenus, quatenus ad eum pervenit.
8Ulp. lib. LXXI. ad Ed. Es ist die Frage erhoben worden, ob, wenn Titius mich gebeten, von einer dem Sempronius gehörigen Sache Gebrauch machen zu dürfen, und ich nachher den Sempronius gebeten habe, es zu gestatten, dieser aber in der Absicht, es mir zu gestatten, eingewilligt, und Titius also von mir bittweise besitzt, und ich wider ihn aus dem Interdicte über das bittweise Verhältniss Klage erhebe, Sempronius aber wider ihn nicht klagt, weil die Worte: von Dem und Dem bittweise hast, beweisen, dass nur Deinjenigen das Interdict zukomme, den Jemand bittweise angegangen ist, nicht Dem, welchem die Sache gehört, dennoch Sempronius wider mich, als von mir gebeten, das Interdict habe? — Es spricht indessen mehr dagegen, weil ich nicht bittweise besitze, indem ich nicht für mich, sondern für einen Andern erbeten habe; doch kann er die Auftragsklage wider mich erheben, weil er dir [den Besitz] in meinem Auftrag gegeben; oder, sollte Jemand darauf entgegnen, er habe dies ja nicht in meinem Auftrage, sondern vielmehr mir creditirend gethan, so würde auch wider mich eine Klage auf das Geschehene ertheilt werden müssen. 1Dasjenige, warum Jemand den Titius bittweise ersucht hat, wird er auch in der Art von dessen Erben zu haben angenommen; so schreiben Sabinus und Celsus, und das ist jetzt bei uns Rechtens. Es wird daher von ihm angenommen, dass er es [eintretenden Falls] auch von den fernern Rechtsnachfolgern bittweise besitze. Labeo theilt diese Ansicht, und fügt hinzu, dass, wenn Jemand auch den Erben gar nicht kenne, er dennoch von demselben bittweise zu besitzen scheine. 2Das jedoch ist näher zu beleuchten, ob, wenn du mich bittweise um eine Sache ersucht hast, und ich dieselbe veräussert habe, nach Uebertragung der Sache an einen Andern, das bittweise Verhältniss fortbesteht? — Es spricht mehr dafür, dass, wenn jener es nicht widerruft, er das Interdict anwenden könne11Ich behalte die Lesart der Flor., als habest du bittweise von ihm und nicht von mir, und wenn er eine Zeitlang dir den bittweisen Besitz gestattet hat, so wird er ebenfalls das Interdict gebrauchen können, als habest du von ihm bittweise. 3Auch Derjenige, wollte der Prätor, solle wegen des bittweisen Verhältnisses haften, wer arglistigerweise sich des Besitzes entledigt hat. Das übrigens ist zu bemerken, dass der bittweise Ersuchende keine Verschuldung zu vertreten braucht, sondern blos Arglist, obwohl Derjenige, wer Etwas geliehen erhalten, sowohl Arglist als Verschuldung vertreten muss; der bittweise Ersuchende vertritt übrigens nicht ohne Grund blos die Arglist, da das ganze Verhältniss seinen Ursprung lediglich in der Gefälligkeit Dessen findet, der es bittweise zugestanden hat, und es hinreichend ist, wenn blos die Arglist vertreten wird. Dass jedoch die der Arglist nahestehende Verschuldung mit darin begriffen sei, dürfte wohl mit Recht behauptet werden. 4Zufolge dieses Interdicts muss eine Wiederherstellung in die vorherige Lage erfolgen; ist diese nicht geschehen, so wird Verurtheilung auf so hoch erfolgen, als dem Kläger an der Wiederherstellung gelegen ist, und zwar von Zeit der Ertheilung des Interdicts an. Es werden mithin auch die Nutzungen vom Tage der Ertheilung des Interdicts an ersetzt werden müssen. 5Wenn Derjenige, welcher bittweise ersucht hat, von einer Dienstbarkeit keinen Gebrauch gemacht, und dieselbe in Folge dessen verloren gegangen ist, so fragt es sich, ob er durch das Interdict hafte? Ich sollte glauben, nur dann, wenn er arglistig gehandelt hat. 6Ueberhaupt, lässt sich behaupten, wird nur Arglist und grobe Verschuldung bei der Herausgabe in Betracht gezogen, weiter nichts. Nach der Ertheilung des Interdicts freilich muss Arglist, Schuld und alles Zubehör berücksichtigt werden, denn wenn Jemand bei einem bittweisen Verhältniss sich einen Verzug hat zu Schulden kommen lassen, so wird er den vollen Zubehör herausgeben22Omnis causa ist ein vielumfassender Ausdruck, der kaum übersetzbar ist, es ist darunter in Bezug auf die Herausgabe einer Sache alles Dasjenige begriffen, was der Kläger gehabt haben würde, wenn ihm die Sache vom Beklagten nicht wäre vorenthalten worden, l. 246. D. de v. s., l. 35. eod., l. 75. eod., l. 20. de r. v., s. Glück Pand. VIII. p. 222. seqq. müssen. 7Ad Dig. 43,26,8,7Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 160, Note 17.Labeo sagt, dieses Interdict sei auch nach Jahresfrist zuständig, und das ist bei uns Rechtens; denn da für ein bittweises Verhältniss zuweilen eine lange Frist gestattet wird, so wäre es widersinnig zu behaupten, dass das Interdict nach Jahresfrist nicht statthabe. 8Durch dieses Interdict wird der Erbe Dessen, der bittweise nachgesucht hat, ebensowohl gehalten, als er selbst, und zwar ohne Unterschied, ob er sich noch im Besitz befindet, oder es arglistigerweise dahingebracht hat, dass er nicht mehr besitze, oder [den Gegenstand] gar nicht überkomme; durch Arglist des Erblassers aber soweit, als Etwas an ihn gelangt ist.
9Gaius libro vicensimo sexto ad edictum provinciale. Precario possessio consisti potest vel inter praesentes vel inter absentes, veluti per epistulam vel per nuntium.
9Gaj. lib. XXVI. ad Ed. prov. Bittweise kann der Besitz sowohl zwischen Anwesenden als Abwesenden bestellt werden, z. B. durch Briefe oder Boten.
10Pomponius libro quinto ex Plautio. Quamvis ancillam quis precario rogaverit, id actum videtur, ut etiam quod ex ancilla natum esset in eadem causa haberetur.
10Pompon. lib. V. ex Plautio. Wenn Jemand auch nur um eine Sclavin bittweise nachgesucht hat, so scheint dennoch darin auch der Umstand begriffen, dass sich das von derselben geboren werdende Kind in demselben Verhältniss befinden solle.
11Celsus libro septimo digestorum. Si debitor rem pigneratam precario rogaverit, soluta pecunia precarium solvitur: quippe id actum est, ut usque eo precarium teneret.
11Cels. lib. VII. Dig. Wenn der Schuldner um eine verpfändete Sache bittweise nachgesucht hat, so löst sich das bittweise Verhältniss mit der Zahlung der Schuld auf, weil es ausgemacht ist, dass dasselbe nur bis dahin bestehen solle.
12Idem libro vicensimo quinto digestorum. Cum precario aliquid datur, si convenit, ut in kalendas Iulias precario possideat, numquid exceptione adiuvandus est, ne ante ei possessio auferatur? sed nulla vis est huius conventionis, ut rem alienam domino invito possidere liceat. 1Precario rogatio et ad heredem eius qui concessit transit: ad heredem autem eius qui precario rogavit non transit, quippe ipsi dumtaxat, non etiam heredi concessa possessio est.
12Idem lib. XXV. Dig. Wenn Etwas bittweise gegeben wird, und man dahin übereinkommt, dass der bittweise Besitz bis zum ersten Juli dauern solle, muss dem Andern, da mit einer Einrede geholfen werden, damit ihm der Besitz nicht früher entzogen werde? — Allein dieses Uebereinkommen ist ohne Wirkung, dass Jemand eine fremde Sache solle wider des Eigenthümers Willen besitzen dürfen. 1Ein bittweises Ersuchen geht [in seiner Wirkung] auch auf den Erben Dessen, der ihm Folge gegeben, über, auf den Erben Dessen, der darum gebeten, aber nicht, weil nur ihm und nicht auch dem Erben der Besitz zugestanden worden ist.
13Pomponius libro trigensimo tertio ad Quintum Mucium. Si servus tuus tuo mandato precario rogaverit vel ratum habueris quod ille rogavit tuo nomine, teneberis, quasi precario habeas. sed si te ignorante suo nomine vel servus vel filius rogaverit, non videris tu precario habere, sed illi erit actio de peculio vel de in rem verso.
13Pompon. lib. XXXIII. ad Quint. Muc. Wenn dein Sclave in deinem Auftrag bittweise nachgesucht hat, oder du es genehmigt hast, was jener in deinem Namen erbeten hat, so wirst du haften, wie wenn du bittweise besitzest. Hat aber dein Sclave oder dein Sohn in seinem Namen, ohne dein Vorwissen gebeten, so wird nicht angenommen, dass du bittweise besitzest, aber der Andere wird die Klage wegen des Sonderguts, oder der geschehenen Nutzverwendung haben.
14Paulus libro tertio decimo ad Sabinum. Interdictum de precariis merito introductum est, quia nulla eo nomine iuris civilis actio esset: magis enim ad donationes et beneficii causam, quam ad negotii contracti spectat precarii condicio.
14Paul. lib. XIII. ad Sabin. Das Interdict wegen bittweisen Verhältnisses ist mit allem Rechte eingeführt worden, weil deshalb keine bürgerlichrechtliche Klage stattfand, denn das bittweise Verhältniss hat viel mehr Aehnlichkeit mit den Schenkungen und Wohlthaten, als mit Contractsgeschäften.
15Pomponius libro vicensimo nono ad Sabinum. Et habet summam aequitatem, ut eatenus quisque nostro utatur, quatenus ei tribuere velimus. 1Hospites et qui gratuitam habitationem accipiunt non intelleguntur precario habitare. 2Precario habere etiam ea quae in iure consistunt possumus, ut immissa vel protecta. 3Cum quis de re sibi restituenda cautum habet, precarium interdictum ei non competit. 4Eum, qui precario rogaverit, ut sibi possidere liceat, nancisci possessionem non est dubium: an is quoque possideat, qui rogatus sit, dubitatum est. placet autem penes utrumque esse eum hominem, qui precario datus esset, penes eum qui rogasset, quia possideat corpore, penes dominum, quia non discesserit animo possessione. 5Quo quis loco precario aut possideat aut coeperit possidere, nihil refert, quod ad hoc interdictum pertinet.
15Pompon. lib. XXIX. ad Sabin. Und es ist der Billigkeit im höchsten Grade angemessen, dass Jemand nur soweit des Unsrigen sich bediene, als wir es ihm zukommen lassen wollen. 1Gäste, und Diejenigen, welche unentgeltliche Wohnungen erhalten, werden nicht als bittweise wohnend angesehen. 2Bittweise kann man übrigens auch Dasjenige besitzen, was in einem Rechtsverhältniss besteht, z. B. Vorbauten und Wetterdächer. 3Wenn Jemand über die Zurückgabe einer Sache Sicherheitsbestellung erhalten hat, so steht ihm das Interdict wegen bittweisen Verhältnisses nicht zu. 4Ad Dig. 43,26,15,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 154, Note 5.Derjenige, wer bittweise um die Erlaubniss zum Besitz nachgesucht hat, erlangt ohne allen Zweifel den Besitz. Ob auch der darum Gebetene den Besitz habe, ist bezweifelt worden. Indessen hat man doch angenommen, dass [z. B.] der Sclave, welcher bittweise gegeben worden, von Beiden besessen werde, von Dem, der darum gebeten hatte, weil er ihn körperlich besass, und vom Herrn, weil er den Willen, zu besitzen, nicht aufgegeben hat. 5Wo Jemand bittweise besitzt, oder zu besitzen angefangen, darauf kommt in Bezug auf dieses Interdict nichts an.
16Idem libro trigensimo secundo ad Sabinum. Si adoptavero eum, qui precario rogaverit, ego quoque precario possidebo.
16Pompon. lib. XXXII. ad Sabin. Wenn ich Denjenigen an Kindes Statt angenommen habe, der bittweise nachgesucht hat, so werde ich auch bittweise besitzen.
17Idem libro vicensimo tertio ad Sabinum. Qui precario fundum possidet, is interdicto uti possidetis adversus omnes praeter eum, quem rogavit, uti potest.
17Idem lib. XXIII. ad Sabin. Wer ein Landgut bittweise besitzt, der kann sich des Interdicts Wie ihr besitzet gegen Jeden bedienen, ausgenommen Den, den er gebeten hat.
18Iulianus libro tertio decimo digestorum. Unusquisque potest rem suam, quamvis non possideat, precario dare ei qui possideat.
18Julian. lib. XIII. Dig. Es kann Jeder eine ihm gehörige Sache, wenn er sie auch nicht besitzt, dem Besitzer derselben bittweise geben.
19Idem libro quadragensimo nono digestorum. Duo in solidum precario habere non magis possunt, quam duo in solidum vi possidere aut clam: nam neque iustae neque iniustae possessiones duae concurrere possunt. 1Qui servum meum precario rogat, videtur a me precario habere, si hoc ratum habuero, et ideo precario interdicto mihi tenebitur. 2Cum quid precario rogatum est, non solum interdicto uti possumus, sed et incerti condictione, id est praescriptis verbis.
19Idem lib. XLIX. Dig. Zwei zusammen können ebensowenig im Ganzen bittweise besitzen, als Zwei im Ganzen gewaltsam besitzen können, oder heimlich; denn es können weder zwei rechtmässige, noch zwei unrechtmässige Besitze zusammentreffen. 1Wer meinen Sclaven bittweise ersucht, der scheint von mir bittweise zu besitzen, wenn ich es genehmigt habe, und darum haftet er mir durch das Interdict wegen bittweisen [Gestattens]. 2Wenn um Etwas bittweise nachgesucht worden ist, so kann man sich nicht nur des Interdicts bedienen, sondern auch der Condiction des Unbestimmten, d. h. der aus bestimmten Worten.
20Ulpianus libro secundo responsorum. Ea, quae distracta sunt, ut precario penes emptorem essent, quoad pretium universum persolveretur: si per emptorem stetit, quo minus persolveretur, venditorem posse consequi.
20Ulp. lib. II. Respons. Was mit der Bestimmung verkauft worden ist, dass es bittweise in des Käufers Händen bleiben solle, bis der Gesammtpreis bezahlt worden, kann der Verkäufer wiederfordern, wenn es am Käufer gelegen, dass keine Zahlung geleistet wurde.
21Venuleius libro quarto actionum. Cum precario quis rogat, ut ipsi in eo fundo morari liceat, supervacuum est adici ‘ipsi suisque’: nam per ipsum suis quoque permissum uti videtur.
21Venulej. lib. IV. Act. Wenn Jemand bittweise darum nachsucht, sich auf einem Landgute aufhalten zu dürfen, so ist der Zusatz: er und die Seinigen überflüssig; denn durch ihn selbst erscheint es den Seinigen miterlaubt.
22Idem libro tertio interdictorum. Si is, qui pro possessore possideret, precario dominum rogaverit, ut sibi retinere rem liceret, vel is, qui alienam rem emisset, dominum rogaverit: apparet eos precario possidere. nec existimandos mutare sibi causam possessionis, quibus a domino concedatur precario possidere: nam et si id quod possideas alium precario rogaveris, videri te desinere ex prima causa possidere et incipere ex precario habere: et contra si possessorem precario rogaverit qui rem avocare ei posset, teneri eum precario, quoniam aliquid ad eum per hanc precarii rogationem pervenit, id est possessio, quae aliena sit. 1Si pupillus sine tutoris auctoritate precario rogaverit, Labeo ait habere eum precariam possessionem et hoc interdicto teneri. nam quo magis naturaliter possideretur, nullum locum esse tutoris auctoritati: recteque dici ‘quod precario habes’, quia quod possideat ex ea causa possideat, ex qua rogaverit: nihilque novi per praetorem constituendum, quoniam, sive habeat rem, officio iudicis teneretur, sive non habeat, non teneatur.
22Idem lib. III. Interdict. Wenn der als Besitzer Besitzende den Eigenthümer bittweise angegangen ist, ihm zu erlauben, die Sache behalten zu dürfen, oder der Käufer einer einem Dritten gehörigen Sache deren Eigenthümer gebeten hat, so erhellt, dass Diejenigen bittweise besitzen, und nicht anzunehmen sei, dass sie sich den Grund des Besitzes verändern, denen vom Eigenthümer gestattet worden, bittweise zu besitzen; denn sowohl, wenn du um Das, was du besitzest, einen Andern bittweise angegangen bist, hörst du auf, aus dem frühern Grunde zu besitzen, und fängst an, bittweise zu besitzen, als es haftet auch umgekehrt Der, wer den Besitzer bittweise ersucht hat, der den Gegenstand von ihm abfodern konnte, aus dem bittweisen Verhältniss, weil durch dieses bittweise Ersuchen Etwas an ihn gelangt, nemlich der einem Andern zuständige Besitz. 1Wenn ein Mündel ohne seines Vormundes Ermächtigung bittweise ersucht hat, sagt Labeo, habe er den bittweisen Besitz und hafte durch dieses Interdict; denn je mehr sein Besitz ein blos natürlicher sei, destoweniger habe des Vormundes Ermächtigung statt, und es könne mit allem Rechte gesagt werden, was du bittweise besitzest, weil er Das, was er besitzt, aus dem Grunde besitze, aus dem er ihn gebeten hat, und durch den Prätor [in dieser Hinsicht] nichts Neues hergestellt werden solle, weil er, wenn er die Sache noch habe, durch die Amtspflicht des Richters hafte, wenn nicht, nicht hafte.