Ne quid in flumine publico fiat, quo aliter aqua fluat, atque uti priore aestate fluxit
(Dass in einem öffentlichen Fluss Etwas nicht geschehe, wodurch der Wasserfluss gegen den im vorhergehenden Sommer geändert wird.)
1Ulp. lib. LXVIII. ad Ed. Der Prätor sagt: in einem öffentlichen Flusse und an dessen Ufer Etwas zu unternehmen, oder in den Fluss und das Ufer Etwas hineinzuschieben, wodurch das Wasser einen andern Lauf annimmt, als es im vorigen Sommer gehabt, verbiete ich. 1Durch dieses Interdict hat der Prätor dahin vorgesehen, dass die Flüsse nicht durch unerlaubte Ableitungen ausgetrocknet werden, oder eine Veränderung des Flussbettes den Nachbarn Unrecht thue. 2Dasselbe betrifft aber blos öffentliche Flüsse, sie mögen schiffbar sein oder nicht. 3Der Prätor sagt: wodurch das Wasser einen andern Lauf annimmt, als es im vorigen Sommer gehabt; es haftet also nicht Jeder, wer Etwas hineingeschoben oder errichtet hat, sondern wer durch die Errichtung oder das Hineinschieben von Etwas den Lauf des Wassers [dagegen] verändert hat, wie er im vorigen Sommer gewesen. Die Worte: einen andern Lauf nimmt, beziehen sich nicht auf die Masse des fliessenden Wassers, sondern müssen auf dessen Richtung und die Strömung seines Laufes bezogen werden. Ueberhaupt kann man sagen, es hafte Jemand durch dieses Interdict nur dann, wenn der Lauf des Wassers durch Das, was errichtet worden, verändert wird, z. B. das Wasser gedrückter oder eingeengter und dadurch zum Schaden der Anwohner reissender ist. Auch wenn die Anwohner durch die Handlung des Beklagten einen Schaden anderer Art empfinden, wird das Interdict zur Anwendung kommen. 4Wenn Jemand aus einem bedeckten Kanal einen unbedeckten machen will, oder umgekehrt, aus einem unbedeckten einen bedeckten, so haftet er, hat man angenommen, durch das Interdict, sobald aus diesem Unternehmen den Umwohnern ein Schaden entspringt. 5Auf gleiche Weise wird er durch dieses Interdict haften, wenn er einen Abzugsgraben zieht, oder ihn an einem andern Orte anlegt, oder wenn er ein Flussbett verändert. 6Einige glauben, dass von diesem Interdicte die Ausnahme stattfinde, was nicht zur Befestigung des Ufers geschieht; dies ist nemlich so zu verstehen, dass das Interdict keine Anwendung leiden solle, wenn Etwas geschieht, wodurch sich der Lauf des Wassers ändert, sobald es zur Befestigung des Ufers geschehen; Andere haben dies aber verworfen, denn die Ufer dürfen zum Schaden der Anwohner nicht befestigt werden; allein es ist bei uns Rechtens, dass der Prätor es nach den Umständen abwägt, ob er diese Einrede zu ertheilen habe; meistens spricht der Nutzen der Sache für die Ertheilung jener Einrede. 7Wenn aber auch ein Nutzen Dessen ins Spiel kommt, der Etwas in einem öffentlichen Flusse errichtet (z. B. der Fluss gewöhnlich ihm einen grossen Schaden gethan, oder seine Grundstücke verwüstet hat), und er Dämme oder andere Sicherungsmittel zur Deckung seines Ackers angewendet hat, und durch diesen Umstand der Lauf des Flusses etwas geändert worden ist, warum soll ihm da nicht geholfen werden? — Ich weiss, dass Viele den Flusslauf wo anders hingeleitet und die Flussbetten geändert haben, um für ihre Grundstücken zu sorgen; denn man muss in solchen Fällen den Nutzen und den Schutz der handelnden Personen berücksichtigen, sobald natürlich die Anwohner daraus keinen Schaden haben. 8Es haftet aber Derjenige durch dieses Interdict, der den Lauf des Flusses anders gerichtet, als er im vorigen Sommer gewesen; den vorigen Sommer, sagt man, habe der Prätor darum als Norm angenommen, weil der natürliche Lauf der Flüsse im Sommer sich mit grösserer Bestimmtheit als im Winter abnehmen lässt. Und es wird darum das Interdict auf den vorigen und nicht auf den künftigen Sommer bezogen, weil der Lauf des Wassers in jenem Sommer unbezweifelt ist. Der Sommer wird bis zur Herbstnachtgleiche verstanden. Wird im Laufe des Sommers interdicirt, so muss auf den nächsten vorherigen Sommer Rücksicht genommen werden, wenn aber im Winter, so wird nicht der nächstverflossene Sommer vor dem Winter, sondern der vorhergehende zu berücksichtigen sein. 9Dieses Interdict steht Jedem aus dem Volke zu, aber nicht wider Jeden, sondern wider Den, der es bewirkt, dass das Wasser anders fliesse, ohne ein Recht dazu zu haben. 10Dieses Interdict findet auch wider die Erben statt. 11Hernach sagt der Prätor: Was du in einem öffentlichen Flusse oder auf dessen Ufer Errichtetes, oder in denselben und auf dasselbe Vorgeschobenes innehast, wenn deshalb das Wasser einen andern Lauf nimmt, als es im vorigen Sommer gehabt, das sollst du wiederherstellen. 12Dieses Interdict ist als ein die Wiederherstellung verfügendes begründet; das vorhergedachte ist nemlich ein verbietendes, und hat etwas noch nicht Geschehenes zum Gegenstande11Dieser letzte Satz gehört doch wohl zusammen, ohne dass man dessen erste Hälfte mit unserm Text in Parenthese setzen dürfte, denn die letzteren Worte beziehen sich auf das in Parenthese Gesetzte, und nicht auf das Voranstehende.. Ist also Etwas schon geschehen, so wird es durch dieses Interdict wiederhergestellt werden, wenn es aber darauf abgesehen ist, dass Etwas nicht geschehe, so wird das vorhergedachte Interdict zur Anwendung zu bringen sein; ist Etwas nach Ertheilung des Interdicts geschehen, so wird es [nach demselben] gestraft werden. 13Gegenstand dieses eine Wiederherstellung verfügenden Interdicts wird nicht unbillig, wie Labeo sagt, es auch sein, wenn es arglistigerweise geschehen ist, dass du etwas nicht mehr innehabest.