Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 43 übersetzt von Sintenis
Dig. XLIII13,
Ne quid in flumine publico fiat, quo aliter aqua fluat, atque uti priore aestate fluxit
Liber quadragesimus tertius
XIII.

Ne quid in flumine publico fiat, quo aliter aqua fluat, atque uti priore aestate fluxit

(Dass in einem öffentlichen Fluss Etwas nicht geschehe, wodurch der Wasserfluss gegen den im vorhergehenden Sommer geändert wird.)

1Ul­pia­nus li­bro se­xa­gen­si­mo oc­ta­vo ad edic­tum. Ait prae­tor: ‘In flu­mi­ne pu­bli­co in­ve ri­pa eius fa­ce­re aut in id flu­men ri­pam­ve eius im­mit­te­re, quo ali­ter aqua fluat, quam prio­re aes­ta­te flu­xit, ve­to’. 1Hoc in­ter­dic­to pro­spe­xit prae­tor, ne de­ri­va­tio­ni­bus mi­nus con­ces­sis flu­mi­na ex­cres­cant vel mu­ta­tus al­veus vi­ci­nis in­iu­riam ali­quam ad­fe­rat. 2Per­ti­net au­tem ad flu­mi­na pu­bli­ca, si­ve na­vi­ga­bi­lia sunt si­ve non sunt. 3Ait prae­tor: ‘quo ali­ter aqua fluat, quam prio­re aes­ta­te flu­xit’: non om­nis er­go, qui im­mi­sit vel qui fe­cit, te­ne­tur, sed qui fa­cien­do vel im­mit­ten­do ef­fi­cit ali­ter, quam prio­re aes­ta­te flu­xit, aquam flue­re. quod au­tem ait ‘ali­ter fluat’, non ad quan­ti­ta­tem aquae fluen­tis per­ti­net, sed ad mo­dum et ad ri­go­rem cur­sus aquae re­fe­ren­dum est. et ge­ne­ra­li­ter di­cen­dum est ita de­mum in­ter­dic­to quem te­ne­ri, si mu­te­tur aquae cur­sus per hoc quod fac­tum est, dum vel de­pres­sior vel ar­tior fiat aqua ac per hoc ra­pi­dior fit cum in­com­mo­do ac­co­len­tium: et si quod aliud vi­tii ac­co­lae ex fac­to eius qui con­ve­ni­tur sen­tient, in­ter­dic­to lo­cus erit. 4Si quis ex ri­vo tec­to per aper­tum du­ce­re ve­lit vel con­tra qui an­te aper­to du­xit, nunc oper­to ve­lit, in­ter­dic­to te­ne­ri pla­cuit, si mo­do hoc fac­tum eius in­com­mo­dum cir­ca co­len­ti­bus ad­fe­rat. 5Si­mi­li mo­do et si in­ci­le du­cat aut alio lo­co fa­ciat aut si al­veum flu­mi­nis mu­tet, hoc in­ter­dic­to te­ne­bi­tur. 6Sunt qui pu­tent ex­ci­pien­dum hoc in­ter­dic­to ‘quod eius ri­pae mu­nien­dae cau­sa non fiet’, sci­li­cet ut, si quid fiat, quo ali­ter aqua fluat, si ta­men mu­nien­dae ri­pae cau­sa fiat, in­ter­dic­to lo­cus non sit. sed nec hoc qui­bus­dam pla­cet: ne­que enim ri­pae cum in­com­mo­do ac­co­len­tium mu­nien­dae sunt. hoc ta­men iu­re uti­mur, ut prae­tor ex cau­sa aes­ti­met, an hanc ex­cep­tio­nem da­re de­beat: ple­rum­que enim uti­li­tas sua­det ex­cep­tio­nem is­tam da­ri. 7Sed et si alia uti­li­tas ver­ta­tur eius, qui quid in flu­mi­ne pu­bli­co fe­cit (po­ne enim gran­de dam­num flu­men ei da­re so­li­tum, prae­dia eius de­po­pu­la­ri), si for­te ag­ge­res vel quam aliam mu­ni­tio­nem ad­hi­buit, ut agrum suum tue­re­tur ea­que res cur­sum flu­mi­nis ad ali­quid im­mu­ta­vit, cur ei non con­su­la­tur? ple­ros­que scio pror­sus flu­mi­na aver­tis­se al­veos­que mu­tas­se, dum prae­diis suis con­su­lunt. opor­tet enim in hu­ius­mo­di re­bus uti­li­ta­tem et tu­te­lam fa­cien­tis spec­ta­ri, si­ne in­iu­ria uti­que ac­co­la­rum. 8Is au­tem hoc in­ter­dic­to te­ne­tur, qui ali­ter fe­cit flue­re, quam prio­re aes­ta­te flu­xit. et id­cir­co aiunt prae­to­rem prio­rem aes­ta­tem com­pre­hen­dis­se, quia sem­per cer­tior est na­tu­ra­lis cur­sus flu­mi­num aes­ta­te po­tius quam hie­me. nec ad in­stan­tem aes­ta­tem, sed ad prio­rem in­ter­dic­tum hoc re­fer­tur, quia il­lius aes­ta­tis flu­xus in­du­bi­ta­tior est. aes­tas ad ae­qui­noc­tium au­tum­na­le re­fer­tur. et si for­te aes­ta­te in­ter­di­ce­tur, pro­xi­ma su­pe­rior aes­tas erit in­tuen­da: si ve­ro hie­me, tunc non pro­xi­ma hie­me aes­tas, sed su­pe­rior erit in­spi­cien­da. 9Hoc in­ter­dic­tum cui­vis ex po­pu­lo com­pe­tit, sed non ad­ver­sus om­nes, ve­rum ad­ver­sus eum, qui de­ne­get, ut ali­ter aqua flue­ret, cum ius non ha­be­ret. 10Hoc in­ter­dic­tum et in he­redes com­pe­tit. 11De­in­de ait prae­tor: ‘Quod in flu­mi­ne pu­bli­co ri­pa­ve eius fac­tum si­ve quid in flu­men ri­pam­ve eius im­mis­sum ha­bes, si ob id ali­ter aqua fluit at­que uti prio­re aes­ta­te flu­xit, re­sti­tuas’. 12Hoc in­ter­dic­tum re­sti­tu­to­rium pro­po­ni­tur: su­pe­rius enim pro­hi­bi­to­rium est et per­ti­net ad ea, quae non­dum fac­ta sunt. si quid igi­tur iam fac­tum est, per hoc in­ter­dic­tum re­sti­tue­tur: si quid ne fiat pro­spi­ci­tur, su­pe­rio­re in­ter­dic­to erit uten­dum, et si quid post in­ter­dic­tum red­di­tum fue­rit fac­tum, co­er­ce­bi­tur. 13In hoc in­ter­dic­to re­sti­tu­to­rio non est in­iquum, ut La­beo ait, venire et­iam, quod do­lo fac­tum est quo mi­nus ha­be­res.

1Ulp. lib. LXVIII. ad Ed. Der Prätor sagt: in einem öffentlichen Flusse und an dessen Ufer Etwas zu unternehmen, oder in den Fluss und das Ufer Etwas hineinzuschieben, wodurch das Wasser einen andern Lauf annimmt, als es im vorigen Sommer gehabt, verbiete ich. 1Durch dieses Interdict hat der Prätor dahin vorgesehen, dass die Flüsse nicht durch unerlaubte Ableitungen ausgetrocknet werden, oder eine Veränderung des Flussbettes den Nachbarn Unrecht thue. 2Dasselbe betrifft aber blos öffentliche Flüsse, sie mögen schiffbar sein oder nicht. 3Der Prätor sagt: wodurch das Wasser einen andern Lauf annimmt, als es im vorigen Sommer gehabt; es haftet also nicht Jeder, wer Etwas hineingeschoben oder errichtet hat, sondern wer durch die Errichtung oder das Hineinschieben von Etwas den Lauf des Wassers [dagegen] verändert hat, wie er im vorigen Sommer gewesen. Die Worte: einen andern Lauf nimmt, beziehen sich nicht auf die Masse des fliessenden Wassers, sondern müssen auf dessen Richtung und die Strömung seines Laufes bezogen werden. Ueberhaupt kann man sagen, es hafte Jemand durch dieses Interdict nur dann, wenn der Lauf des Wassers durch Das, was errichtet worden, verändert wird, z. B. das Wasser gedrückter oder eingeengter und dadurch zum Schaden der Anwohner reissender ist. Auch wenn die Anwohner durch die Handlung des Beklagten einen Schaden anderer Art empfinden, wird das Interdict zur Anwendung kommen. 4Wenn Jemand aus einem bedeckten Kanal einen unbedeckten machen will, oder umgekehrt, aus einem unbedeckten einen bedeckten, so haftet er, hat man angenommen, durch das Interdict, sobald aus diesem Unternehmen den Umwohnern ein Schaden entspringt. 5Auf gleiche Weise wird er durch dieses Interdict haften, wenn er einen Abzugsgraben zieht, oder ihn an einem andern Orte anlegt, oder wenn er ein Flussbett verändert. 6Einige glauben, dass von diesem Interdicte die Ausnahme stattfinde, was nicht zur Befestigung des Ufers geschieht; dies ist nemlich so zu verstehen, dass das Interdict keine Anwendung leiden solle, wenn Etwas geschieht, wodurch sich der Lauf des Wassers ändert, sobald es zur Befestigung des Ufers geschehen; Andere haben dies aber verworfen, denn die Ufer dürfen zum Schaden der Anwohner nicht befestigt werden; allein es ist bei uns Rechtens, dass der Prätor es nach den Umständen abwägt, ob er diese Einrede zu ertheilen habe; meistens spricht der Nutzen der Sache für die Ertheilung jener Einrede. 7Wenn aber auch ein Nutzen Dessen ins Spiel kommt, der Etwas in einem öffentlichen Flusse errichtet (z. B. der Fluss gewöhnlich ihm einen grossen Schaden gethan, oder seine Grundstücke verwüstet hat), und er Dämme oder andere Sicherungsmittel zur Deckung seines Ackers angewendet hat, und durch diesen Umstand der Lauf des Flusses etwas geändert worden ist, warum soll ihm da nicht geholfen werden? — Ich weiss, dass Viele den Flusslauf wo anders hingeleitet und die Flussbetten geändert haben, um für ihre Grundstücken zu sorgen; denn man muss in solchen Fällen den Nutzen und den Schutz der handelnden Personen berücksichtigen, sobald natürlich die Anwohner daraus keinen Schaden haben. 8Es haftet aber Derjenige durch dieses Interdict, der den Lauf des Flusses anders gerichtet, als er im vorigen Sommer gewesen; den vorigen Sommer, sagt man, habe der Prätor darum als Norm angenommen, weil der natürliche Lauf der Flüsse im Sommer sich mit grösserer Bestimmtheit als im Winter abnehmen lässt. Und es wird darum das Interdict auf den vorigen und nicht auf den künftigen Sommer bezogen, weil der Lauf des Wassers in jenem Sommer unbezweifelt ist. Der Sommer wird bis zur Herbstnachtgleiche verstanden. Wird im Laufe des Sommers interdicirt, so muss auf den nächsten vorherigen Sommer Rücksicht genommen werden, wenn aber im Winter, so wird nicht der nächstverflossene Sommer vor dem Winter, sondern der vorhergehende zu berücksichtigen sein. 9Dieses Interdict steht Jedem aus dem Volke zu, aber nicht wider Jeden, sondern wider Den, der es bewirkt, dass das Wasser anders fliesse, ohne ein Recht dazu zu haben. 10Dieses Interdict findet auch wider die Erben statt. 11Hernach sagt der Prätor: Was du in einem öffentlichen Flusse oder auf dessen Ufer Errichtetes, oder in denselben und auf dasselbe Vorgeschobenes innehast, wenn deshalb das Wasser einen andern Lauf nimmt, als es im vorigen Sommer gehabt, das sollst du wiederherstellen. 12Dieses Interdict ist als ein die Wiederherstellung verfügendes begründet; das vorhergedachte ist nemlich ein verbietendes, und hat etwas noch nicht Geschehenes zum Gegenstande11Dieser letzte Satz gehört doch wohl zusammen, ohne dass man dessen erste Hälfte mit unserm Text in Parenthese setzen dürfte, denn die letzteren Worte beziehen sich auf das in Parenthese Gesetzte, und nicht auf das Voranstehende.. Ist also Etwas schon geschehen, so wird es durch dieses Interdict wiederhergestellt werden, wenn es aber darauf abgesehen ist, dass Etwas nicht geschehe, so wird das vorhergedachte Interdict zur Anwendung zu bringen sein; ist Etwas nach Ertheilung des Interdicts geschehen, so wird es [nach demselben] gestraft werden. 13Gegenstand dieses eine Wiederherstellung verfügenden Interdicts wird nicht unbillig, wie Labeo sagt, es auch sein, wenn es arglistigerweise geschehen ist, dass du etwas nicht mehr innehabest.