De interdictis sive extraordinariis actionibus, quae pro his competunt
(Von den Interdicten und ausserordentlichen Klagen, die an deren Statt zuständig sind.)
1Ulp. lib. LXVII. ad Ed. Wir wollen sehen, für welche Gegenstände Interdicte zuständig sind. Und hier ist zu wissen, dass dieselben entweder in Betreff von Sachen göttlichen Rechtens oder menschlichen Rechtens stattfinden; in ersterer Beziehung z. B. heilige oder religiöse Plätze anlangend; in Ansehung von Sachen menschlichen Rechtens werden Interdicte entweder wegen solcher ertheilt, die Jemandem gehören, oder solcher, die Niemandem gehören. Letzterer Art sind freie Personen, in Betreff deren Auslieferung und Abführung Interdicte statthaben. Diejenigen Sachen, welche Jemandem gehören, sind entweder öffentliche, oder Einzelnen. Erstere [anlangend, so giebt es Interdicte] in Betreff öffentlicher Plätze, Strassen und öffentlicher Flüsse. In Rücksicht der Sachen, welche Einzelnen gehören, beziehen sich die Interdicte entweder auf eine Gesammtheit, wie das: Welchen Nachlasses11S. l. 1. D. quor. bonor. Die Uebersetzung kann nicht anders gegeben werden., oder auf einzelne Gegenstände, wie das Interdict Wie ihr besitzet, und über [Privat]wege22Itinere actuque, s. Ueberschrift des Tit. XIX. d. B.. 1Es giebt drei Arten von Interdicten, die Auslieferung verfügende, verbietende, und die Herausgabe verfügende; einige Interdicte sind aber auch gemischte, d. h. verbietende und die Auslieferung verfügende zugleich. 2Einige Interdicte beziehen sich auf die Gegenwart, andere auf die Vergangenheit; zu jenen gehört z. B. das: Wie ihr besitzet, zu diesen z. B. das: über [Privat]wege, oder über Sommerwasser. 3Alle Interdicte sind, obwohl sie in Bezug auf eine Sache abgefasst erscheinen, ihrer Wirkung nach doch nur persönliche. 4Einige Interdicte währen nur ein Jahr, andere für immer.
2Paul. lib. LXIII. ad Ed. Einige Interdicte sind zweiseitige, andere einseitige. Zweiseitige heissen z. B. das: Wie ihr besitzet; zu den einseitigen gehören z. B. die die Auslieferung und die Herausgabe verfügenden, und die verbietenden über das Baumfällen und die Privatwege. 1Die Interdicte sind entweder der Menschen, des göttlichen Rechts oder der Religion wegen zuständig; z. B. das: dass an einem heiligen Orte Etwas nicht geschehe, oder: das Geschehene wieder in den vorigen Stand gesetzt werde; über die Leichenbeisetzung, oder die Erbauung eines Begräbnisses. Der Menschen wegen sind die Interdicte begründet, welche entweder das öffentliche Beste angehen, oder die Gerechtsame [an Personen], die Pflichten33Officium ist hier als allgemeine Menschenpflicht zu betrachten, quod homo debet homini, Glosse, cum (hoc Interdict.) tantum libertatis causa introductum sit, Voct. ad h. t., oder das Vermögen beschützen. Des öffentlichen Besten wegen ist z. B. zuständig das Interdict: dass es gestattet sei, von einer öffentlichen Strasse Gebrauch zu machen, und von einem öffentlichen Flusse, und: dass auf einer öffentlichen Strasse Etwas nicht geschehe. Um ihre Gerechtsame [an Personen] zu beschützen z. B. das: über die Auslieferung der Kinder, sowie über die Auslieferung der Freigelassenen. Der Pflicht halber das, über Auslieferung eines freien Menschen. Die übrigen Interdicte werden des Vermögens wegen ertheilt. 2Einige Interdicte begreifen die rechtliche Verfolgung einer Sache, z. B. das: über Privatwege, denn dieses Interdict begreift das Interesse des Eigenthums. Doch begreifen auch die in Betreff von heiligen und religiösen Orten begründeten Interdicte gleichsam ein solches Interesse. Ingleichen diejenigen über die Auslieferung der Kinder, die, wie wir gesagt haben, zur Beschüzzung der Gerechtsame [an Personen] zuständig sind, sodass es sehr erklärlich ist, wenn die auf das Vermögen bezüglichen Interdicte ein Interesse des Eigenthums und nicht [blos] des Besitzes an sich tragen. 3Diese auf das Vermögen bezüglichen Interdicte bezwecken entweder die Erlangung, die Wiedererlangung, oder die Erhaltung des Besitzes. Ersterer Art sind die Interdicte, welche Denen zuständig sind, die den Besitz vorher noch nicht gehabt haben; hierher gehört das Interdict Welchen Nachlasses. Auch das Salvianische Interdict über die Pfänder gehört zu diesen Classe, sowie das: wider den Gebrauch des Fusssteiges von Seiten des Käufers, dessen sich der Verkäufer bedient hat, verbiete ich alle Gewaltthätigkeit. Zur Wiedererlangung des Besitzes gehören die Interdicte unter der Rubrik Von wo mit Gewalt; denn unter diesem Titel sind mehrere Interdicte begriffen. Zur Erhaltung des Besitzes dienen die Interdicte Wie ihr besitzet. Die Interdicte zur Wiederlangung und Erlangung des Besitzes sind, wie gesagt, auch zweiseitige.
3Ulp. lib. LXIX. ad Ed. Bei den Interdicten wird auf die Nutzungen von Zeit ihrer Ertheilung an Rücksicht genommen, auf die rückwärts liegenden nicht.
4Paul. lib. LXVII. ad Ed. Aus den Gründen, aus welchen die ein Jahr dauernden Interdicte zuständig sind, muss, sagt Sabinus, in Betreff Dessen, was an den Beklagten gelangt ist, auch nach einem Jahre ein Verfahren ertheilt werden44S. die Glosse..
5Idem lib. XIII. ad Sabin. Noxalinterdicte sind diejenigen, welche wegen Verbrechen Derer, die wir in unserer Gewalt haben, ertheilt werden, z. B. wenn sie etwas gewaltsam heruntergeworfen, oder gewaltsamer oder heimlicher Weise ein Werk errichtet haben. Es liegt aber hierbei im Kreise der richterlichen Amtspflicht, den das Werk auf seine Kosten wieder hinwegräumenden Herrn loszusprechen, wenn er hingegen die Hinwegnahme des Werkes ruhig geschehn lässt, ihm die Auslieferung an Schädensstatt anzubefehlen und dann loszusprechen, wenn er aber zur Auslieferung nicht schreitet, ihn zum Ersatz der auf die Hinwegnahme des Werkes verwendeten Kosten zu verurtheilen, und wenn er endlich weder die Hinwegnahme geschehen lässt, noch selbst dazu schreitet, obwohl er es könnte, zu soviel zu verurtheilen, als der Richter abschätzt, wie wenn er selbst der Thäter gewesen wäre.