Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 41 übersetzt von Sintenis
Dig. XLI10,
Pro suo
Liber quadragesimus primus
X.

Pro suo

(Als Sein.)

1Ulpianus libro quinto decimo ad edictum. Pro suo possessio talis est. cum dominium nobis adquiri putamus, et ex ea causa possidemus, ex qua adquiritur, et praeterea pro suo: ut puta ex causa emptionis et pro emptore et pro suo possideo, item donata vel legata vel pro donato vel pro legato etiam pro suo possideo. 1Sed si res mihi ex causa iusta puta emptionis tradita sit et usucapiam, incipio quidem et ante usucapionem pro meo possidere. sed an desinam ex causa emptionis post usucapionem, dubitatur: et Mauricianus dicitur existimasse non desinere.
1Ulp. lib. XV. ad Ed. Der Besitz als Sein ist derjenige, wenn man glaubt, man habe das Eigenthum erworben, und man aus einem Grunde besitzt, aus dem erworben werden kann, und zwar als Sein, z. B. auf den Grund eines Kaufs besitzt man sowohl als Käufer wie als Sein; ingleichen Geschenke oder Vermächtnisse besitzt man entweder als Geschenkt oder Vermacht, oder als Sein. 1Wenn mir aber eine Sache aus einer rechtmässigen Ursache, z. B. einem Kauf übergeben worden ist, und ich sie ersitze, so fange ich an, auch noch vor der Ersitzung als mein zu besitzen. Ob ich aber nach der Ersitzung aufhöre, auf den Grund des Kaufes [zu besitzen], ist die Frage? Mauricianus soll der verneinenden Ansicht gewesen sein.
2Paulus libro quinquagensimo quarto ad edictum. Est species possessionis, quae vocatur pro suo. hoc enim modo possidemus omnia, quae mari terra caelo capimus aut quae alluvione fluminum nostra fiunt. item quae ex rebus alieno nomine possessis nata possidemus, veluti partum hereditariae aut emptae ancillae, pro nostro possidemus: similiter fructus rei emptae aut donatae aut quae in hereditate inventa est.
2Paul. lib. LIV. ad Ed. Es giebt eine Art des Besitzes, die als Sein genannt wird; auf diese Weise ersitzt man Alles, was man im Meere, auf Erden und in der Luft fängt, oder was durch Anschwemmung der Flüsse unser wird. Ferner besitzen wir als unser, was wir von in fremdem Namen11alieno nomine wäre nach Unterholzner Thl. I. S. 353. Anm. 354. eine Sache, auf die wir unser Recht von einem frühern Besitzer ableiten. besessenen Gegenständen Entstandenes besitzen, z. B. das Kind einer erbschaftlichen oder gekauften Sclavin; ingleichen die Nutzungen einer gekauften oder geschenkten, oder in der Erbschaft vorgefundenen Sache.
3Pomponius libro vicensimo secundo ad Sabinum. Hominem, quem ex stipulatione te mihi debere falso existimabas, tradidisti mihi: si scissem mihi nihil debere, usu eum non capiam: quod si nescio, verius est, ut usucapiam, quia ipsa traditio ex causa, quam veram esse existimo, sufficit ad efficiendum, ut id quod mihi traditum est pro meo possideam. et ita Neratius scripsit idque verum puto.
3Pompon. lib. XXII. ad Sabin. Du hast mir einen Sclaven übergeben, den du fälschlich glaubtest, mir aus einer Stipulation schuldig zu sein; hätte ich gewusst, dass du mir nichts schuldig seiest, so werde ich ihn nicht ersitzen; weiss ich es nicht, so ist es richtiger, dass ich ersitze: weil die Uebergabe selbst aus einem Grunde, den ich für wahr halte, dazu hinreicht, es zu bewirken, dass ich Dasjenige, was mir übergeben worden, als mein besitze; so hat Neratius geschrieben, und ich halte es für richtig.
4Idem libro trigensimo secundo ad Sabinum. Si ancillam furtivam emisti fide bona ex ea natum et apud te conceptum est ita possedisti, ut intra constitutum usucapioni tempus cognosceres matrem eius furtivam esse, Trebatius omni modo, quod ita possessum esset, usucaptum esse. ego sic puto distinguendum, ut, si nescieris intra statutum tempus, cuius id mancipium esset, aut si scieris neque potueris certiorem dominum facere, aut si potueris quoque et feceris certiorem, usucaperes: sin vero, cum scires et posses, non feceris certiorem, contra esse: tum enim clam possedisse videberis, neque idem et pro suo et clam possidere potest. 1Si pater cum filiis bona quae habebat partitus sit ex ea causa post mortem patris ea teneant, quod inter eos conveniret, ut ea divisio rata esset: usucapio his procedet pro suo in his rebus, quae alienae in bonis patris inveniuntur. 2Quod legatum non sit, ab herede tamen perperam traditum sit, placet a legatario usucapi, quia pro suo possidet.
4Idem lib. XXXII. ad Sabin. Wenn du eine gestohlene Sclavin im guten Glauben gekauft, und deren bei dir empfangenes und geborenes Kind so besessen hast, dass du binnen der für die Ersitzung vorgeschriebenen Zeit erfuhrst, die Mutter sei gestohlen, so sagt Trebatius, es sei das dergestalt Besessene jeden Falls ersessen worden. Meiner Meinung nach muss so unterschieden werden, dass, wenn du binnen der bestimmten Zeit nicht erfahren hast, wem diese Sclavin gehöre, oder wenn du es gewusst, aber den Herrn nicht hast davon in Kenntniss setzen können, oder wenn du es auch gekonnt, und ihn benachrichtigt hast, du ersitzen werdest; wenn du es aber wissest, und könnest, und ihn doch nicht benachrichtigt hast, so ist es umgekehrt; denn dann wird von dir angenommen, dass du heimlich besessen habest, und man kann nicht dasselbe heimlich und als Sein zu gleicher Zeit besitzen22Ueber die Erläuterung dieser sehr bestrittenen Stelle s. Unterholzner Thl. I. S. 437 ff.. 1Wenn der Vater mit seinen Söhnen das Vermögen, was er besass, getheilt hat, und dieselben nach des Vaters Tode Dasjenige besitzen, wie sie sich unter einander geeinigt haben, dass die Theilung gültig sein solle, so wird für beide die Ersitzung in Ansehung derjenigen Gegenstände für sich gehen, welche als fremde unter des Vaters Nachlass befunden werden. 2Was nicht vermacht worden, jedoch vom Erben aus Versehen übergeben worden ist, das kann vom Vermächtnissinhaber als Sein ersessen werden, weil er es als sein besitzt.
5Neratius libro quinto membranarum. Usucapio rerum, etiam ex aliis causis concessa interim, propter ea, quae nostra existimantes possideremus, constituta est, ut aliquis litium finis esset. 1Sed id, quod quis, cum suum esse existimaret, possederit, usucapiet, etiamsi falsa fuerit eius existimatio. quod tamen ita interpretandum est, ut probabilis error possidentis usucapioni non obstet, veluti si ob id aliquid possideam, quod servum meum aut eius, cuius in locum hereditario iure successi, emisse id falso existimem, quia in alieni facti ignorantia tolerabilis error est.
5Neratius lib. V. Membran. Auch die aus andern Gründen gestattete Ersitzung ist inzwischen in Ansehung Dessen, was wir in dem Glauben, es gehöre uns, besitzen, [als zulässig] bestimmt worden, damit eine Beendigung der Rechtsstreitigkeiten möglich sei. 1Dasjenige aber, was Jemand in dem Glauben, es sei Sein, besessen hat, wird er auch dann ersitzen, wenn sein Dafürhalten ein fälschliches war; dies ist so zu verstehen, dass ein erweislicher Irrthum des Besitzers der Ersitzung nicht entgegensteht, z. B. wenn ich deswegen Etwas besitze, weil ich fälschlich glaube, dass mein Sclave, oder der Dessen, an dessen statt ich im Wege Erbrechts nachgefolgt bin, es gekauft habe, weil der Irrthum im Nichtwissen einer fremden Handlung zu entschuldigen ist.