Liber quadragesimus
XV.
Ne de statu defunctorum post quinquennium quaeratur
(Dass der Rechtszustand Verstorbener nach fünf Jahren nicht untersucht werden soll.)
1Marcianus libro singulari de delatoribus. De statu defunctorum post quinquennium quaerere non licet neque privatim neque fisci nomine. 1Sed nec eius status retractandus est, qui intra quinquennium decessit, si per huius quaestionem praeiudicium futurum est ante quinquennium mortuo. 2Immo nec de vivi statu quaerendum est, si quaestio huius praeiudicium facit ei, qui ante quinquennium decessit: et ita divus Hadrianus constituit. 3Sed interdum et intra quinquennium non licet de statu defuncti dicere: nam oratione divi Marci cavetur, ut, si quis ingenuus pronuntiatus fuerit, liceat ingenuitatis sententiam retractare, sed vivo eo qui ingenuus pronuntiatus est, non etiam post mortem, in tantum, ut etiam, si coepta quaestio fuit retractationis, morte eius extinguatur, ut eadem oratione cavetur. 4Si quidem in deteriorem condicionem quis statum retractaret, secundum ea quae dixi praescribendum est. quid ergo si in meliorem? veluti pro servo libertus dicitur: quare non admittatur? quid enim si servus quis dicatur quasi ex ancilla natus, quae ante quinquennium mortua est? quare non liceat probare liberam fuisse? hoc enim et pro mortua est. et Marcellus libro quinto de officio consulis scripsit posse: ego quoque in auditorio publico idem secutus sum.
1Marcian. lib. sing. de delator. Den Rechtszustand Verstorbener darf man nach fünf Jahren nicht untersuchen, weder privatim, noch im Namen des Fiscus. 1Aber auch der Rechtszustand Dessen, welcher innerhalb fünf Jahren verstorben ist, darf [dann] nicht von Neuem erörtert werden, wenn durch die Untersuchung dieses [Rechtszustandes] ein Nachtheil11Praejudicium bezeichnet hier, im §. 2. u. in d. l. §. 1. h. t. den Einfluss, welchen die Entscheidung einer Sache (praejudicium) auf eine andere hat. S. Schilling Bemerk. S. 270. für einen vor fünf Jahren Gestorbenen entstehen würde. 2Ja nicht einmal der Rechtszustand eines Lebenden darf untersucht werden, wenn die Untersuchung [desselben] einem Solchen, welcher vor fünf Jahren verstorben ist, Nachtheil bringen würde, und so hat der höchstselige Hadrianus verordnet. 3Aber zuweilen darf man auch innerhalb fünf Jahren über den Rechtszustand eines Verstorbenen keine Erörterung anstellen. Denn durch eine Rede des höchstseligen Marcus wird verordnet, dass, wenn Jemand für einen Freigebornen erklärt worden sei, man das Urtheil über die freie Geburt anfechten dürfe, aber [nur] beim Leben Dessen, welcher für einen Freigebornen erklärt worden ist, nicht auch nach seinem Tode, so, dass sogar, wenn die Untersuchung des Rechtsmittels22Retractationis, s. Zimmern a. a. O. B. 1. §. 118. S. 423. schon angefangen war, sie durch den Tod desselben erlöscht, wie durch dieselbe Rede verordnet wird. 4Wenn Jemand den Rechtszustand [eines Anderen] zur Verschlechterung der Lage desselben von Neuem zur Erörterung ziehen will, so ist dem gemäss, was ich gesagt habe, eine Einrede vorzuschützen33Nemlich die Einrede, dass fünf Jahre seit dem Tode abgelaufen sei.. Wie nun, wenn zur Verbesserung? z. B. es wird behauptet, dass [der Verstorbene] statt ein Sclave ein Freigelassener gewesen sei, warum soll dies nicht zugelassen werden? denn wie, wenn angegeben wird, Jemand sei ein Sclave, als ob er von einer Sclavin geboren wäre, welche vor fünf Jahren gestorben ist, warum soll man nicht beweisen dürfen, dass sie eine Freie gewesen sei? denn das ist auch zu Gunsten der Verstorbenen. Und Marcellus hat im fünften Buche de officio Consulis geschrieben, dass man es könne; auch ich habe im öffentlichen Auditorium44Auditorium publicum scheint synonym mit Auditorium schlechthin zu sein. S. Zimmern a. a. O. B. 3. §. 7. S. 22. u. die Bem. zu l. 40. D. de reb. cr. 12. 1. u. l. 78. §. 4. D. de jure dot. 23. 3. dasselbe befolgt.
2Papinianus libro quarto decimo responsorum. Non esse libertatis quaestionem filiis inferendam propter matris vel patris memoriam post quinquennium a morte non retractatam convenit. 1Nec in ea re, quae publicam tutelam meruit, pupillis agentibus restitutionis auxilium tribuendum est, quod quinque annorum tempus, cum tutores non haberent, excesserit. 2Praescriptio quinque annorum, quae statum defunctorum tuetur, specie litis ante mortem illatae non fit irrita, si veterem causam desistente qui movit longo silentio finitam probetur.
2Papin. lib. XIV. Resp. Es ist angemessen, dass keine Untersuchung der Freiheit gegen die Söhne anzustellen sei, wenn das Andenken ihres Vaters oder ihrer Mutter innerhalb fünf Jahren seit dem Tode [derselben] nicht angefochten worden ist. 1Auch ist bei einer solchen Angelegenheit, welche einen öffentlichen Schutz verdient hat, Unmündigen, welche klagen wollen, die Hülfe der Wiedereinsetzung nicht ertheilt, sobald die Zeit von fünf Jahren verstrichen ist, während sie keine Vormünder hatten. 2Die Einrede der fünf Jahre, welche den Rechtszustand Verstorbener schützt, wird durch den Vorwand, dass der Streit vor dem Tod angefangen sei, nicht ungültig, wenn bewiesen wird, dass der alte Rechtsstreit, indem Der, welcher ihn erhoben hat, davon abstand, durch langes Stillschweigen beendigt sei.
3Hermogenianus libro sexto iuris epitomarum. Ante quinquennium defuncto status honestior, quam mortis tempore fuisse existimabatur, vindicari non prohibetur. idcirco et si quis in servitute moriatur, post quinquennium liber decessisse probari potest.
3Hermogen. lib. VI. jur. Epitom. Es wird nicht verboten, für einen vor fünf Jahren Verstorbenen einen ehrenvolleren Rechtszustand als wofür der, in welchem er sich zur Zeit seines Todes befand, galt, in Anspruch zu nehmen. Deshalb kann, wenngleich Jemand in der Sclaverei stirbt, nach fünf Jahren bewiesen werden, dass er als Freier veerstorben sei.
4Callistratus libro primo de iure fisci. Primus omnium divus Nerva edicto vetuit post quinquennium mortis cuiusque de statu quaeri, sed et divus Claudius Claudiano rescripsit, si per quaestionem nummariam praeiudicium statui videbitur fieri, cessare quaestionem.
4Callistrat. lib. I. de jure Fisci. Zuerst unter Allen hat der höchstselige Nerva durch ein Edict verboten, fünf Jahre nach dem Tode irgend Jemandes, dessen Rechtszustand zu untersuchen. Aber auch der höchstselige Claudius hat an den Claudianus rescribirt, dass wenn durch eine Untersuchung über eine Geldangelegenheit für den Rechtszustand ein Nachtheil zu entstehen scheine, die Untersuchung wegfalle.