Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 40 übersetzt von Schneider unter Redaction von Sintenis
Dig. XL14,
Si ingenuus esse dicetur
Liber quadragesimus
XIV.

Si ingenuus esse dicetur

(Wenn behauptet werden wird, dass [ein Freigelassener] ein Freigeborner sei.)

1Mar­cel­lus li­bro sep­ti­mo di­ges­to­rum. Si li­ber­tus al­te­rius alio agen­te in­ge­nuus pro­nun­tia­tus es­se di­ce­tur, si­ne ul­la ex­cep­tio­ne tem­po­ris pa­tro­nus eius co­gni­tio­nem so­let ex­er­ce­re.

1Marcell. lib. VII. Dig. Wenn der Freigelassene des Einen, indem ein Anderer klagte, für einen Freigebornen durch Rechtsspruch erklärt worden ist, so pflegt der Patron desselben, ohne [dass ihm] irgend eine Einrede der Zeit [entgegengesetzt werden kann,] die gerichtliche Untersuchung zu verfolgen11D. h. er kann ungehindert noch immer die freie Geburt seines angeblichen Freigelassenen bestreiten..

2Sa­tur­ni­nus li­bro pri­mo de of­fi­cio pro­con­su­lis. Qui se venire pas­sus es­set ma­io­rem, sci­li­cet ut pre­tium ad ip­sum per­ve­ni­ret, pro­hi­ben­dum de li­ber­ta­te con­ten­de­re di­vus Ha­d­ria­nus con­sti­tuit: sed in­ter­dum ita con­ten­den­dum per­mi­sit, si pre­tium suum red­di­dis­set. 1Qui se ex li­ber­ti­ni­ta­te in­ge­nui­ta­ti ad­se­rant, non ul­tra quin­quen­nium, quam ma­nu­mis­si fuis­sent, au­dien­tur. 2Qui post quin­quen­nium rep­pe­ris­se in­stru­men­ta in­ge­nui­ta­tis suae ad­se­ve­rant, de ea re ip­sos prin­ci­pes ad­ire opor­te­re co­gni­tu­ros.

2Saturnin. lib. I. de off. Procons. Der höchstselige Hadrianus hat verordnet, dass, wer sich, da er älter [als zwanzig Jahre] gewesen, hätte verkaufen lassen, nemlich so, dass der Kaufpreis an ihn kam, über [seine] Freiheit nicht streiten dürfe; zuweilen hat er es aber dann erlaubt, wenn er seinen Kaufpreis zurückgegeben hätte. 1Diejenigen, welche sich aus dem Zustand eines Freigelassenen die freie Geburt erstreiten wollen, werden nicht länger als fünf Jahre seit ihrer Freilassung gehört werden. 2Diejenigen, welche versichern, dass sie [erst] nach fünf Jahren die Beweismittel ihrer freien Geburt gefunden hätten, müssen wegen dieser Sache die Kaiser selbst angehen, welche [darüber] erkennen werden.

3Pom­po­nius li­bro quin­to se­na­tus con­sul­to­rum. Hoc ser­mo­ne ‘ad­gni­tis na­ta­li­bus’ de nul­lis aliis in­tel­le­gen­dum est se­na­tum sen­sis­se quam in­ge­nuis. 1Ver­bo au­tem ‘re­lin­que­rent’ et­iam hoc in­tel­le­gen­dum est, ut quae­cum­que ex re eius, a quo ma­nu­mis­si erant, ad­quisi­ta ha­beant, re­sti­tuant. sed id quem­ad­mo­dum ac­ci­pien­dum sit, vi­den­dum est, utrum­ne quae igno­ran­ti­bus do­mi­nis abs­tu­lis­sent, item quod ex his ad­quisi­tum, red­de­re de­beant, an ve­ro et­iam con­ces­sa et do­na­ta a ma­nu­mis­so­ri­bus am­ple­xi sint: quod ma­gis est.

3Pompon. lib. V. Senatuscons. Man muss annehmen, dass der Senat22Der Senat verordnete, dass Diejenigen, welche, nachdem ihr Geburtsstand anerkannt worden (agnitis natalibus), für Freigeborene erklärt wären, Alles, was sie aus dem Vermögen Desjenigen hätten, welcher bisher als ihr Patron gegolten, bei demselben zurücklassen sollten (relinquerent). Die eingeklammerten Worte des Senatsschlusses erläutert nun Pomponius. S. Schol. c. ad Basil. XLVIII. 10. 3. T. VI. p 482. sq. bei dem Satze: nachdem der Geburtsstand anerkannt worden ist, an keine Anderen gedacht habe, als an Freigeborene. 1Unter dem Wort: zurücklassen sollten, ist aber auch das zu verstehen, dass sie Alles zurückerstatten sollen, was sie aus dem Vermögen Dessen, von dem sie freigelassen worden waren, erworben haben. Aber es ist zu untersuchen, wie das zu verstehen sei; sollen sie [blos] Das, was sie ohne Wissen ihrer Herren fortgeschafft haben, desgleichen was [von ihnen] daraus erworben ist, zurückgeben, oder aber auch Das, was ihnen von ihren Freilassern eingeräumt und geschenkt worden ist, und sie an sich genommen haben? Für das Letztere spricht mehr.

4Pa­pi­nia­nus li­bro vi­cen­si­mo se­cun­do quaes­tio­num. Ora­tio, quae pro­hi­bet apud con­su­les aut prae­si­des pro­vin­cia­rum post quin­quen­nium a die ma­nu­mis­sio­nis in in­ge­nui­ta­tem pro­clama­re, nul­lam cau­sam aut per­so­nam ex­ci­pit.

4Papin. lib. XXII. Quaest. Die Rede33S. die Bem. zu l. 16. D. de sponsal. 23. 1., welche verbietet, bei den Consuln oder den Präsidenten einer Provinz nach fünf Jahren vom Tage der Freilassung an sich auf die freie Geburt zu berufen, nimmt keinen Grund und keine Person aus.

5Idem li­bro de­ci­mo re­spon­so­rum. Pa­tro­num post quin­quen­nium sen­ten­tiae pro in­ge­nui­ta­te dic­tae, quo igno­ran­te res iu­di­ca­ta est, non es­se prae­scrip­tio­ne tem­po­ris sum­mo­ven­dum re­spon­di.

5Idem lib. X. Resp. Ich habe das Gutachten ertheilt, dass ein Patron nach fünf Jahren seit dem für die freie Geburt [seines Freigelassenen] gesprochenen Urtheile, wenn die Sache ohne sein Wissen entschieden worden ist, durch die Einrede der Zeit nicht zurückzuweisen sei.

6Ul­pia­nus li­bro tri­gen­si­mo oc­ta­vo ad edic­tum. Quo­tiens de hoc con­ten­di­tur, an quis li­ber­tus sit, si­ve ope­rae pe­tan­tur si­ve ob­se­quium de­si­de­re­tur si­ve et­iam fa­mo­sa ac­tio in­ten­da­tur si­ve in ius vo­ce­tur qui se pa­tro­num di­cit si­ve nul­la cau­sa in­ter­ve­niat, red­di­tur prae­iu­di­cium. sed et quo­tiens quis li­ber­ti­num qui­dem se con­fi­te­tur, li­ber­tum au­tem Gaii Se­ii se ne­gat, idem prae­iu­di­cium da­tur. red­di­tur au­tem al­ter­utro de­si­de­ran­te: sed ac­to­ris par­ti­bus sem­per qui se pa­tro­num di­cit fun­gi­tur pro­ba­re­que li­ber­tum suum ne­ces­se ha­bet aut, si non pro­bet, vin­ci­tur.

6Ulp. lib. XXXVIII. ad Ed. So oft darüber gestritten wird, ob Jemand ein Freigelassener sei, — mögen nun Dienste gefordert, oder mag Gehorsam verlangt, oder auch eine infamirende Klage angestellt, oder Der vor Gericht gefordert werden, welcher behauptet, dass er Patron sei, oder möge keine [besondere] Veranlassung vorkommen, — wird eine Vorklage44Praejudicium. S. die Bem. zu l. 35. §. 2. D. de procur. 3. 3. u. Zimmern a. a. O. B. 3. §. 69. Anm. 4. ertheilt. Auch dann, wenn Jemand zwar bekennt, dass er ein Freigelassener sei, aber leugnet, dass er der Freigelassene des Cajus Sejus sei, wird eben so eine Vorklage ertheilt. Die Ertheilung geschieht auf Bitten des Einen oder des Anderen. Aber die Rolle des Klägers übernimmt immer Der, welcher behauptet, dass er Patron sei, und [dieser] muss nothwendig beweisen, dass [der Andere] sein Freigelassener sei; oder wenn er es nicht beweist, so wird er besiegt.