De alienatione iudicii mutandi causa facta
(Von der zur Veränderung des Gerichtsstandes1 unternommenen Veräusserung.)
1Oder: der Processlage. Alienatio judicii mutandi causa facta ist (nach von Glück Erl. der Pand. 6. Th. 1. Abth. p. 54) eine Veräusserung, die zum Nachtheile eines Dritten in der Absicht unternommen worden ist, damit derselbe einen Andern zum Gegner bekommen möge, durch den ihm die Verfolgung seines Rechts erschwert oder gar vereitelt wird.
1Gaj. lib. IV. ad Ed. prov. Auf alle Weise strebt der Proconsul dahin, dass Niemands Rechtssache durch eine fremde Handlung in eine schlimmere Lage komme. Und da er einsah, dass bisweilen der Ausgang der gerichtlichen Untersuchungen dadurch für uns nachtheiliger werde, dass uns ein anderer Gegner [für den eigentlichen] gegenübergestellt worden ist, so sorgte er auch für diesen Fall [durch die Verfügung], dass, wenn Jemand durch Veräusserung der [streitigen] Sache uns einen andern Gegner an seine Stelle eingesetzt und dies mit Vorsatz zu unserm Nachtheile gethan haben sollte, derselbe uns zu soviel vermöge einer [gegen ihn zu erhebenden] Klage in factum22Actio in factum ist im Allgemeinen eine Klage, welche sich weder aus den Worten, noch aus dem Grunde eines Gesetzes, sondern blos aus der Billigkeit herleiten lässt, und deren Zweck überhaupt auf Schadensersatz [in der weitesten Beziehung dieses Ausdrucks] geht. gehalten sein solle, als um wie viel unser Vortheil es erheischte, einen andern Gegner nicht gehabt zu haben. 1Er wird mithin, wenn er uns einen Menschen aus einer andern Provinz oder einen Mächtigeren als Widersacher entgegengestellt haben sollte, gehalten sein;
2Ulp. lib. XIII. ad Ed. oder einen Andern, welcher die Absicht der Chicane hat;
3Gaj. lib. IV. ad Ed. prov. weil, wenn ich auch mit demjenigen, der einer andern Provinz angehört, mich in Rechtsstreit einlassen wollte, ich diesen Rechtsstreit in seiner Provinz beginnen muss und weil wir [ferner] einem Mächtigeren [vor Gericht] nicht gleichstehen können. 1Aber auch in dem Falle, wenn er den Sclaven, auf den unsere Forderung gerichtet war, freigelassen haben sollte, wird unsere Lage schlimmer, weil ja die Prätoren die Freilassungen begünstigen. 2Desgleichen ist, wenn du den Platz, wo du einen Bau vorgenommen hast, wegen dessen du dem Interdictum Quod vi aut clam oder der actio aquae pluviae arcendae ausgesetzt warest, veräussert haben solltest, unsere Lage als verschlechtert anzusehen, denn wenn gegen dich geklagt würde, so müsstest du den Bau auf deine Kosten wieder vernichten, jetzt aber, da mir die Klage gegen einen Andern, als den, welcher den Bau vorgenommen hat, zuzustehen anfängt, werde ich genöthigt, [den Bau] auf meine Kosten zu zerstören, weil derjenige, welcher das, was ein Anderer erbaut hat, besitzt, blos in soweit jenen Rechtsmitteln ausgesetzt ist, dass er die Vernichtung jenes Baues zugeben muss. 3Auch [für den Fall], wenn ich etwa Einsprache gegen eine von dir begonnene Bauveränderung erhoben habe (Opus quoque novum si tibi nuntiaverim), du aber den [Bau-] Platz veräussertest, und der Käufer die Bauveränderung unternommen hat, wird behauptet, dass du dieser Klage33Unter welcher, wie namentlich Accursius und Anton Faber annehmen, die oben erwähnte actio in factum, welche das Provincial-Edict gestattet, zu verstehen ist. unterworfen bist, indem ich nämlich weder gegen dich aus der Einsprache gegen Bauveränderung Klage erheben könne, weil du nichts gebaut hast, noch gegen denjenigen, dem du den Platz verkauft hast, indem gegen ihn keine Einsprache erhoben worden ist. 4Woraus es verständlich wird, dass der Proconsul verspricht, er werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand so gewähren, dass vermöge dieser Klage (in factum) der Kläger durch den Richter von Amtswegen soviel erlange, als wieviel ihn daran gelegen ist, einen andern Gegner nicht gehabt zu haben; z. B. wenn er einige Kosten verwendet haben sollte, oder irgend eine andere Unannehmlichkeit zu ertragen haben würde, wenn ein anderer Widersacher ihm entgegengestellt worden wäre. 5Was findet nun dann Statt, wenn derjenige, gegen welchen eine solche Klage zusteht, bereit sein sollte, sich eben so, als ob er sich im Besitze [der streitigen Sache] befände, einem der eigentlichen Klage nachgebildeten Rechtsmittel (utile judicium) zu unterwerfen? Mit Recht sagt man, dass gegen ihn eine Klage aus diesem Edicte nicht zu gestatten sei.
4Ulp. lib. XIII. ad Ed. Desgleichen kommt dann, wenn Sachen durch denjenigen, an welchen sie veräussert worden waren, verjährt worden sind, und ihm daher nicht abverlangt werden können, dieses Edict zur Anwendung. 1Desgleichen kann es sich auch ereignen, dass Jemand zwar ohne böse Absicht [die streitige Sache] zu besitzen aufgehört habe, dass dies aber doch der Veränderung des Gerichtsstandes halber geschehe. Es gibt auch mehrere andere Fälle dieser Art. Es kann aber [ferner] Jemand mit böser Absicht aufhören, zu besitzen, und dies doch nicht der Veränderung des Gerichtsstandes halber gethan haben, und also diesem Edicte nicht unterworfen sein. Denn es nimmt ja derjenige keine Veräusserung vor, welcher nur den Besitz aufgibt. Es missbilligt übrigens der Prätor das Verfahren desjenigen keineswegs, welcher eine Sache nur deshalb nicht behalten wollte, um wegen ihr nicht öfters Rechtsstreitigkeiten führen zu müssen, denn eine solche bescheidene Denkungsart desjenigen, welcher Rechtsstreitigkeiten verabscheut, ist nicht zu tadeln, sondern blos [das Verfahren] desjenigen, welcher, indem er die [streitige] Sache haben will, den Rechtsstreit darüber einem Andern überträgt, um an seine Stelle einen beschwerlichen Gegner zu schieben. 2Pedius sagt im neunten Buche, dass dieses Edict [des Proconsuls] auf die Uebertragung nicht blos des Eigenthumsrechts, sondern auch des Besitzes sich beziehe; widrigenfalls, spricht er, wird auch derjenige, gegen welchen [wegen einer Sache] dingliche Klage erhoben worden ist, wenn er sich des Besitzes derselben begeben hat, nicht gehalten sein. 3Wenn aber Jemand wegen Krankheit, Alters oder nothwendiger Beschäftigungen seinen Rechtsstreit einem Andern übertragen haben sollte, so befindet er sich nicht in der Lage, dass er nach diesem Edicte gehalten sei, da in diesem Edicte des bösen Vorsatzes Erwähnung geschieht. Ausserdem44Ceterum steht hier nach der Erklärung des Accursius für alioqui. müsste es auch untersagt sein, durch Stellvertreter Processe zu führen, da auf sie meistens aus einer rechtmässigen Ursache55Anton Faber l. l. p. 739 hält wohl mit Grund die Worte plerumque ex justa causa für den Zusatz eines unkundigen Auslegers. das Eigenthumsrecht selbst [am Processe] übertragen wird. 4Auch auf die Gerechtsame der Grundstücke bezieht sich dieses Edict, wenn nämlich die Veräusserung mit bösem Vorsatze geschieht. 5Diese Klage [aus dem Edicte] ist auf das Interesse gerichtet; demnach fällt, wenn die [in Frage stehende] Sache nicht dem Kläger angehörte, oder wenn derjenige [Sclav], welcher verkauft wurde, ohne die Schuld [des Käufers] gestorben ist, die Klage weg, es müsste denn der Kläger ausserdem noch ein Interesse haben. 6Diese Klage ist nicht auf eine Strafe gerichtet (non est poenalis), sondern bezweckt eine nach dem Ermessen des Richters [zu gestattende] Wiedererlangung der [streitigen] Sache; weshalb sie auch dem Erben [des Klägers] bewilligt werden wird, gegen den Erben aber,
6Ulp. lib. XIII. ad Ed. oder nach Jahresfrist wird sie nicht bewilligt werden;
7Gaj. lib. IV. ad Ed. prov. weil sie zwar nur die Wiedererlangung der Sache bezweckt, jedoch in Folge einer unerlaubten Handlung gestattet zu werden scheint.
8Paul. lib. IV. ad Ed. prov. Diesem Edicte zu Folge ist auch derjenige gehalten, welcher die [streitige] Sache ausliefert, wenn er nicht [zugleich] nach dem Ermessen des Richters die frühere Lage des Processes wieder herstellt. 1Der Prätor sagt: oder diejenige Veräusserung, welche zur Veränderung des Gerichtsstandes unternommen worden sein wird, dies bezeichnet [den Fall], wenn sie des künftigen Rechtsstreites, nicht aber eines solchen, der schon eingetreten ist, wegen geschieht. 2Eine Veräusserung nimmt man auch von Seiten desjenigen an, welcher eine fremde Sache verkauft hat. 3Wenn aber Jemand dadurch, dass er einen Erben einsetzt oder ein Vermächtniss errichtet, etwas veräussert, so wird von diesem Edicte keine Anwendung gemacht werden. 4Wenn Jemand etwas veräussert, dann aber wieder an sich gebracht haben sollte, so wird er nicht nach diesem Edicte gehalten sein. 5Wer seinem Verkäufer [den erkauften Sclaven wegen eines ihn ganz untauglich machenden Fehlers] zurückgibt, scheint nicht eine Veräusserung zur Veränderung des Gerichtsstandes vorzunehmen,
9Paul. lib. I. ad Ed. Aedil. curul. weil nach der Zurückstellung des Sclaven das ganze bisherige Verhältniss aufgelöst wird (omnia retro aguntur). Aus diesem Grunde ist von demjenigen, welcher [unter diesen Umständen eine Sache dem Verkäufer] zurückgibt, nicht anzunehmen, dass er dies der Veränderung des Gerichtsstandes halber thue, er müsste sie denn eben in dieser Absicht zurückgeben, indem er sie ausserdem nicht zurückgestellt haben würde.
10Ulp. lib. XII. ad Ed. Ferner wird auch dann, wenn ich als Verpflichteter das bezahlt haben sollte, was du von mir einzutreiben im Begriffe standest, dieses Edict ohne Anwendung bleiben. 1Wenn die Veräusserung vom Vormunde des Unmündigen oder vom Agnaten des Wahnsinnigen [als dessen Curator] ausgegangen sein sollte, so findet, weil [unter einer solchen Obhut stehende Personen] nicht selbst den Plan zu einem solchen hinterlistigen Verfahren fassen können, [gegen sie] nur eine nachgebildete Klage (utilis actio) Statt.
11Idem lib. V. Opinion. Als eine Soldat verlangte, in eigenem Namen den Process über Besitzungen, welche er geschenkt bekommen zu haben behauptete, führen zu dürfen, wurde ihm der Bescheid gegeben, dass, wenn die Schenkung in der Absicht einer Veränderung des Gerichtsstandes gemacht worden wäre, der frühere Eigenthümer [der geschenkten Sache] den Process führen müsse, so dass man [folglich] der Ansicht ist, er habe mehr die Sache als den Rechtsstreit wegen ihr auf den Soldaten übertragen.
12Marcian lib. XIV. Instit. Wenn Jemand zur Vermeidung des Theilungsprocesses (judicii communi dividundo) eine Sache verkauft haben sollte, z. B. dass ein mächtigerer Käufer auf dem Wege des Bietens sie wohlfeiler erlange, und er dadurch selbst sie [vom Käufer] wieder bekomme, so wird ihm durch das Licinische Gesetz untersagt, sich selbst der Theilungsklage zu bedienen. Aber auch derjenige selbst, welcher etwa nur einen Theil der [gemeinschaftlichen] Sache veräussert hat, wird, wenn er die Theilungsklage anstellen möchte, damit nicht gehört werden. Der dagegen, welcher gekauft hat, wird, wenn er etwa klagen will, davon durch den Theil des Edicts abgehalten, worin verordnet ist, dass keine Veräusserung zur Veränderung der Processlage Statt finden solle.