Quod metus causa gestum erit
([Ueber das,] was aus Furcht gethan worden sein sollte.)
1Ulp. lib. XI. ad Ed. Es sagt der Prätor: Was aus Furcht gethan worden sein sollte, werde ich nicht genehmigen11Eine Ergänzung dieser Worte s. bei Heineccius Opusc. postum., in quibus historia Edictor. etc. Halae 1744. p. 400 sq.. Ehedem hiess es im Edicte so: Was wegen Gewalt (Gewaltthätigkeit) oder Furcht; der Gewalt nämlich geschah Erwähnung in Bezug auf eine wider Willen auferlegte Nothwendigkeit, der Furcht aber in Rücksicht auf eine durch bevorstehende oder zukünftige Gefahr veranlasste Aengstlichkeit des Gemüths22Ich befolge die Lesart von Beck: metus autem propter instantis vel futuri periculi causa mentis trepidationem; als die verständlichere.. Später aber wurde die Erwähnung der Gewalt deshalb weggelassen, weil alles dasjenige, was durch heftige Gewalt geschieht, auch als aus Furcht geschehend angesehen werden kann.
3Ulp. lib. XI. ad Ed. Es begreift also jene Stelle [des prätorischen Edicts] sowohl die Gewalt als die Furcht in sich; und wenn Jemand, durch Gewalt genöthigt etwas gethan hat, so wird er in Folge dieses Edicts in den vorigen Stand wieder eingesetzt. 1Aber wir verstehen hier eine heftige Gewalt, und zwar eine solche, welche gegen die guten Sitten geschieht, nicht aber diejenige, welche die Obrigkeit mit Grund ausübt, nämlich nach ihr gestattetem Rechte und kraft der Ehrenstelle, die sie bekleidet. Uebrigens, wenn eine Obrigkeit des römischen Volks oder der Vorsteher einer Provinz etwas ungerechter Weise gethan hat, komme, schreibt Pomponius, dieses Edict zur Anwendung, [dafern nämlich], sagt er, [jene Behörde] durch Androhung des Todes oder der Geisselung Jemandem Geld abgepresst haben sollte.
6Gaj. lib. IV. ad Edict. provinc. Dass aber nicht die Furcht eines leicht beweglichen Menschen, sondern blos eine solche, die mit Grund auch den standhaftesten Menschen befallen kann, nach diesem Edicte zu beurtheilen sei, werden wir zugeben müssen.
7Ulp. lib. XI. ad Ed. Dass weder die Befürchtung der Infamie in diesem Edicte erwähnt, noch auch durch dieses Edict wegen Furcht vor irgend einer Misshandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werde, schreibt Pedius im siebenten Buche. Es wird folglich, wenn irgend ein furchtsamer Mensch wegen einer ganz gleichgültigen Sache ohne allen Grund in Furcht gerathen sein sollte, derselbe durch dieses Edict keineswegs in den vorigen Stand wieder eingesetzt, weil von ihm weder wegen [erlittener] Gewalt noch aus Furcht gehandelt worden ist. 1Desgleichen wenn Jemand beim Diebstahle oder Ehebruche oder bei einer andern Schandthat betroffen [, um von der Strafe loszukommen,] entweder etwas gegeben oder sich zu etwas verpflichtet hat, so könne er, schreibt Pomponius im 28. Buche mit Recht, nach diesem Edicte beurtheilt werden; denn er fürchtete [vielleicht] entweder den Tod oder Einkerkerung, obwohl es nicht erlaubt ist, jeden Ehebrecher oder Dieb zu tödten, sondern nur den, welcher sich mit Waffen vertheidigt; sie konnten ja aber auch widerrechtlich getödtet werden, und in sofern mag seine (des Betroffenen) Furcht als gegründet gelten. Aber auch wenn er etwa, um von demjenigen, der ihn ertappte, nicht verrathen zu werden, an diesen etwas veräussert haben sollte, scheint ihm ebenfalls durch dieses Edict Beistand geleistet zu werden, weil, wenn er verrathen worden wäre, er das, was wir erwähnten, hätte erleiden können.
8Ulp. lib. XI. ad Edict. Es verfallen zwar jene auch [der Strafe] des Julischen Gesetzes, die [als Sühne] für erwiesene Unzucht (stupro33Aus der griechischen Uebersetzung in der Ecloga περὶ τῶν δεδομένων c. 7. erhellt, dass hier unter stuprum der Ehebruch zu verstehen sei.) etwas angenommen haben. Es muss jedoch auch der Prätor einschreiten, damit sie [das Empfangene] zurückgeben; denn theils ist hier gegen die guten Sitten gehandelt worden, theils achtet der Prätor nicht darauf, ob der Geber ein Ehebrecher sei, sondern blos darauf, dass der Andere (der Empfänger) nach zugefügter Todesfurcht etwas nahm. 1Wenn derjenige Geld annehmen sollte, der, wenn ich [das Geld] nicht gäbe, die Beweisurkunden für meinen Rechtszustand (Rechtsfähigkeit) unterschlagen würde, so ist nicht zu zweifeln, dass ich durch die grösste Furcht [zum Geben] gezwungen werde; zum Beispiel44Dass utique nicht selten auf diese Weise zu übersetzen sei, ist bekannt. wenn ich eben als Sclav in Anspruch genommen werde, und nach dem Verluste jener Beweisurkunden nicht für frei erklärt werden kann. 2Wenn das Gegebene den Zweck hat, dass der Ehemann oder die Ehefrau keine unzüchtige Behandlung erleide55Nach der Interpunktion in der Beckschen Ausgabe jedoch ist der Sinn ein ganz anderer, nämlich folgender: wenn eine männliche oder weibliche Person etwas gegeben hat, damit ihr keine unzüchtige Behandlung widerfahre u. s. w., so findet dieses Edict [auch] Anwendung, da [zumal] rechtschaffenen Ehemännern jene Befürchtung [rücksichtlich der Ehefrau] unerträglicher sein muss, als selbst die des Todes. 3Rücksichtlich der Fälle nun, welche, wie wir sagten, nach diesem Edicte zu beurtheilen sind, macht es keinen Unterschied, ob sie Jemand für seine Person gefürchtet hat, oder in Beziehung auf seine Kinder, da vermöge ihrer Zuneigung Eltern mehr für ihre Kinder [als für sich selbst] in Furcht gesetzt zu werden pflegen.
9Ulp. lib. XI. ad Ed. Unter Furcht aber müssen wir eine solche verstehen, die schon eingetreten ist (praesentem), und nicht [etwa blos] die Muthmassung, dass sie entstehen werde. Und so schreibt Pomponius im 28. Buche; er sagt nämlich, es sei eine schon veranlasste Furcht zu verstehen, das ist [der Fall], wenn man von Jemandem in Furcht versetzt worden ist. Endlich stellt er die Frage auf, ob, wenn ich mein Grundstück, weil ich hörte, dass Jemand mit Waffen [gegen mich] käme, preisgegeben haben sollte, dieses Edict Platz ergreife; und er theilt mit, Labeo sei der Meinung, das Edict sei [hier] nicht anwendbar und das Interdictum unde vi falle [auch] weg, weil ich, da ich die Entsetzung [aus dem Besitze] nicht abgewartet, sondern mich auf die Flucht begeben habe, nicht als gewaltsam [aus dem Besitze] entsetzt anzusehen bin. Anders verhält es sich dann, wenn ich erst, nachdem Bewaffnete [das Grundstück] betreten haben, mich entfernte, denn dann ist das Edict anzuwenden. Derselbe behauptet, dass auch in dem Falle, wenn du etwa mit Zuziehung einer Menschenschaar auf meinem Grunde und Boden ein Gebäude gewaltsamer Weise errichtest, sowohl das Interdictum Quod vi aut clam, als auch dieses Edict Anwendung finde, nämlich weil ich aus Furcht dich dies thun lasse. Aber auch wenn ich durch Gewalt genöthigt dir den Besitz [meines Grundstücks] übergeben haben sollte, kommt dieses Edict, wie Pomponius sagt, zur Anwendung. 1Ad Dig. 4,2,9,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 59, Note 9.Es ist aber zu beachten, dass der Prätor in diesem Edicte sich allgemein und ohne Beziehung auf eine Person (in rem) ausdrückt, auch nicht beifügt, von wem die [fragliche] Handlung ausging; und eben deshalb wird, es mag eine einzelne Person sein, welche die Furcht veranlasste, oder ein Volk, oder eine Curia, oder ein Collegium, oder ein Corpus, dieses Edict Platz ergreifen. Aber wiewohl der Prätor von der Gewalt ohne Unterschied des Urhebers (vim factam a quocunque) in seinem Edicte handelt, so bemerkt doch Pomponius treffend, dass, wenn ich, um dich gegen die Gewalt der Feinde oder Räuber oder des Volkes zu schützen oder daraus zu befreien, etwas von dir empfangen oder dich verbindlich gemacht haben sollte, auf mich dieses Edict nicht angewendet werden dürfe, ich müsste denn selbst jene Gewalt gegen dich veranlasst haben; übrigens aber, falls ich an der Gewalt keinen Theil habe, ich durch das Edict nicht gehalten werden dürfe, da es vielmehr [in diesem Falle] anzunehmen ist, dass ich für meine Dienstleistung einen Lohn empfangen habe. 2Derselbe Pomponius schreibt, Einige seien der richtigen Meinung, dass auch auf die Freilassung eines Sclaven oder die Niederreissung eines Gebäudes, welche Jemand gezwungen vornahm, die in diesem Edicte gestattete Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auszudehnen sei. 3Aber in welchem Sinn das, was der Prätor sagt: er werde es nicht genehmigen (nämlich was aus Furcht gethan worden sein sollte), zu nehmen sei, wollen wir [jetzt] sehen. Es verhält sich nun aber so (et quidem), dass entweder, obwohl die Furcht sich schon eingestellt hat, die Sache (der Gegenstand des in Frage stehenden Rechtsgeschäfts) noch nicht zur Vollendung gedieh (imperfecta res est), z. B. der Stipulation die Auszahlung noch nicht nachfolgte, oder bereits zur Vollendung gekommen ist (perfecta), z. B. wenn nach der Stipulation auch die Auszahlung geschehen oder aus Furcht der Schuldner von seiner Schuld freigesprochen worden ist, oder sich sonst etwas Aehnliches ereignet haben sollte, wodurch das [fragliche] Rechtsgeschäft zur Vollendung gelangte. Ferner schreibt Pomponius, dass zwar in Rücksicht auf zur Vollendung gediehene Rechtsgeschäfte bisweilen sowohl eine Einrede als eine Klage zustehe, in Hinsicht auf unvollendete aber blos eine Einrede. Aber aus Erfahrung weiss ich, dass, als die Bewohner von Capua durch eingejagte Furcht Jemandem das schriftliche Bekenntniss eines Versprechens abgepresst hatten, von unserm Kaiser rescribirt worden ist, Jener könne vom Prätor Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verlangen; und dass der Prätor das Beiurtheil [Interlocut] gefällt habe, wolle [der Beeinträchtigte] mit einer Klage gegen die Bewohner von Capua den Versuch machen, so sei sie gestattet, wolle er sich aber gegen sie als klagende einer Einrede bedienen, so fehle es auch nicht an einer solchen. Aus welcher kaiserlichen Verordnung zu folgern ist, dass, es mag die Sache zur Vollendung gediehen sein oder nicht, sowohl eine Klage als eine Einrede gestattet wird. 4Ad Dig. 4,2,9,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 118, Note 3.Es wird aber auch demjenigen, der es verlangt, sowohl eine dingliche als eine persönliche Klage66Die im Systeme dafür gebräuchliche Benennung ist actio rescissoria utilis vel in rem vel in personam. (S. v. Glück Ausführl. Erläut. der Pandect. 5. Th. 2. Abth. p. 494.) Neuern Ursprungs ist die actio quod metus causa. gegeben [und zwar] nach Aufhebung der acceptilatio77Acceptilatio (ein unübersetzbarer Ausdruck) bezeichnet die Aufhebung einer durch Stipulation entstandenen Forderung (obligatio) durch Anwendung einer Stipulation entgegengesetzten Inhalts. oder irgend eines andern Grundes der Befreiung [von der bisherigen Obliegenheit]. 5Julianus stellt im dritten Buche der Digesten die Meinung auf, dass derjenige, welchem eine Sache aus Furcht übergeben worden ist, sie nicht allein zurückgeben, sondern auch wegen seiner bösen Absicht dabei Verantwortung leisten (de dolo repromittere) müsse. 6Wiewohl wir die Ansicht haben, dass eine dingliche Klage zu gestatten sei, weil [nach der Annahme] die [in Frage stehende] Sache sich im Eigenthume dessen befindet, der die Gewalt erduldet hat, so wird doch nicht ohne Grund zu behaupten sein, dass, wenn Jemand auf vierfachen Ersatz [seines Verlustes] geklagt, die dingliche Klage wegfalle, und es sich so auch im umgekehrten Falle (vel contra) verhalte88D. h. dass, wenn man einmal die dingliche Klage gewählt hat, die Klage auf vierfachen Ersatz unstatthaft werde.. 7Nach dem [vorliegenden] Edicte nun ist die Wiedereinsetzung, nämlich in den vorigen Stand durch den Richter Amtswegen, so anzustellen, dass, wenn die Sache wegen Furcht ausgehändigt worden ist, sie [vom Empfänger] zurückgegeben und, wie schon bemerkt wurde, in Beziehung auf [mögliche] böse Absicht Verantwortung [darüber], ob nicht etwa die Sache [bei ihm] verschlechtert worden sei, geleistet werde. Und wenn etwa durch acceptilatio eine Aufhebung der [bisherigen] Forderung eingetreten ist, so wird diese Forderung wieder in ihre frühere Lage zurückversetzt werden müssen, und zwar in dem Grade, dass Julianus im vierten Buche der Digesten schreibt, es müsse, wenn Geld geschuldet wurde, welches [der Gläubiger], durch Gewalt [des Schuldners] genöthigt, für zurückbezahlt erklärt hat (quae accepta per vim facta est), wofern es [der Schuldner] nicht wirklich bezahle, oder nach hergestelltem Forderungsrechte [des Gläubigers] sich auf die Klage einlasse (judicium accipiatur), derselbe zum vierfachen Ersatze [seiner Schuld] verurtheilt werden. Aber auch, wenn ich gezwungen dem, welcher durch Stipulation eine Forderung erwerben will (stipulanti), etwas versprochen haben sollte, so wird diese Stipulation durch eine entgegengesetzte Stipulation aufgehoben werden müssen (accepto facienda erit). Aber auch wenn das Niessbrauchsrecht oder Dienstbarkeiten [auf ähnliche Weise] verloren worden sind, werden sie wieder herzustellen sein. 8Da aber diese Klage (actio quod metus causa) eine actio in rem scripta99Actio [personalis] in rem scripta ist im Allgemeinen eine solche Klage, welche, obwohl sie zunächst auf das Foderungsverhältniss (obligatio) zu einer gewissen Person rücksichtlich einer bestimmten Sache sich gründet, und daher nur gegen die verpflichtete Person angestellt werden sollte, doch ausnahmsweise auch gegen den dritten Besitzer jener Sache angestellt werden kann. ist und nicht blos die Person des Gewaltthäters in Schranken hält, sondern das, was aus Furcht gethan worden ist, gegen Alle wieder in den frühern Stand zurückgebracht wissen will, so ist Julianus nicht unverdienter Weise vom Marcellus darüber getadelt worden, dass er schreibt, wenn ein Bürge gewaltthätig verfahren sei, um von seiner Verbindlichkeit befreit zu werden1010Ut accepto liberetur, d. i. damit er vermöge einer mit dem Gläubiger vollzogenen acceptilatio so angesehen werde, als ob er wirklich für den Schuldner bezahlt habe., so sei [der Gläubiger] mit seiner Klage gegen den Beklagten [d. i. den Schuldner] nicht in den vorigen Stand wieder einzusetzen, sondern der Bürge müsse, wenn er nicht etwa [den Gläubiger] wieder in den Stand setze, [gegen den Schuldner] zu klagen, zu vierfachem Ersatze [des Betrags der Schuld, wofür er bürgt, an den Gläubiger] verurtheilt werden1111Der hier behandelte Fall ist folgender: Ein vom Schuldner zur Sicherstellung des Gläubigers bestellter Bürge hat gewaltsamer Weise dem Gläubiger die Erklärung, dass er rücksichtlich seiner Forderung an den Schuldner befriedigt worden sei, abgenöthigt, und nun entsteht die Frage, wie dem Gläubiger, der jetzt eigentlich weder vom Schuldner noch vom Bürgen etwas verlangen kann, zu helfen sei? Julianus nimmt an, der Schuldner bleibe, wenn ihn nicht etwa zur erneuerten Anerkennung seiner Obliegenheit der Bürge selbst bewege und so dem Gläubiger wieder ein Klagerecht verschaffe (nisi adversus reum quoque actionem restituat) ausser allem nexus, und nur der Bürge müsse zur Strafe den vierfachen Betrag der Schuld an den Gläubiger in Folge der von diesem angestellten actio quod metus causa bezahlen. Marcellus dagegen ist (nach Ulpians Ansicht der richtigern Meinung, dass der Gläubiger die actio quod metus causa auf das Vierfache auch gegen den Schuldner selbst (wobei wohl vorausgesetzt wird, dass dieser an dem gewaltsamen Verfahren des Bürgen heimlichen Antheil genommen habe und deshalb Strafe verdiene) erheben könne.. Aber richtiger ist, was Marcellus bemerkt, dass [nämlich] auch gegen den Schuldner diese Klage (quod metus causa) Statt finde, da sie eine [actio] in rem scripta ist.
10Gaj. lib. IV. ad Ed. prov. Es ist nicht zu bezweifeln, dass, wenn auf Veranlassung des Schuldners, der dazu [des Mittels] der Furcht sich bediente, die Bürgen durch acceptilatio [von Seiten des Gläubigers] frei geworden sind, auch gegen die Bürgen [vom Gläubiger] Klage erhoben werden könne, damit sie sich ihrer Obliegenheit wieder unterwerfen [ut se reponant in obligationem]. 1Wenn ich durch von dir [mir beigebrachte] Furcht gezwungen meine Forderung an dich für befriedigt erklärt haben sollte, so wird der Ausspruch des Richters, bei welchem aus diesem Edicte Klage erhoben wird, nicht blos darauf zu richten sein, dass in deiner Person die [frühere] Obliegenheit sich erneuere, sondern dass du auch entweder dieselben Bürgen oder doch andere nicht weniger taugliche stellest, überdies auch hinsichtlich der Pfänder, die du gegeben hattest, den frühern Zustand zurückführest.
11Paulus zum vierten Buche der Digesten Julians bemerkt: Wenn irgend ein Anderer ohne hinterlistiges Zuthun des Bürgen durch Gewalt es dahin gebracht hat, dass der Bürge [vom Gläubiger] seiner Obliegenheit entlassen worden ist, so wird der Bürge nicht gehalten sein, dass er selbst die Verbindlichkeit des Schuldners wieder herstelle.
12Ulp. lib. XI. ad Ed. Aber auch die Kinder der Sclavinnen, ferner die Jungen des Viehes und die Früchte und jedes Accessorium der Hauptsache (omnem causam), müssen1212In Folge nämlich der gestatteten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (metus causa). [dem Kläger] zurückgegeben werden; und zwar nicht blos diejenigen Früchte, welche erhoben worden sind, sondern wenn ich etwa mehr Früchte hätte erheben können, und nur durch Furcht daran verhindert worden bin, so wird auch diese [der Beklagte als widerrechtlicher Besitzer meiner Hauptsache] mir ersetzen müssen. 1Es wird die Frage entstehen können, ob auch, wenn der, welcher erst gewaltsam gegen einen Andern verfahren war, selbst wieder Gewalt erlitten hat, ihm der Prätor durch dieses Edict das, was er [durch Gewalt veranlasst] veräusserte, restituirt wissen wolle? Und Pomponius schreibt hierüber im 28. Buche, der Prätor sei nicht gemüssigt, ihm Hülfe zu leisten; denn, sagt er, da es erlaubt ist, Gewalt durch Gewalt zu vertreiben, so hat [Jener in diesem Falle] nur das erlitten, was er erst selbst gethan hat. Demnach sei (fährt Pomponius fort), wenn er durch Furcht dich zu einem Versprechen gezwungen, ich aber bald darauf ihn durch Furcht genöthigt haben sollte, dich deines Versprechens zu entlassen (te accepto liberare), nichts vorhanden, rücksichtlich dessen er in den vorigen Stand wieder einzusetzen wäre. 2Julianus behauptet, dass auf denjenigen, welcher gegen seinen Schuldner, damit dieser ihm Zahlung leiste, gewaltsam verfahren ist, dieses Edict nicht Anwendung leide wegen der Eigenthümlichkeit der actio metus causa, wornach sie einen wirklichen Schaden voraussetzt, obwohl es nicht geleugnet werden könne, dass ein solcher [Gläubiger] dem Julischen Gesetze über Gewalt verfallen und seines Forderungsrechtes verlustig sei.
13Ad Dig. 4,2,13Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 123, Note 1.Callistrat. lib. V. de Cognition. Es gibt nämlich eine Verordnung des höchstseligen Marcus folgenden Inhalts: Es ist das Rathsamste (optimum), wenn du diejenigen Forderungen, welche du zu haben meinest, durch Klagen geltend zu machen suchest. Als [nun] Marcianus äusserte: Ich habe keine Gewalt ausgeübt, sprach sich der Kaiser so aus: Hältst du blos das für Gewalt, wenn Menschen verwundet werden? Gewalt findet auch dann Statt, so oft Jemand, was ihm nach seiner Meinung geschuldet wird, nicht durch den Richter einfordert. Jeder also, hinsichtlich dessen mir erwiesen werden wird, dass er irgend eine Sache seines Schuldners, oder die ihm schuldige Summe, ohne sie vom Schuldner selbst aus freiem Willen erhalten zu haben, grundlos ohne irgend einen Richter [zu Hülfe genommen zu haben] besitze oder [von einem Andern] in Empfang genommen und demnach in dieser Sache sich selbst Recht gesprochen habe, wird sein Forderungsrecht verlieren.
14Ulp. lib. XI. ad Ed. Desgleichen bleibe [nimmt man an], wenn ich, da ich ohnehin gegen dich durch eine unverjährbare Einrede sichergestellt wäre, dich gezwungen haben sollte, mich meiner Verpflichtung zu entlassen, dieses Edict ohne Anwendung, weil du dabei nichts verlierst. 1Wenn Jemand [das ihm Auferlegte] nicht ausantworten sollte, so sagt [der Prätor] gegen ihn eine Klage auf vierfachen Ersatz zu. Es wird aber bei dieser Berechnung des Vierfachen alles in Anschlag kommen, zu dessen Ausantwortung eine Verpflichtung vorhanden war. Schonend genug ist mit dem Beklagten der Prätor darin verfahren, dass er ihm [für den Fall], wenn er die Strafe vermeiden will, die Erlaubniss zur Zurückgabe [der Sache des Klägers] gewährt hat. Nach Ablauf eines Jahres1313Innerhalb des ersten Jahres nämlich nach vollführter Gewalt oder verursachter Furch konnte die früher erwähnte actio [quod] metus causa auf vierfachen Ersatz angestellt werden. aber verheisst er eine Klage [nur] auf einfachen Ersatz, jedoch nicht für jeden Fall, sondern nach Untersuchung der Sachlage. 2Bei Untersuchung der Sachlage kommt es darauf an, dass, wenn eine andere Klage nicht vorhanden sein sollte1414Cf. c. 4. C. de his, quae vi metusve causa gesta sunt. II. 20., dann diese (actio in simplum) gestattet werde; und in der That, da eine durch Furcht zugefügte Beleidigung nach Ablauf eines Jahres, und zwar eines annus utilis1515Annus utilis ist ein Jahr, welches aus 365 diebus utilibus d. i. solchen Tagen besteht, an welchen man ungehindert sein Recht vor der richterlichen Behörde geltend machen kann. Es werden also in dasselbe die Tage der Gerichtsferien (des Gerichtsstillstandes, justitium) nicht eingerechnet. Ein Jahr dagegen, welches nach 365 in der natürlichen Ordnung auf einander folgenden Tagen (Kalendertagen, diebus continuis) berechnet wird, heisst annus continuus., als aufgehoben (verjährt) anzusehen ist, so ist ein hinreichender Grund vorhanden, dass nach Jahresfrist diese Klage gestattet werden müsse. Eine andere Klage aber kann auf folgende Weise Statt finden: wenn derjenige, welchem Gewalt angethan worden ist, mit Tode abgegangen sein sollte, so hat sein Erbe die Erbschaftsklage (hereditatis petitionem, nämlich gegen den Gewaltthäter), weil derjenige, welcher die Gewalt zufügte, [das durch Gewalt sich Zugeeignete] in der Eigenschaft eines blossen Innenhabers (pro possessore) besitzt; weshalb auch dem Erben die actio metus causa nicht zukommen wird, obwohl, wenn das Jahr es zulassen sollte1616Si annus largiretus d. i. wenn das erste Jahr seit Statt gefundener Gewalt noch nicht abgelaufen sein sollte (denn erst nach Jahresfrist wird aus der Anfangs auf das Vierfache gerichteten actio metus causa eine actio in simplum). (si annus largiretur), auch der Erbe die Klage auf das Vierfache erheben könnte. Sie wird aber deshalb den Erben bewilligt, weil sie auch die Wiedererlangung der [entzogenen] Sache selbst und nicht blos die Bestrafung des Beklagten] zum Zwecke hat (quoniam et rei habet persecutionem). 3Bei dieser Klage (metus causa) wird nicht gefragt, ob derjenige, gegen welchen sie angestellt wird, oder ein Anderer die Furcht erregt hat; es genügt nämlich, wenn [der Kläger] darthut, es sei ihm Furcht verursacht oder Gewalt zugefügt worden, und daraus habe der Beklagte, wenn auch derselbe von einem [eigentlichen] Verbrechen frei sei, doch Vortheil gezogen. Denn da in der Furcht von Seiten dessen, den sie befallen hat, Unkunde [der wahren Lage der Dinge] sich äussert1717Die Worte: nam quum metus habeat in se ignorantiam; deuten, wenn ich nicht irre, die Eigenthümlichkeit der Furcht an, vermöge welcher derjenige, den sie befällt, in eine irrige Ansicht von der Lage der Dinge geräth, ohne gehörige Ueberlegung handelt und daher auch nicht immer genau anzugeben weiss, was um ihn her oder gegen ihn vorgegangen ist., so wird mit Grund Niemand gehalten, anzuzeigen, wer der Urheber der Furcht oder Gewalt gewesen ist; weshalb denn der Kläger blos dazu verpflichtet wird, dass er darthue, Furcht sei die Ursache gewesen, weshalb er Jemanden von der Bezahlung der schuldigen Summe freigesprochen, oder ihm eine Sache übergeben, oder sonst etwas gemacht habe. Auch scheint es wohl Niemandem unbillig, dass ein Anderer aus einer fremden Handlung zu vierfachem Ersatze verurtheilt wird, da ja die Klage auf das Vierfache nicht gleich eintritt, sondern erst dann, wenn die [entzogene] Sache nicht zurückgegeben wird. 4Da aber diese Klage eine actio arbitraria1818D. h. eine solche Klage, rücksichtlich welcher dem Richter (judex pedaneus) eine grössere Willkühr als gewöhnlich gestattet ist, so dass er den Beklagten, wenn dieser ihm nicht gleich Folge leistet, in mehr als der Kläger eigentlich zu fordern hat, verurtheilen kann. ist, so hat der Beklagte bis zu dem vom Schiedsrichter1919Es ist hier nicht der gewöhnliche Schiedsrichter (arbiter), d. i. eine von den Parteien zur Entscheidung ihrer Streitsache beauftragte Privatperson, zu verstehen, sondern der mit der Eigenschaft eines Schiedsrichters bekleidete eigentliche Richter (judex pedaneus). gefällten Rechtsspruche die Erlaubniss, die [dem Kläger entzogene] Sache nach den oben aufgestellten Grundsätzen zurückzugeben; wenn er dies aber nicht gethan haben sollte, so wird er mit Fug und Recht die Verurtheilung zur Leistung des Vierfachen über sich ergehen lassen müssen. 5Bisweilen jedoch bringt, obschon es sich von [wirklich] veranlasster Furcht handelt, dennoch das schiedsrichterliche Urtheil Lossprechung. Denn wie? wenn Titius zwar, ohne dass ich etwas davon wusste, [Jemandem] Furcht einflösste, allein die [dadurch dem Andern entzogene] Sache an mich gelangt ist, und nun ohne eine bösliche Veranlassung von meiner Seite zu existiren aufgehört hat, soll ich denn nicht durch den Richter Amtswegen freigesprochen werden? Ferner: wenn ein [fremder] Sclav [auf meine Veranlassung] flüchtig geworden ist, so werde ich ebenfalls, wenn der Richter Amtswegen mir das Versprechen (die Caution) abgenommen haben wird, dass ich [jenen Sclaven], wenn er in meine Gewalt kommen sollte, [dem Eigenthümer] zurückgeben wolle, freigesprochen werden müssen. Woraus Einige die Ansicht entnehmen, dass ein Käufer, der in gutem Glauben von dem Urheber der Gewalt kaufte, nicht verantwortlich sei, so auch nicht derjenige, welcher [vom Gewaltthäter] die [einem Andern abgenommene] Sache als Geschenk oder als Vermächtniss bekommen hat. Allein sehr richtig nimmt Vivianus an, auch sie seien verantwortlich, damit nicht etwa die Furcht, in welche ich versetzt wurde, mir Nachtheil verursache. Pedius auch schreibt im achten Buche, der Richter verfahre bei der Fällung seines Ausspruches über die Zurückgabe der [in Frage stehenden] Sache so, dass er [zunächst] zwar demjenigen, welcher die Gewalt verübte, die Zurückgabe der [dem Eigenthümer entzogenen] Sache, wenn auch diese an einen Andern gekommen ist, dann aber auch demjenigen, an welchen sie gelangt ist, wenn gleich ein Anderer der Urheber der Furcht ist, auferlegt; denn es darf die von Einem erregte Furcht nicht zum Vortheile des Andern ausschlagen. 6Labeo sagt: wenn Jemand durch Furcht [veranlasst] die Stelle eines Beklagten eingenommen und einen freiwilligen Bürgen bestellt hat, so wird sowohl er als der Bürge freigesprochen; wenn blos der Bürge durch Furcht bewogen in die Verpflichtung eintrat, nicht auch der Beklagte, so wird nur der Bürge freigesprochen werden. 7Vervierfacht wird aber [beim Ersatze] das, was die [durch Furcht oder Gewalt entzogene] Sache werth sein wird, das heisst mit ihren Früchten und allen Accessionen (omni causa). 8Wenn Jemand, nachdem er durch Gewalt genöthigt des vor Gericht Erscheinens halber ein Versprechen leistete, nachher etwa noch einen Bürgen bestellt, so wird auch er freigesprochen. 9Aber wenn auch Jemand, der gewaltsamer Weise sich eine Leistung feierlich hat versprechen lassen, weil er nachher [den Schuldner] des Versprechens nicht entbunden hat, in das Vierfache verurtheilt worden ist, so glaubt Julianus doch, dass ihm, falls er aus dem feierlichen Versprechen (ex stipulatu) klagt, gegen die Einrede [des Beklagten] eine Erwiederung (replicatio) als Hülfsmittel zur Seite stehe, da beim vierfachen Ersatze der Beklagte zugleich den einfachen Ersatz erlangt habe. Labeo aber sagte, dass auch nach der Klage auf das Vierfache nichts desto weniger der Urheber der Gewalt durch die Einrede [des Gegners] abzuweisen sei; was, da es zu hart erscheinen möchte, so zu ermässigen ist, dass er [der Gewaltthäter] sowohl mit der Verurtheilung in das Dreifache bestraft, als [den Gegner] seines Versprechens gänzlich zu entbinden genöthigt werde. 10Unsere Behauptung aber anlangend, dass im Vierfachen auch das Einfache enthalten sei, so ist dies dahin zu erklären, dass in der Verurtheilung zum Vierfachen die [entzogene] Sache selbst völlig mit enthalten sei und ihre Zurückgabe dadurch geschehe, die [eigentliche] Strafe aber bis auf den dreifachen Ersatz gestellt werde. 11Wie wenn nun ein Sclav [des Klägers] ohne bösliches Verfahren und Verschuldung desjenigen, welcher [gegen den Eigenthümer des Sclaven] gewaltsam verfahren und verurtheilt worden ist, das Leben verloren hat? In diesem Falle wird von der Verurtheilung des Beklagten, wenn [der Sclav] während der Zeit von vier Monaten (cf. 1. 2. u. 3. Cod. de usur. rei jud.) nach der Verurtheilung gestorben sein sollte, deshalb etwas nachgelassen werden, weil er schon durch die Strafe des dreifachen Ersatzes für sein Vergehen Genugthuung zu leisten gezwungen wird. Für denjenigen [fremden] Sclaven aber, von dem es heisst, dass er sich auf die Flucht begeben habe, ist ihm (demjenigen, welcher diesen Sclaven zur Flucht veranlasste) eine Sicherheitsleistung abzunöthigen, des Inhalts, dass er den Sclaven verfolgen und jedenfalls [dem Eigenthümer] ausantworten wolle, und nichts desto weniger wird demjenigen, welcher die Gewalt erlitten hat, eine dingliche [Klage], oder die Klage ad exhibendum, oder was es sonst für eine Klage zur Wiedererlangung [des Sclaven] gibt, völlig gesichert bleiben, so dass, wenn der Herr diesen Sclaven auf irgend eine Weise wieder bekommen haben sollte, derjenige, welcher aus seinem feierlichen Versprechen (ex stipulatione) belangt wird, sich durch Einrede schützen kann. Dies alles [gilt für den Fall], wenn nach der Verurtheilung erst [der Sclav gestorben ist]; wenn aber der Sclav vor dem richterlichen Ausspruche ohne bösliches Verfahren und Verschuldung [des Beklagten] gestorben sein sollte, so wird [der Beklagte oder Gewaltthäter] verantwortlich sein. Und dies verhält sich so nach folgenden Worten des Edicts: und diese Sache nicht nach dem schiedsrichterlichen Ausspruche des Richters zurückerstattet werden wird. Wenn nun also der Sclav [des Klägers] ohne bösliches Zuthun und Verschuldung desjenigen, gegen welchen2020Es ist hier, wie in der ganzen Stelle, derjenige gemeinst, welcher einen fremden Sclaven, sollte er auch an dem nachherigen Tode oder Flüchtigwerden desselben keine Schuld haben, doch Anfangs durch Furchtserregung oder Gewalthätigkeit vom Eigenthümer widerrechtlich an sich gebracht hat. Klage erhoben werden wird, flüchtig wäre, so muss der Richter [den Beklagten] zu dem Versprechen nöthigen, dass er jenen Sclaven herbeischaffen und [dem Kläger] zurückliefern wolle. Aber wenn auch die [dem Kläger entzogene] Sache sich bei demjenigen, gegen welchen geklagt wird, ohne dessen Verschuldung nicht mehr befinden sollte, sie jedoch nicht untergegangen sein würde, wenn sich der Beklagte nicht der Furchterregung bedient hätte, so wird derselbe verurtheilt werden, wie es beim Interdictum Unde vi oder Quod vi aut clam gehalten wird. Bisweilen also bekommt derjenige den Geldwerth des verstorbenen Sclaven, welcher, wenn ihm der Sclav nicht gewaltsam entzogen worden wäre, denselben verkauft haben würde. 12Wenn der Gewaltthäter den Besitz2121Es ist der Besitz derjenigen Sache, gegen welche die Gewalt gerichtet war, zu verstehen. von mir erlangt hat, so gilt er nicht als Dieb, obwohl, wer mit Gewalt wegnahm, ein schlimmerer Dieb [als der gewöhnliche] zu sein scheint, wie es dem Julianus gefällt. 13Dass derjenige, welcher Furcht erregte, auch der Klage de dolo ausgesetzt sei, ist gewiss, und so [sagt auch] Pomponius, wie auch [es gewiss ist], dass eine Klage durch die andere2222Nämlich actio metus causa und de dolo. ausgeschlossen werde vermöge entgegengestellter Einrede in factum2323Exceptio in factum ist eine solche, die sich auf eine besondere Thatsache (factum) gründet, welche der Beklagte zu seinen Gunsten anführen kann.. 14Julianus sagt, es werde blos das Interesse2424Quod interest ist hier dasjenige, an dessen Erlangung demjenigen, dem es gebührt, gelegen sein muss, weil es ihm reinen Vortheil gewährt. vervierfacht, und demnach werde derjenige, welcher aus einer fideicommissarischen Angelegenheit die Summe von vierzig [Sestertien] schuldete, wenn er durch Gewalt veranlasst die Summe von dreihundert versprochen und bezahlt habe, das Vierfache der Summe von zweihundert und sechzig zu bekommen haben; denn in Beziehung auf diese hat er wirklich Gewalt erlitten2525Die an der Summe von dreihundert noch fehlenden vierzig nämlich an den Gewaltthäter zu bezahlen, war er ja durch den Inhalt des Fideicommiss verpflichtet.. 15Dem zu Folge werden, wenn etwa Mehrere [zugleich] sich der Furchterregung bedient haben, und nur Einer unter ihnen verklagt worden sein, die [der in Furcht versetzten Person entzogene] Sache aber vor Fällung des Urtheils freiwillig zurückgegeben haben sollte, sie Alle ihrer Verpflichtung entledigt. Sollte er (jener Eine) aber auch dies nicht gethan, sondern nach richterlichem Ausspruche das Vierfache ersetzt haben, so ist es doch der Wahrheit gemässer [anzunehmen], dass auch auf diese Weise die Klage metus causa gegen die übrigen [Mitschuldigen] aufgehoben werde;
16Ulp. lib. IX. ad Ed. Was wir für den Fall sagten, wenn Mehrere [einem Andern] Furcht beigebracht haben, wird auch dann angenommen werden müssen, wenn von ihnen Einer die fremde [Sache] an sich gebracht, der Andere die Furcht erregt hat. 1Wenn aber Sclaven von der Furchterregung Gebrauch gemacht haben, so wird in Bezug auf sie [dem dadurch Beeinträchtigten] eine Noxalklage zustehen; es wird aber auch Jemand [als der Beeinträchtigte] den Herrn, an welchen etwa die [entzogene] Sache gekommen ist, belangen können2626Nämlich durch actio metus causa.; wenn nun dieser als Beklagter entweder die Sache selbst, oder, nach dem was oben bemerkt worden ist, das Vierfache gegeben haben sollte, so wird er dadurch auch den Sclaven2727Indem diese nun nichts weiter zu befürchten haben. nützen. Wenn er aber, durch eine Noxalklage belangt, es vorgezogen haben sollte, die Sclaven als Schadensersatz preiszugeben (noxae dedere), so wird er nichts desto weniger, wenn die [fremde] Sache ihm zugekommen ist, noch [durch actio metus causa] belangt werden können. 2Diese Klage (metus causa) wird dem Erben und übrigen Nachfolgern gestattet, weil sie auf Wiedererlangung der [entzogenen] Sache geht. Sie wird aber gegen den Erben und die übrigen [Nachfolger] auf Erstattung desjenigen, was ihnen von der [fremden] Sache zu Theil wurde, nicht ohne triftigen Grund gestattet; denn obwohl die Strafe nicht auf den Erben übergeht, so darf doch auch, wie selbst [von den Kaisern] es verordnet worden ist, das auf schändliche Weise oder durch ein Verbrechen Erworbene nicht zum Vortheile des Erben gereichen.
17Paul. lib. I. Quaest. Wir wollen demnach sehen, ob, wenn der Erbe, in dessen Besitz etwa Einiges [von der fremden Sache] gekommen ist, das, was an ihn kam, verzehrt haben sollte, er aufhöre, verantwortlich zu sein, oder ob es vielmehr [zur Klaganstellung gegen ihn] genügt, dass nur überhaupt etwas an ihn gekommen ist? und [ferner] ob, wenn er nach Verzehrung des ihm [von der fremden Sache] Zugefallenen gestorben sein sollte, gegen seinen Erben jedenfalls eine Klage zusteht, weil er als Erbe die Verpflichtung des Erblassers auf sich genommen hat, oder ob die Klage nicht zu gestatten sei, weil auf den zweiten Erben nichts [von der fremden Sache] gekommen ist? Es ist nun aber besser [anzunehmen], dass jedenfalls eine Klage gegen den Erben des Erben zulässig sei; denn es genügt, wenn nur einmal etwas [von der fremden Sache] an den nächsten Erben gekommen ist, und sogleich hört die gewöhnliche Verjährbarkeit der Klage auf (et perpetua actio esse coepit); widrigenfalls würde man sagen müssen, dass auch nicht einmal derjenige, welcher das, was [von der fremden Sache] an ihn gekommen ist, verzehrt hat, gehalten werde.
18Julian. lib. LXIV. Dig. Wenn die Sache selbst, welche [vom Eigenthümer] an einen Andern gelangte, zu Grunde gegangen ist, so werden wir nicht sagen, dass jener Andere dadurch reicher geworden sei; wenn sie aber etwa in Geld oder eine andere Sache umgewandelt worden, so ist nicht weiter zu fragen, welches Ende es [mit der Sache] nehme, sondern [der Besitzer] ist allerdings als dadurch bereichert anzusehen, wenn er sie auch nachher verliert. Denn auch der Kaiser Titus Antoninus hat an den Frontinus über die Preise der erbschaftlichen Sachen ein Rescript des Inhalts erlassen: es könne ihm die Erbschaft aus dem Grunde abverlangt werden2828Oder: es könne gegen ihn die Erbschaftsklage deshalb angestellt werden, weil u. s. w., weil, obwohl diejenigen Sachen, welche zur Erbmasse gehört hatten, sich nicht mehr bei ihm befänden, doch der dafür empfangene Preis, wodurch er auch bei mehrmals veränderter Gestalt [jener Sachen] bereichert worden ist, ihn eben so verbindlich mache, als wenn die eigentlichen Erbschaftsgegenstände in derselben Gestalt [bei ihm] geblieben wären.
19Gaj. lib. IV. ad ed. provinc. Dass aber der Proconsul gegen den Erben in soweit eine Klage zusagt2929Im Edictum provinciale., als in wieweit etwas [von der fremden Sache] an ihn gekommen ist, muss so verstanden werden, dass es sich auf eine zu jeder Zeit3030Ohne Rücksicht auf den Ablauf der gewöhnlichen Verjährungsfrist. zu bewilligende Klage bezieht.
20Ulp. lib. XI. ad Edict. Wieviel aber [von der fremden Sache] an den Erben gekommen sei, wird nach der Zeit der geschehenen Litis contestatio3131Litis contestatio ist bei den Römern nicht, wie heutzutage die Einlassung oder Antwort des Beklagten auf die Klage, sondern der darin bestehende förmliche Anfang des Rechsstreites, dass der Kläger und Beklagte sich gegenseitig über die Klagepunkte vernehmen, d. h. der Beklagte sich in Gegenwart des Klägers erklärt, wieviel von der Forderung des Klägers er einräumen wolle. beurtheilt werden müssen, wenn es nur gewiss ist, dass etwas an den Erben gekommen sei. Dasselbe [ist anzunehmen], wenn etwas in die Masse des Vermögens desjenigen, der die Gewalt verübt hat, dergestalt gekommen ist, dass kein Zweifel obwaltet, es werde zu dessen Erben gelangen. Dasselbe [findet Statt], wenn der Schuldner frei geworden ist3232Ich ziehe die in der Ausgabe von Beck befolgte Interpunction: Idem, si debitor liberatus est. vor, obwohl auch so diese Stelle immer noch etwas Unverständliches behält..
21Paul. lib. IX. ad Ed. Wenn ein Weib, welches gegen seinen Freilasser sich vorsätzlich undankbar bewiesen hat, als ihm der Verlust seines [jetzigen] Rechtszustandes drohte, dem Freilasser etwas gegeben oder versprochen haben sollte, um nicht wieder in die Sclaverei versetzt zu werden, so kommt das Edict nicht zur Anwendung, weil es diese Furcht sich selbst beibringt. 1Was wegen Furcht gethan worden sein sollte, wird zu keiner Zeit der Prätor genehmigen. 2Wer den Besitz des ihm nicht angehörigen Grundstücks [gezwungen einem Andern] übergeben hat, wird nicht vom Werthe des Grundstücks selbst, sondern vom Werthe des Besitzes, das Vierfache oder das Einfache3333Je nachdem nämlich noch innerhalb des ersten Jahres nach erlittener Gewalt oder erst später Klage erhoben worden ist. zugleich mit den Früchten erlangen; denn es wird das in Anschlag gebracht, was [vom Beklagten] ersetzt werden muss, das heisst das, was [dem Kläger] wirklich abgeht; es geht ihm aber [in diesem Falle] der blosse Besitz mit den dazu gehörigen Früchten ab, womit auch Pomponius übereinstimmt. 3Wenn Mitgift aus Furcht versprochen worden ist, so glaube ich nicht, dass daraus eine Verbindlichkeit entstehe, weil es höchst wahr ist, dass ein solches Versprechen von Mitgift für keines anzusehen sei. 4Wenn ich durch Furcht genöthigt worden wäre, von einem Kauf- oder Miethvertrage abzugehen, so ist zu untersuchen, ob dies etwa als nicht geschehen gelte und die frühere Verbindlichkeit fortdauere, oder ob es einer Acceptilation gleichzustellen sei, weil wir nämlich [in diesem Falle] uns auf keine bonae fidei obligatio3434Bonae fidei obligatio im Gegensatze der stricti juris obligatio ist eine solche Forderung, bei deren Beurtheilung nicht streng nach den durch die dabei beteiligten Personen gebrauchten Worten, sondern nach möglichst schonenden Rücksichten [nach Treue und Glauben], zu verfahren ist. stützen können, da dieselbe, sobald sie einmal aufgegeben wird, als erloschen anzusehen ist. Und ist es mehr dafür, dass dieser Fall einer Acceptilation gleichkomme; weshalb denn auch hier eine prätorische Klage erzeugt wird. 5Wenn ich durch Furcht genöthigt eine Erbschaft angetreten habe, so halte ich dafür, dass ich zum wirklichen Erben werde, weil, obschon, wenn es mir freigestanden hätte, ich es nicht gewollt haben würde, ich doch gezwungen meinen Willen erklärt habe; jedoch bin ich durch den Prätor wieder in meinen vorigen Stand einzusetzen, so dass mir die Macht verliehen werde, mich der Erbschaft zu enthalten. 6Wenn ich etwa gezwungen eine Erbschaft von mir weise, so kommt mir der Prätor auf doppeltem Wege zu Hülfe, indem er mir entweder, als ob ich wirklicher Erbe wäre, den Klagen des wirklichen Erben analoge Klagen (utiles actiones quasi heredi dando) gibt, oder die actio metus causa gewährt, so dass, welchen dieser Wege ich gewählt haben möge, er mir offen stehe.
23Ulpian. lib. V. Opinion. Es ist wahrscheinlich3535Oder: nicht wohl annehmbar., dass derjenige, welcher eine ansehnliche Würde3636Clara dignitas bezeichnet insgemein die Würde eines Senators. zu haben behauptete, in Rom durch Gewalt genöthigt ungerechter Weise eine Nichtschuld (indebitum) bezahlt habe, da er ja das öffentliche Recht [um Beistand] anrufen und an einen mit obrigkeitlicher Gewalt Bekleideten sich wenden konnte, der gewiss die Gewalt von ihm abgewehrt hätte, vielmehr muss er dieser Voraussetzung3737Dass er nämlich durch Berufung der Obrigkeit die Gewalt von sich habe abwehren können. die offenbarsten Beweisthümer der [erlittenen] Gewaltthätigkeit entgegenstellen. 1Wenn Jemand aus gegründeter Furcht3838Justus metus ist in diesem Zusammenhange eine solche Furcht, von welcher auch ein sonst standhafter und unerschrockener Mann befallen werden kann. und Scheu vor einer Untersuchung, zu welcher er nach der Drohung eines mächtigen Gegners gefesselt gehen sollte, das, was ihm eigentlich als Eigenthum zu haben zustand, gezwungen verkauft hat, so wird die Sache nach der bei ihr eintretenden Berücksichtigung der Billigkeit durch den Vorsteher der Provinz in ihre frühere Lage zurückversetzt. 2Wenn ein Wucherer einen Wettkämpfer [als seinen Schuldner] dadurch, dass er ihn gegen alle Sitte gefangen hielt und an den Kämpfen verhinderte, genöthigt haben sollte, für mehr als den eigentlichen Betrag des schuldigen Geldes Gewähr zu leisten, so möge nach der Erweisung dieses Umstandes der competente Richter den Bescheid geben, dass die Sache nach der bei ihr eintretenden Billigkeitsrücksicht, wieder in die frühere Lage gesetzt3939Also der Schuldner nur zur Bezahlung dessen, was er wirklich schuldig ist, verurtheilt werde. werde. 3Wenn Jemand das, was er seinem Gegner [in der That] nicht schuldig war, nach der von diesem geschehenen Anweisung [an eine andere Person, um dieser die Zahlung zu leisten] durch Gewalt unter Dazwischenkunft der Untergebenen des Vorstehers [der Provinz], ohne Untersuchung von Seiten des Richters, zu bezahlen gezwungen worden ist, so möge der Richter den Befehl geben, dass das gegen die Gebühr Erpresste von demjenigen, der diesen Vermögensverlust veranlasst haben sollte, zurückerstattet werde. Wenn [der Schuldner] seine Schulden auf einfachen Befehl [des Vorstehers der Provinz] und ohne vorgängige Untersuchung bezahlt hat, so ist es, obwohl eigentlich die Eintreibung der Schuld nicht auf ausserordentliche Weise, sondern nach Vorschrift der Gesetze (civiliter) geschehen musste, doch unziemlich (incivile) dasjenige, wodurch die Bezahlung der wirklich von des Schuldners Seite schuldigen Summe bewirkt wurde, nachher [als ungültig] zu widerrufen.