De in integrum restitutionibus
(Von den Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand.)
1Ulp. lib. XI. ad Ed. Der Nutzen dieses Titels bedarf keiner Anpreisung, denn er11Dieses er müsste dem Texte nach, da sich durchgängig die Lesart ipse findet, nicht auf das Wort Nutzen, sondern auf Titel bezogen werden. zeigt sich selbt. Unter diesem Titel nämlich kommt der Prätor auf mehrfache Weise [in Irrthum] gefallenen oder beeinträchtigten Menschen zu Hülfe, sie mögen durch Furcht, oder Liest, oder [unmündigen] Alters oder Abwesenheits halber in Nachtheil verfallen sein,
3Modestin. lib. VIII. Pandect. Alle Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand22In integrum restitutio ist im Allgemeinen ein ausserordentliches Rechtsmttel, vermöge dessen eine Person in ihre frühere Rechtslage zurückversetzt wird. Paulus sagt Sent. recept. lib. I. tit. VII. c. 1. integri restitutio est redintegrandae rei vel causae actio. werden vom Prätor nach vorgängiger Untersuchung der Ursache versprochen, so dass er nämlich die Rechtmässigkeit derjenigen Ursachen, [und] ob sie wahr sind, untersucht, aus welchen er Einzelnen zu Hilfe kommt.
4Callistrat. lib. I. Ed. Monitorii. Ich weiss, dass es von Einigen in Obacht genommen wird, es solle wegen einer gar zu geringen Sache oder Summe, wenn dabei eine grössere Sache oder Summe beeinträchtiget werde, derjenige nicht gehört werden, welcher wieder in den vorigen Stand eingesetzt zu werden verlangt.
5Paul. lib. VII. ad Ed. Ad Dig. 4,1,5 pr.ROHGE, Bd. 14 (1875), Nr. 40, S. 110: Vermengung verschiedener Pfandobjecte desselben und verschiedener Gläubiger.Niemand ist für ausgeschlossen von seinem Eigenthume [oder Klagrechte33Es erklärt nämlich Dion. Gothofredus hier re durch rei actione.] zu halten, welchem der Prätor Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verspricht44Die Lesart pollicetur, welche auch Beck hat, scheint besser als polliceatur..
6Ulp. lib. XIII. ad Ed. Nicht allein eines Minderjährigen, sondern auch derjenigen, welche des Staates wegen abwesend waren, desgleichen aller derer, welche selbst die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangen konnten, Nachfolger können in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden; so ist es sehr oft festgesetzt worden. Es mag also der Erbe sein, oder der, welchem die Erbschaft [vom Erben] ausgehändigt worden ist, oder der Nachfolger eines Sohnes, welcher Soldat war, so wird er in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden können. Hiernächst wird auch, wenn eine minderjährige Person in die Sclaverei gerathen oder Sclavin werden sollte, den Herren derselben die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, jedoch nicht über die festgesetzte Zeit hinaus55Non tamen ultra tempus statutum nach der Ausgabe von Beck., gegeben werden. Aber auch, wenn etwa eine solche minderjährige Person66Dieser Ausdruck ist zu gebrauchen, weil hier auch das weibliche Geschlecht in Berücksichtigung kommt. hinsichtlich der Erbschaft, die sie angetreten hat, in Nachtheil versetzt worden ist, kommt dem Herrn derselben, wie Julianus im 17. Buche der Digesten schreibt, die Befugniss, sich von der Erbschaft loszusagen, nicht allein vermöge der Begünstigung des [unreifen] Alters [jener Person], sondern auch selbst dann zu, wenn dieses Alter keine Begünstigung gewährte, weil sie [die Herren] von der Begünstigung durch die Gesetze [in diesem Falle] nicht zur Erlangung der Erbschaft, sondern zur Bestrafung [der Undankbarkeit77Es ist nämlich nach den Auslegern hier an den Fall zu denken, wo eine freigelassene Person wegen Undankbarkeit gegen ihren Freilasser in die Sclaverei zurückfällt (cf. const. 2. Cod. de libertis et eorum liberis VI. 7.)], Gebrauch gemacht haben.
7Marcell. lib. III. Digest. Der höchstselige Antoninus hat an den Prätor Marcius Avitus rücksichtlich des demjenigen, welcher in seiner Abwesenheit Vermögensverlust erlitten hat, zu leistenden Beistandes ein Rescript des Inhalts erlassen: Obschon an den [einmal festgesetzten] Formalitäten nicht leicht etwas zu ändern ist, so muss man doch da, wo es eine augenscheinliche Billigkeit verlangt, zu Hülfe kommen; demnach kann, wenn der vor Gericht Geladene [auf die Klage] nicht geantwortet hat und deshalb gegen ihn nach hergebrachter Weise gesprochen worden ist, er aber sogleich an dich, da du noch auf dem Tribunal sassest, sich wendete, angenommen werden, dass er nicht aus eigener Fahrlässigkeit, sondern wegen nicht vernommener Stimme des Herolds (Vorladers), aussen geblieben sei; und aus diesem Grunde kann er in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden. 1Ad Dig. 4,1,7,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 118, Note 6.Es beschränkt sich aber eine solche Hülfeleistung nicht auf diese Fälle; vielmehr wird auch den ohne eigene Schuld Betrogenen, zumal wenn der Betrug vom Gegner ausgegangen sein sollte, Beistand geleistet werden müssen, da ja auch [für diesen Fall] die actio de dolo malo Statt zu finden pflegt. Auch kommt es einem guten Prätor mehr zu, den Rechtsstreit wieder in seine frühere Lage zu versetzen, wie es nicht nur die Vernunft, sondern auch die Billigkeit88Et ratio et aequitas. Ratio könnte hier vielleicht durch strenge Rechtsansicht, aequitas durch Billigkeitsgefühl übersetzt werden. verlangen wird, als eine infamirende Klage zu gewähren, zu welcher man sich erst dann herablassen muss, wenn ein [anderes] Hülfsmittel nicht Platz ergreifen kann.
8Macer. lib. II. de Apellat. Zwischen solchen, die noch nicht 25 Jahre alt sind, und den des Staates wegen Abwesenden findet der Unterschied Statt, dass jene Minderjährigen, [und zwar] selbst diejenigen unter ihnen, die durch Vormünder oder Curatoren vertheidigt worden sind, nichts desto weniger gegen den Staat99Contra rempublicam, d. h. im Widerspruche eigentlich mit denjenigen Rechtsvorschriften, welche der römische Staat für ähnliche Fälle als Regel aufgestellt hat. in den vorigen Stand wieder eingesetzt werden, nämlich nach Untersuchung der Ursache; demjenigen aber, welcher des Staats wegen abwesend ist, wie auch den Uebrigen, die als in derselben Lage befindlich angesehen werden, wenn sie durch ihre Procuratoren vertheidigt worden sind, in soweit durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Hülfe geleistet zu werden pflegt, dass ihnen zu appelliren gestattet wird.