De eo qui pro tutore prove curatore negotia gessit
(Von dem, welcher als Protutor1, oder als Procurator Geschäfte geführt hat.)
1Protutor heisst in den Pandecten: 1) wer ohne Vormund zu sein, sich den Geschäften eines Pupillen, in der Absicht, sie als Vormund zu führen, sei es in bösem oder in gutem Glauben, unterzieht. 2) Wer zwar Vormund ist, jedoch ohne dies zu wissen, die Geschäfte des Mündels führt. 3) Wer, nachdem er aufgehört hat Vormund zu sein, doch noch Geschäfte des Mündels führt. Diese Bedeutungen ergeben sich aus dem folgenden Titel, (in welchem jedoch nicht das Substantiv protutor gebraucht, sondern nur pro tutore gerere gesagt wird,) und dieselben Bedeutungen sind auch auf den Procurator im Verhältniss zum Minderjährigen anzuwenden. S. v. Glück a. a. O. S. 293. ff. Deutsche Ausdrücke für diese Begriffe fehlen ganz und gar.
1Ulp. lib. XXXVI. ad Ed. Die Protutel-Klage hat der Prätor nothgedrungen aufgestellt; denn weil es gewöhnlich ungewiss ist, ob Jemand als Vormund, oder aber gleich als wäre er Vormund, als Protutor die Vormundschaft verwaltet habe, deshalb hat er für beide Fälle eine Klage gegeben, damit der, welcher die Vormundschaft geführt hat, mag er nun wirklich Vormund sein, oder möge er es nicht sein, doch auf eine Klage gehalten wäre. Es pflegen nämlich grosse Irrthümer vorzukommen, dass man nicht leicht unterscheiden kann, ob Jemand Vormund gewesen sei, und so die Vormundschaft geführt habe, oder aber es nicht gewesen sei, jedoch als Protutor das Amt verwaltet habe. 1Der aber führt als Protutor die Geschäfte, welcher bei einer Angelegenheit eines Unmündigen das Amt eines Vormunds versieht, möge er sich für den Vormund halten, oder mag er wissen, dass er es nicht sei, sich jedoch so stellen, als sei er es. 2Deshalb hat der höchstselige Severus rescribirt, dass auch, wenn ein Sclav, gleich als wäre er Vormund, gehandelt habe, gegen den Herrn eine analoge Klage zu geben sei. 3Es ist kein Zweifel, dass gegen den, welcher als Protutor die Geschäfte geführt hat, auch vor der Mündigkeit [des Pflegbefohlenen] geklagt werden könne, weil er nicht Vormund ist. 4Deshalb wird der, welcher, nachdem die Vormundschaft beendigt ist, die Geschäfte des Unmündigen als Protutor geführt hat, gehalten sein. 5Aber auch wenn er früher als Protutor, sodann als [wirklicher] Vormund verwaltet haben sollte, so wird er auf gleiche Weise wegen dessen gehalten sein, was er als Protutor verwaltet hat, obwohl diese Verrichtung zum Gegenstand der Vormundschaftsklage wird. 6Wenn Jemand die Geschäfte eines solchen, der schon mündig ist, und keinen Vormund mehr haben kann, gleich als wäre er Vormund, geführt hat, so fällt die Protutelklage weg; auf gleiche Weise auch, wenn er die Geschäfte eines solchen, der noch nicht geboren ist, [so geführt hat;] denn damit Jemand als Protutor [Geschäfte] führe, muss [der Pflegbefohlene] eine solche Person sein, dass das Alter derselben einen Vormund zulässt, das heisst, er muss unmündig sein; aber es wird die Geschäftsführungsklage Statt finden. 7Wenn der einem Unmündigen vom Prätor bestellte Curator die Geschäfte geführt haben wird, so fragt es sich, ob er, gleich als ob er sie als Protutor geführt hätte, gehalten sei, und es ist richtiger, dass diese Klage wegfalle, weil er das Amt eines Curators versehen hat. Wenn jedoch Jemand, da er nicht Vormund war, vom Prätor oder Präses genöthigt, indem er glaubt, dass er Vormund sei, die Vormundschaft geführt haben sollte, so ist zu untersuchen, ob er als Protutor gehalten sei; und es ist mehr dafür, dass er, obwohl er genöthigt, [die Geschäfte] geführt hat, doch gehalten sein müsse, weil er [sie] mit der Absicht, als Vormund zu handeln, geführt, da er nicht Vormund war. Aber jener Curator hat die Geschäfte nicht gleich als wäre er Vormund, sondern gleich als wäre Curator, geführt. 8Bei der Protutelklage kommen auch Zinsen in Betracht. 9Aber ob er wohl nur für das, was er ausgeführt hat, gehalten sein wird, oder aber auch für das, was er hätte ausführen sollen? Und wenn er sich überhaupt der Vormundschaft gar nicht unterzogen hat, so wird er nicht gehalten sein; denn es hat ja der, welcher nicht Vormund gewesen ist, sich [derselben] gar nicht unterziehen sollen. Wenn er aber einige [Geschäfte] geführt hat, so ist zu untersuchen, ob er auch wegen der Geschäfte, welche er nicht geführt hat, gehalten sei? Und er wird insoweit gehalten sein, wenn sie ein Anderer geführt haben würde; aber auch wenn er, nachdem er erfahren hatte, dass er nicht Vormund gewesen ist, sich der Verwaltung enthalten hat, so wollen wir sehen, ob er gehalten sei, wenn er die nächsten Verwandten des Mündels nicht benachrichtigt hat, damit sie für denselben einen Vormund erbitten möchten; und das ist richtiger.
2Cels. lib. XXV. Dig. Wenn der, welcher als Protutor die Geschäfte führte, da er nicht Vormund war, eine Sache des Mündels verkauft hat, und dieselbe [vom Käufer] nicht ersessen worden ist, so wird der Mündel dieselbe fordern, obgleich demselben [vom Protutor] Sicherheit bestellt worden ist; denn es hat ein solcher nicht dieselbe Verwaltung der Sachen des Mündels, wie ein Vormund.
3Javolen. lib. V. Epist. Ich frage, ob der, welcher, da er im Testament zum Vormund ernannt war, und gerade dies nicht wusste, die Geschäfte des Mündels als Protutor geführt hat, gleich als ob er Vormund wäre, oder gleich als ob er die Geschäfte als Protutor geführt hätte, gehalten sei? Ich habe das Gutachten ertheilt: Ich glaube nicht, dass er gleich, als ob er Vormund wäre, gehalten sei, weil [ein wahrer Vormund] auch wissen muss, dass er Vormund sei, damit er die Geschäfte mit derselben Gesinnung führe, mit welcher sie ein Vormund führen muss.
4Pompon. lib. XVI. ad Q. Muc. Wer als Protutor die Geschäfte führt, steht für dieselbe Redlichkeit und Beflissenheit, für welche der Vormund stehen würde.