Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 26 übersetzt von Hunger unter Redaction von Otto
Dig. XXVI6,
Qui petant tutores vel curatores et ubi petantur
Liber vicesimus sextus
VI.

Qui petant tutores vel curatores et ubi petantur

(Von denen, welche um Vormünder oder Curatoren nachsuchen müssen, und wo dies geschehen soll1.)

1Was tutores petere heisse, zeigt v. Glück XXX. S. 79.

1Mo­des­ti­nus li­bro sep­ti­mo dif­fe­ren­tia­rum. Ma­tris sol­li­ci­tu­do in pe­ten­dis fi­lio tu­to­ri­bus, non et­iam cu­ra­to­ri­bus ob­ser­va­tur, ni­si quo ca­su im­pu­be­ri cu­ra­tor pe­ten­dus est.

1Modestin. lib. VII. Different. Es ist Pflicht der mütterlichen Sorgfalt, für ihren Sohn um Vormünder, nicht auch um Curatoren nachzusuchen; es müsste denn ein Fall sein, wo man für einen Unmündigen um einen Curator nachsuchen muss.

2Idem li­bro pri­mo ex­cu­sa­tio­num. Ἐὰν οἱ ἀφήλικες μὴ ἔχωσι τοὺς ἐκ τῶν νόμων κηδεμόνας, ἐὰν μὲν ἐπιτρόπων δέωνται διὰ τὴν ἡλικίαν, δύνανται αἰτῆσαι αὐτοῖς ἐπιτρόπουσ κατασταθῆναι οἵ τε συγγενεῖς καὶ οἱ κατ’ ἐπιγαμίαν οἰκεῖοι γονέων ἀρρένων τε καὶ θηλειῶν· δύνανται καὶ φίλοι τῶν γονέων καὶ τροφεῖς αὐτῶν τῶν παίδων τοῦτο αἰτῆσαι. 1Οἱ μὲν οὖν ἄλλοι ἐκ προαιρέσεως αἰτοῦσιν ἐπιτρόπουσ· εἰσὶ δέ τινες οἷς ἐπάναγκές ἐστιν αἰτεῖν ἐπιτρόπους, οἷον μήτηρ καὶ ἀπελεύθεροι· ἐκ τούτων γὰρ αἳ μὲν ζημιοῦνται, οἳ δὲ καὶ κολάζονται, ἐὰν μὴ αἰτήσωσι τοὺς ἐκ τῶν νόμων κηδεμόνας. ἡ μὲν γὰρ μήτηρ ἐξελαύνεται τῆς τοῦ παιδὸς νομίμου κληρονομίας, ὡς οὖσα ἀναξία λαβεῖν κλῆρον νόμιμον, μὴ φροντίσασα αὐτῷ κατασταθῆναι ἐπίτροπον. καὶ οὐ μόνον ἐὰν μὴ αἰτήσῃ, ἀλλὰ καί, ὃν ἂν αἰτήσῃ, ὁσίας χάριν αἰτήσῃ τὸν ἀφεθῆναι δυνάμενον, εἶτα ἀφεθέντος αὐτοῦ ἢ καὶ ἀποβληθέντος ἄλλον μὴ αἰτήσῃ πάλιν, ἢ ἐξεπίτηδες κακοὺς αἰτήσῃ. ἀπελεύθεροι δὲ ἐκ τούτων τῶν αἰτιῶν κατηγορηθέντες ἐπὶ τοῦ ἡγουμένου κολάζονται ἐπιστρεφῶς, ἐὰν φαίνωνται ἢ δι’ ἀμέλειαν ἢ διὰ κακίαν μὴ ᾐτηκότες. 2Τὰ δὲ περὶ τῆς μητρὸς προειρημένα δηλοῦται ἐν ἐπιστολῇ Σεβήρου, ἧς τὰ ῥήματα ὑποτέτακται. ‘Di­vus Se­ve­rus Cus­pio Ru­fi­no. om­nem me ra­tio­nem ad­hi­be­re sub­ve­nien­dis pu­pil­lis, cum ad cu­ram pu­bli­cam per­ti­neat, li­que­re om­ni­bus vo­lo. et id­eo quae ma­ter vel non pe­tie­rit tu­to­res ido­neos fi­liis suis vel prio­ri­bus ex­cu­sa­tis re­iec­tis­ve non con­fes­tim alio­rum no­mi­na de­de­rit, ius non ha­beat vin­di­can­do­rum si­bi bo­no­rum in­tes­ta­to­rum fi­lio­rum’. 3Ἐὰν μέντοι τις ἢ δανειστὴς ἢ λεγατάριος ἢ ἂλλην ἀναγκαίαν ἔχῃ πρὸς τὸν ὀρφανὸν σύστασιν, αὐτὸς μὲν οὐκ αἰτήσει ἐπίτροπον τῷ ὀρφανῷ, ἀλλὰ τοὺς αἰτεῖν δυναμένους ἀξιώσει αἰτῆσαι, ἢ ἐὰν οὗτοι ἀποκνήσωσι, τότε προσελθὼν τῷ ἡγουμένῳ αὐτὸ τοῦτο ἐρεῖ, ἵνα κατασταθέντος ἐπιτρόπου νομίμου ἡ πρὸς τὸν ὀρφανὸν γένηται σύστασις. 4Ταῦτα μὲν περὶ ἐπιτρόπων· κουράτορας δὲ ἑαυτοῖς αἰτήσουσιν οἱ ἀφήλικες, ἐὰν μὲν παρῶσι, δι’ ἑαυτῶν· ἐὰν δὲ ἀποδημῇ τις αὐτῶν, αἰτήσει διὰ φροντιστοῦ. 5Εἰ δὲ ἄλλος αἰτῆσαι κουράτορα δύναται τῷ ἀφήλικι, ἐζητήθη. καὶ Οὐλπιανὸς ὁ κράτιστος οὕτως γράφει, ὡς δέον ἄλλον αὐτῷ μὴ αἰτεῖν, ἀλλὰ αὐτὸν ἑαυτῷ, et apud Pau­lum li­bro no­no re­spon­so­rum ita re­la­tum est cu­ra­to­rem igno­ran­te nec man­dan­te pu­pil­la non rec­te ei a tu­to­re pe­ti­tum vi­de­ri pe­ri­cu­lum­que eo­rum, quae cu­ra­tor non iu­re da­tus ges­sit, non si­ne ra­tio­ne eum qui pe­tit co­gen­dum agnos­ce­re. et alia par­te eius­dem li­bri ita re­spon­dit, si ma­tris iu­di­cium prin­ceps se­cu­tus cu­ra­to­res fi­liae eius de­dit, pe­ri­cu­lum ad­mi­nis­tra­tio­nis eo­rum eam re­spi­ce­re de­be­re. 6Οἱ ὁπωσοῦν ἀφεθέντες δι’ ex­cu­sa­t­io­nos τῆς ἐπιτροπῆς ἀνάγκην οὐκ ἔχουσιν αἰτεῖν τοῖς ὀρφανοῖς ἐπίτροπον, ὥς φησι Σεβήρου καὶ Ἀντωνίνου διάταξις.

2Idem lib. I. Excus. Wenn Minderjährige (Unmündige) nicht schon gesetzlich bestimmte Vormünder haben, so können, wenn das Alter Tutoren erfordert, um solche (Vormünder) Personen beiderlei Geschlechtes, welche mit den Eltern [der Unmündigen] durch Blutsverwandschaft und Schwägerschaft in näherem Verhältnisse standen, nachsuchen. Es können auch Freunde der Eltern und Erzieher dieser Kinder um Vormünder nachsuchen. 1Bei Einigen ist es daher ihrem freien Willen anheimgestellt, um Vormünder nachzusuchen, Anderen liegt die Nothwendigkeit, dies zu thun, ob, wie der Mutter, dem Freigelassenen. Von diesen Letzteren erfährt jene blos einen Nachtheil, diese aber verfallen einer Strafe, wenn sie es unterliessen, um Vormünder nach gesetzlicher Bestimmung nachzusuchen. Es verliert nämlich die Mutter das gesetzliche Beerbungsrecht ihres Kindes, indem sie durch ihre Nachlässigkeit, um einen Vormund anzuhalten, für unwürdig erscheint, gesetzliche Erbin desselben zu werden. Aber dies tritt ein, nicht nur wenn sie es ganz unterliess, um einen Vormund nachzusuchen, sondern auch dann, wenn sie zwar des äusseren Scheins wegen22Das griechische ὁσιας χαριν ist zwar in der versio vulgata (von Burgundie) mit puritatis gratia übersetzt, allein dies ist absurd. Augustinus setzt dafür defunctorie, was obenhin, auf eine nachlässige Art etc. bedeutet. S. v. Glück a. a. O. S. 84. Anm. 70. [um gerechtfertigt zu erscheinen,] um einen Vormund, der aber verworfen werden konnte, nachsuchte, und darauf nach erfolgter Verwerfung und Zurückweisung nicht wieder um einen Anderen oder geflissentlich um schlechte Menschen nachsuchte. Werden aber Freigelassene aus dieser Veranlassung beim Prätor angeklagt, so ist ihre Strafe, verkauft zu werden, wenn es erwiesen ist, dass sie aus Saumseligkeit oder Bosheit dies zu thun unterliessen. 2Was aber von der Mutter gesagt wurde, das steht deutlich in dem Briefe des göttlichen Severus. Seine Worte sind folgende: Der göttliche Severus dem Cuspius Rufinus [seinen Gruss]: Nach meinem Willen soll es Allen bekannt werden, dass ich allen meinen Verstand aufbiete, Unmündigen meinen Beistand zu gewähren, da dies Gegenstand der Staatsfürsorge ist. Deshalb soll jeder Mutter, welche nicht um tüchtige Vormünder für ihre Kinder nachsuchte, oder die nicht sogleich Andere vorschlägt, wenn die früheren sich entschuldigten oder verworfen wurden, das Recht entzogen sein, gesetzliche Erbin ihrer Kinder zu werden, wenn diese ohne eine Verfügung über ihr Vermögen sterben. 3Wenn aber ein Anderer entweder ein Gläubiger33θανειστης ist creditor, nicht foenerator, wie die versio vulgata gibt. oder Vermächtnissnehmer, oder sonst Jemand, dem eine Rechtsverfolgung gegen den Mündel zusteht, vorhanden ist, so muss zwar dieser selbst um keinen Vormund für den Unmündigen nachsuchen, sondern er soll die dazu Befähigten auffordern; unterliessen sie es dennoch, dann darf er zu dem Präses gehen und unmittelbar darauf dringen, dass gesetzlich ein Vormund bestellt werde, um sodann gegen den Unmündigen die Rechtsverfolgung anheben zu können. 4Soviel von den Tutoren. Um Curatoren aber können Minderjährige selbst für sich nachsuchen, und zwar in eigener Person, wenn sie gegenwärtig sind, durch einen Stellvertreter bei ihrer Abwesenheit. 5Es war aber die Frage, ob auch ein Anderer um einen Curator für einen Minderjährigen nachsuchen könne? Der treffliche Ulpianus schreibt darüber so: Ein Anderer dürfe dies nicht, sondern er selbst müsse darum für sich nachsuchen. Bei Paulus wird im neunten Buche seiner Responsa darüber Folgendes vorgebracht: Ohne Vorwissen und Auftrag des Pflegbefohlenen kann der Vormund nicht mit Recht für diese um einen Curator nachsuchen, und die Verantwortlichkeit für die Geschäfte, welche der nicht rechtlich bestellte Curator besorgte, gehe ganz vernünftiger Weise auf den [Vormund] über, welcher um ihn nachsuchte. An einem andern Orte desselben Buches ertheilt er diese Antwort: Wenn der Herrscher, sich auf das mütterliche Urtheil verlassend, ihrer Tochter Curatoren gibt, so müsse die Verantwortlichkeit wegen der Verwaltung derselben die Mutter treffen. 6Die, welche auf was immer für eine Weise als entschuldigt von der Vormundschaft[sführung] entlassen wurden, haben nicht nöthig, für die Mündel um einen Vormund nachzusuchen, wie dies eine Verordnung des göttlichen Severus und Antoninus ausspricht.

3Pau­lus li­bro de­ci­mo re­spon­so­rum. De­cre­to de­cu­rio­num et ip­sum ma­gis­tra­tum cu­ra­to­rem da­ri po­tuis­se re­spon­di.

3Paul. lib. X. Resp. Meine Antwort war, dass nach einer Entscheidung der Decurionen selbst eine obrigkeitliche Person zum [Vormund oder] Curator bestellt werden könne.

4Try­pho­ni­nus li­bro ter­tio de­ci­mo dis­pu­ta­tio­num. Cre­den­dum est et eam ma­trem con­sti­tu­tio­ne con­ti­ne­ri, quae a pa­tre non le­gi­ti­me tu­to­res tes­ta­men­to vel co­di­cil­lis da­tos fi­liis im­pu­be­ri­bus non pos­tu­la­vit de­cre­to con­fir­ma­ri. 1Sin au­tem ido­neis da­tis tu­to­ri­bus plu­ri­bus unus eo­rum vel de­ces­sit vel tem­po­ra­lem ex­cu­sa­tio­nem ac­ce­pit, ma­ter, quae prop­ter­ea in lo­co il­lius alium non pe­tit, quia nu­me­rus re­li­quo­rum ad­mi­nis­tra­tio­ni tu­te­lae suf­fi­cie­bat, in­ci­dit qui­dem in ver­ba con­sti­tu­tio­nis, sed sen­ten­tia ex­cu­sa­tur. 2Sed si su­spec­to tu­to­re pu­pil­li ac­cu­sa­to de­cre­tum erit ei ad­iun­gi alios, ma­ter eos quo­que pe­te­re de­bet et, si non pe­tit, in­ci­det in sen­ten­tiam con­sti­tu­tio­nis. 3Haec au­tem ma­ter ab om­ni qui­dem bo­no­rum vin­di­ca­tio­ne in­tes­ta­to­rum fi­lio­rum re­pel­li­tur. si ve­ro ma­ri­tus ei fi­dei­com­mis­sum a fi­lio re­li­que­rit, cui mu­lier non pe­tit tu­to­rem, ‘si si­ne li­be­ris de­ces­se­rit’, vel sub hac ip­sa con­di­cio­ne ‘si in­tes­ta­tus mor­tuus erit’, fi­dei­com­mis­si pe­ti­tio, quae ex alie­no iu­di­cio de­scen­dit, non est per­emp­ta. 4Quae au­tem su­spec­tum tu­to­rem non fe­cit, nec ver­bis nec sen­ten­tia con­sti­tu­tio­nis in poe­nam in­ci­dit, quod eius­mo­di fac­ta di­iu­di­ca­re et aes­ti­ma­re vi­ri­lis ani­mi est et pot­est et­iam de­lic­ta igno­ra­re ma­ter, sa­tis­que est eam pe­tis­se ta­lem, qui in­qui­si­tio­ne per prae­to­rem ha­bi­ta ido­neus ap­pa­ruit. et id­eo nec iu­di­cium eius suf­fi­cit ad eli­gen­dos tu­to­res, sed in­qui­si­tio fit, et­iam­si ma­xi­me in bo­na pro­pria li­be­ris suis tes­ta­men­to tu­to­res de­de­rit.

4Tryphonin. lib. XIII. Disput. Bestimmt ist auch jene Mutter in der Verordnung enthalten, welche nicht die Bestätigung der Vormünder, welche ein Vater seinen unmündigen Kindern in einem Testamente oder Codicillen nicht auf die gesetzliche Weise gab, in Folge eines Decretes verlangte. 1Wurden aber mehrere tüchtige Vormünder bestellt, und einer davon starb, oder wurde zeitig entschuldigt, so verfällt die Mutter, welche deswegen, weil die Zahl der übrigen zur Verwaltung der Vormundschaft hinreichte, an die Stelle des fehlenden keinen anderen verlangte, zwar den Worten der Verordnung nach in Strafe, aber nach den Sinne derselben findet sie Entschuldigung44Nicht dagegen streitet L. 2. §. 39. D. ad Sct. Tertull., wie schon die Glosse zeigt, welche an die Worte Ulpians, et puto imputandum, die Bemerkung knüpft nisi cum reliqui sufficiunt administrationi. Vgl. Ant. Schult. not. ad Digest. ad k. t. (T. IV.. 2Wurde ein Vormund als verdächtig angeklagt und hierin entschieden, es sollen noch Andere ihm beigefügt werden, so muss die Mutter auch um diese nachsuchen; unterlässt sie dies, so verfällt sie nach dem Sinne der Verordnung in Strafe. 3Eine solche Mutter aber verliert alle Ansprüche auf das Vermögen ihrer Kinder, wenn diese ohne Testament sterben. Hinterliess ihr aber ihr Mann ein von dem Sohne, für welchen sie keinen Vormund erbat, [zu leistendes] Fideicommiss unter der Bedingung, wenn dieser ohne Kinder stürbe, oder unmittelbar so, wenn er ohne Testament stürbe, so sind ihre Ansprüche auf das Fideicommiss nicht vernichtet, weil diese auf einer anderen Willensbestimmung [des Erblassers] beruhen. 4Aber die Mutter, welche einen Vormund nicht als verdächtig darstellte, verfällt weder den Worten, noch dem Sinne der Verordnung nach in Strafe; denn dergleichen Handlungen zu beurtheilen und abzuschätzen, dazu wird ein Mannscharakter erfordert; es wird auch einer Mutter nicht zugemuthet, zu wissen, was Vergehungen sind, und es ist genug, wenn sie um einen Vormund nachgesucht hat, der nach der vom Prätor angestellten Untersuchung für tüchtig befunden wurde. Es reicht deshalb auch ihre Beurtheilungskraft nicht hin, um Vormünder zu wählen, sondern es erfolgt eine Untersuchung auch dann, wenn sie ihren leiblichen Kindern ihr eigenes Vermögen [hinterlässt] und darüber testamentarische Vormünder bestellte.