Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 26 übersetzt von Hunger unter Redaction von Otto
Dig. XXVI4,
De legitimis tutoribus
Liber vicesimus sextus
IV.

De legitimis tutoribus

(Von den gesetzlichen Vormündern.)

1Ul­pia­nus li­bro quar­to de­ci­mo ad Sa­binum. Le­gi­ti­mae tu­te­lae le­ge duo­de­cim ta­bu­la­rum ad­gna­tis de­la­tae sunt et con­san­gui­neis, item pa­tro­nis, id est his qui ad le­gi­ti­mam he­redi­ta­tem ad­mit­ti pos­sint: hoc sum­ma pro­vi­den­tia, ut qui spe­ra­rent hanc suc­ces­sio­nem, idem tue­ren­tur bo­na, ne di­la­pi­da­ren­tur. 1In­ter­dum ali­bi est he­redi­tas, ali­bi tu­te­la, ut pu­ta si sit con­san­gui­nea pu­pil­lo: nam he­redi­tas qui­dem ad ad­gna­tam per­ti­net, tu­te­la au­tem ad ad­gna­tum. item in li­ber­ti­nis, si sit pa­tro­na et pa­tro­ni fi­lius: nam tu­te­lam pa­tro­ni fi­lius, he­redi­ta­tem pa­tro­na op­ti­ne­bit: tan­tun­dem­que erit et si sit pa­tro­ni fi­lia et ne­pos. 2Si apud hos­tes sit fra­ter, in­fe­rio­ris gra­dus ad­gna­to tu­te­la non de­fer­tur: nam et si pa­tro­nus apud hos­tes sit, pa­tro­ni fi­lio tu­te­la non de­fer­tur: sed in­ter­im a prae­to­re da­tur. 3In­ter­dum au­tem et­iam si­ne he­redi­ta­te tu­te­la de­fer­tur, in­ter­dum he­redi­tas si­ne tu­te­la, ut pu­ta in eo qui la­ti­ta­vit, cum ser­vum suum ro­ga­tus es­set ma­nu­mit­te­re: nam ge­ne­ra­li­ter di­vus Pius re­scrip­sit Aure­lio Bas­so ius pa­tro­ni eum non ha­be­re, his ver­bis: ‘pla­ne ter­gi­ver­sa­tio eo­rum, qui sub­ver­te­re fi­dei­com­mis­sam li­ber­ta­tem ve­lint, eo mo­do pu­nia­tur, ne ius pa­tro­ni ad­quirant in eo, quem li­be­rum es­se no­lunt’. idem erit, si fi­liae ad­sig­na­tus li­ber­tus sit: tu­te­la qui­dem apud fra­tres re­ma­ne­bit, ut Mar­cel­lus no­tat, le­gi­ti­ma au­tem he­redi­tas ad so­ro­rem per­ti­ne­bit.

1Ulpian. lib. XIV. ad Sabin. Die gesetzlichen Vormundschaften wurden nach dem Zwölftafelgesetze den Agnaten und vatergleichen (Geschwistern) Brüdern, ebenso den Freilassern, d. i. denen zugewiesen, an welche die gesetzliche Beerbung gelangen kann. Dies zeigt von hoher Einsicht, auf dass die, welche die Erbfolge erwarteten, das Vermögen beschützten, damit es nicht verschleudert würde. 1Bisweilen befindet sich die Erbschaft in andern Händen, als die Vormundschaft, wie wenn der Mündel eine vatergleiche11Siehe Collat. leg. Mos. et Rom. XVI. §. 3. (Schult. Jur. Antejurist. S. 797.) und Cujacius Abh. XI. 26., wo er, den Accursius zurechtweisend, auch lehrt, dass die Consanguinei nichts Anderes als die nächsten Agnaten sind. Schwester hat; denn es kommt zwar die Erbschaft an die Agnatin, aber an den Agnaten die Vormundschaft. Ebenso ist es auch bei den Freigelassenen, wenn die Frau und der Sohn des Freilassers da sind. Denn die Vormundschaft wird der Sohn, die Erbschaft die Frau des Freilassers, erhalten. Dasselbe wird der Fall sein, wenn eine Tochter und ein Enkel des Freilassers vorhanden sind. 2Wenn der Bruder in feindlicher Gewalt ist, so wird nicht einem entferntern Agnaten die Vormundschaft zugewiesen; denn wenn der Freilasser in feindlicher Gewalt ist, so kommt auch nicht die Vormundschaft an dessen Sohn, sondern es wird inzwischen vom Prätor ein Vormund bestellt. 3Bisweilen wird die Vormundschaft ohne Erbschaft, bisweilen die Erbschaft ohne Vormundschaft zugewiesen, wie dies bei dem der Fall ist, der sich verbarg, da er ersucht wurde, seinen Sclaven frei zu lassen. Denn es rescribirte der höchstselige Pius an den Aurelius Bassus im Allgemeinen: ein Mensch [der sich, um nicht seinen Sclaven frei lassen zu können, verbarg] solle nicht das Recht des Freilassers haben. Seine Worte sind: Die betrügliche Absicht solcher Leute, welche eine fideicommissarisch ertheilte Freiheit dadurch vernichten wollen, soll damit bestraft werden, dass sie über den, welchen sie nicht in Freiheit setzen wollen, sich keine Patronatsrechte erwerben. Dasselbe wird auch da eintreten, wenn einer Tochter ein Freigelassener [adsignirt] wurde. Die Vormundschaft wird zwar, nach Marcellus Bemerkung, bei den Brüdern verbleiben, die gesetzliche Erbschaft aber an die Schwester kommen.

2Idem li­bro tri­ge­si­mo sep­ti­mo ad Sa­binum. Le­gi­ti­mam tu­te­lam ca­pi­tis de­mi­nutio­ne pu­pil­li et­iam ea, quae sal­va ci­vi­ta­te con­tin­git, amit­ti nul­la du­bi­ta­tio est.

2Idem lib. XXXVII. ad Sabin. Ohne Zweifel geht die gesetzliche Vormundschaft durch eine Veränderung des bürgerlichen Zustandes von Seiten des Mündels verloren, auch wenn dies ohne Verlust des Bürgerrechts geschieht.

3Idem li­bro tri­ge­si­mo oc­ta­vo ad Sa­binum. Tu­te­la le­gi­ti­ma, quae pa­tro­nis de­fer­tur e le­ge duo­de­cim ta­bu­la­rum, non qui­dem spe­cia­li­ter vel no­mi­na­tim de­la­ta est, sed per con­se­quen­tias he­redi­ta­tium, quae ex ip­sa le­ge pa­tro­nis da­tae sunt. 1Er­go ma­nu­mis­sor ex le­ge duo­de­cim ta­bu­la­rum tu­tor est, si­ve spon­te ma­nu­mi­sit si­ve et­iam com­pul­sus ex cau­sa fi­dei­com­mis­si ma­nu­mi­sit. 2Sed et si hac le­ge emit, ut ma­nu­mit­te­ret, et ex con­sti­tu­tio­ne di­vi Mar­ci ad Au­fi­dium Vic­to­ri­num per­ve­nit ad li­ber­ta­tem, di­cen­dum est tu­to­rem es­se. 3Pla­ne si for­te ex Ru­bria­no se­na­tus con­sul­to per­ve­ne­rit ad li­ber­ta­tem, non ha­be­bit tu­to­rem eum qui ro­ga­tus est, sed or­ci­nus li­ber­tus ef­fec­tus ad fa­mi­liam tes­ta­to­ris per­ti­ne­bit. in qua spe­cie in­ci­pit tu­te­la ad li­be­ros pa­tro­ni pri­mos per­ti­ne­re, quae ad pa­tro­nos non per­ti­nuit: quod qui­dem in om­ni­bus or­ci­nis li­ber­tis lo­cum ha­bet tes­ta­men­to ma­nu­mis­sis. 4Si duo plu­res­ve ma­nu­mit­tant, om­nes tu­to­res sunt: sed si mu­lier sit in­ter ma­nu­mis­so­res, di­cen­dum est so­los mas­cu­los fo­re tu­to­res. 5Sed si ali­quis ex pa­tro­nis de­ces­se­rit, tu­te­la pe­nes ce­te­ros pa­tro­nos est, quam­vis il­le fi­lium re­li­que­rit. sed et si ab hos­ti­bus fue­rit cap­tus, in­ter­im so­li com­pa­tro­ni tu­to­res sunt. si­mi­li mo­do et si in ser­vi­tu­tem red­ac­tus sit, ap­pa­ret ce­te­ros es­se tu­to­res. 6Sed si om­nes pa­tro­ni de­ces­se­rint, tunc tu­te­la ad li­be­ros eo­rum in­ci­pit per­ti­ne­re. 7Pro­in­de si al­ter ex pa­tro­nis fi­lium, al­ter ne­po­tem re­li­que­rit, utrum ad so­lum fi­lium an ve­ro et ad ne­po­tem tu­te­la per­ti­neat, quia et ne­pos in fa­mi­lia pa­tris sui pro­xi­mus est? hoc ap­pa­re­bit ex le­gi­ti­mis he­redi­ta­ti­bus: le­gi­ti­ma au­tem he­redi­tas ad so­lum fi­lium per­ti­net. er­go et tu­te­la ad so­lum fi­lium de­scen­dit, post fi­lium tunc ad ne­po­tem. 8Quae­ri pot­est, si pa­tro­ni fi­lius sit re­mo­tus vel ex­cu­sa­tus, an ne­po­ti tu­te­la de­fe­ra­tur. et Mar­cel­lus in ea sen­ten­tia est, ut suc­ce­di non pos­se scri­bat: id­cir­co enim ab­ie­runt tu­te­la, ut alii in lo­cum eo­rum den­tur, non ut suc­ces­sio ad­mit­ta­tur. 9Non tan­tum au­tem mor­te, ve­rum et­iam ca­pi­tis de­mi­nutio­ne suc­ces­sio de­bet in le­gi­ti­ma tu­te­la ad­mit­ti: qua­re si pro­xi­mior ca­pi­te de­mi­nu­tus est, qui post eum est suc­ce­dit in tu­te­lae ad­mi­nis­tra­tio­ne. 10Si pa­rens fi­lium vel fi­liam vel ne­po­tem vel nep­tem vel de­in­ceps im­pu­be­res, quos in po­tes­ta­te ha­beat, em­an­ci­pet, vi­cem le­gi­ti­mi tu­to­ris sus­ti­net:

3Idem lib. XXXVIII. ad Sabin. Ueber die gesetzliche Vormundschaft, welche nach dem Zwölftafelgesetze den Freilassern zugewiesen wird, findet sich daselbst zwar keine eigenthümliche und ausdrückliche Bestimmung, allein man richtete sich nach den Beerbungen, welche nach diesem Gesetze den Patronen gestattet sind. 1Es ist daher der Freilasser nach dem Zwölftafelgesetze Vormund, mag nun diese Freilassung freiwillig oder nothwendig aus Veranlassung eines Fideicommisses geschehen sein. 2Wenn aber auch unter der Bedingung ein Kauf geschlossen wurde, dass er (der Käufer) [den Sclaven] freilasse, und dieser (Sclav), nach der Verfügung des göttlichen Marcus an den Aufidius Victorinus, die Freiheit erlangte, so soll er (der Käufer) doch Vormund sein. 3Wenn aber freilich der Sclav etwa nach dem Rubrianischen Senatsschlusse22Die Worte dieses Senatsschlusses befinden sich im Fr. 26. §. 7. D. de fideicomm. libert. (40. 5.) zur Freiheit gelangte, dann soll der, welcher [um die Freilassung] ersucht wurde, nicht Vormund werden, sondern dieser Sclav als Freigelassener des Orkus zur Familie des Erblassers gehören33Weil er nunmehr als direct von seinem Herrn freigelassen angesehen wird. Dieser befindet sich aber in der Unterwelt, folglich ist der freigewordene Sclav ein Freigelassener seines in dem Orkus sich aufhaltenden Freilassers.. In diesem Falle fängt nun die Vormundschaft [zu]erst bei den Kindern des Freilassers an, indem sie nie an die Freilasser selbst gelangt war. Dies aber findet bei allen Freigelassenen des Verstorbenen, die durch testamentarische Verfügung frei wurden, Statt. 4Sind der Freilasser zwei oder mehrere, so sind sie alle Vormünder. Befindet sich aber eine Frau unter ihnen, so sollen blos die Männer die Vormundschaft übernehmen. 5Starb einer von den Freilassern, so bleibt, obgleich [der Verstorbene] einen Sohn hinterliess, die Vormundschaft doch bei den noch Uebrigen. Wurde ein Freilasser von den Feinden gefangen genommen, so führen inzwischen die Mitfreilasser allein die Vormundschaft. Auf ähnliche Weise ergibt sich, dass die Uebrigen die Vormundschaft führen, wenn einer von ihnen Sclav wurde. 6Starben aber alle Freilasser, dann erst gelangt die Vormundschaft an ihre Kinder. 7Wenn nun einer von den Freilassern einen Sohn, der andere einen Enkel hinterliess, [so fragt es sich,] ob blos an den Sohn, oder auch an den Enkel die Vormundschaft komme, weil ja auch der Enkel der nächste Verwandte seines Vaters in der Familie ist? Dies wird aus den gesetzlichen Beerbungen deutlich werden. Da heisst es nämlich: die gesetzliche Erbschaft kommt blos an den Sohn. Deshalb fällt auch blos auf den Sohn die Vormundschaft; nach dem Sohn dann auf den Enkel. 8Man kann fragen, ob, wenn des Freilassers Sohn von der Vormundschaft entfernt wurde, oder sich dagegen entschuldigte, diese nun auf den Enkel falle? Marcellus ist, nach seinem Schreiben, der Meinung, dass hier kein Nachrücken Statt finde. Denn die Entfernung jener von der Vormundschaft soll kein Nachrücken [entfernterer Agnaten], sondern Bestellung anderer Vormünder an ihrer Statt [durch die Obrigkeit] bewirken. 9Es tritt aber bei der gesetzlichen Vormundschaft ein Nachrücken nicht nur durch den Tod, sondern auch durch die Verschmälerung des bürgerlichen Zustandes [des Vormundes] ein. Wird daher der bürgerliche Zustand des nächsten Verwandten verändert, so rückt in der Verwaltung der Vormundschaft der ihm Nächstfolgende nach. 10Wenn ein Gewalthaber seinen Sohn, oder seine Tochter, oder seinen Enkel, oder seine Enkelin, oder fernere Abkömmlinge im Zustande der Unmündigkeit aus seiner Gewalt entlässt, so verliert er die Stelle eines gesetzlichen Vormundes.

4Mo­des­ti­nus li­bro quar­to dif­fe­ren­tia­rum. quo de­func­to si li­be­ri per­fec­tae ae­ta­tis ex­sis­tant, fi­du­cia­rii tu­to­res fra­tris vel so­ro­ris ef­fi­ciun­tur.

4Modestin. lib. IV. Diff. Stirbt dieser mit Hinterlassung volljähriger [seiner Gewalt unterworfener] Kinder, so werden diese fiduciarische Vormünder ihres Bruders, oder ihrer Schwester.

5Ul­pia­nus li­bro tri­ge­si­mo quin­to ad edic­tum. Le­gi­ti­mos tu­to­res ne­mo dat, sed lex duo­de­cim ta­bu­la­rum fe­cit tu­to­res. 1Sed et­iam hos co­gi sa­tis­da­re cer­tum est, in tan­tum ut et­iam pa­tro­num et pa­tro­ni fi­lium ce­te­ros­que li­be­ros eius co­gi rem sal­vam fo­re sa­tis­da­re ple­ris­que vi­dea­tur. sed hoc cau­sa co­gni­ta prae­to­rem sta­tue­re de­be­re me­lius est, utrum de­beat sa­tis­da­re pa­tro­nus li­be­ri­que eius an non, ut, si per­so­na ho­nes­ta sit, re­mit­ta­tur ei sa­tis­da­tio et ma­xi­me, si sub­stan­tia mo­di­ca sit: si au­tem pa­tro­ni per­so­na vul­ga­ris vel mi­nus ho­nes­ta sit, ibi di­cen­dum est sa­tis­da­tio­nem lo­cum ha­be­re: ut aut mo­dus tu­te­lae aut per­so­na aut cau­sa ad­mit­tat sa­tis­da­tio­nem. 2In le­gi­ti­mis et in his, qui a ma­gis­tra­ti­bus dan­tur, quae­si­tum est, an uni de­cer­ni tu­te­la pos­sit. et ait La­beo et uni rec­te tu­te­lam de­cer­ni: pos­se enim ali­quos vel ab­sen­tes vel fu­rio­sos es­se: quae sen­ten­tia uti­li­ta­tis gra­tia ad­mit­ten­da est, ut uni de­cer­na­tur ad­mi­nis­tra­tio. 3An er­go et pro­vo­ca­re se in­vi­cem se­cun­dum su­pe­rio­rem clau­su­lam pos­sint? et ma­gis est, ut, si om­nes sa­tis non de­de­rint vel si fi­ni­ta est sa­tis­da­tio (non­num­quam enim sa­tis­da­tio ab eis non pe­ti­tur, aut sa­tis de­si­nit es­se cau­tum, aut ma­gis­tra­tus mu­ni­ci­pa­les ab his quos de­de­rint aut non po­tue­runt aut no­lue­runt sa­tis ex­ige­re), pos­se di­ci et­iam in his, quo ca­su cau­tum non est, ad­mit­ten­dam pro­vo­ca­tio­nem. 4An er­go et in pa­tro­nis idem sit di­cen­dum, ma­xi­me ubi ces­sat sa­tis­da­tio? et pu­to in pa­tro­nis non opor­te­re ad­mit­ti pro­vo­ca­tio­nem ni­si ex mag­na cau­sa, ne quis spem suc­ces­sio­nis de­mi­nuat: nam si pa­tro­no tu­te­la non fue­rit com­mis­sa, pot­erit per com­pa­tro­num dam­no ad­fi­ci, qui so­lus rem pu­pil­li ma­le ad­mi­nis­trat. 5Si le­gi­ti­mus tu­tor ca­pi­te mi­nu­tus sit, di­cen­dum est de­si­ne­re eum es­se tu­to­rem et lo­cum es­se iu­di­cio tu­te­lae fi­ni­ta tu­te­la.

5Ulp. lib. XXXV. ad Ed. Gesetzliche Vormünder bestellt Niemand, sondern das Zwölftafelgesetz bestimmte diese. 1Dass aber diese auch zur Sicherheitsleistung gezwungen werden können, ist gewiss, und zwar insoweit, dass sehr Viele annehmen, auch der Freilasser und dessen Sohn, und die übrigen Kinder desselben können gezwungen werden, Sicherheit zu leisten, dass das Mündelvermögen in gutem Zustande erhalten werden würde. Aber man thut besser, es, nach vorgängiger Untersuchung der Ursache, auf die Bestimmung des Prätor ankommen zu lassen, ob der Freilasser und seine Kinder Sicherheit leisten müssen, oder nicht, auf dass, wenn er eine ehrbare Person, vorzüglich aber, wenn die Vermögensmasse unbeträchtlich ist, ihm die Sicherheitsleistung erlassen werde; ist aber der Freilasser ein gemeiner Mensch, oder eine nicht eben ehrbare Person, da soll dann Sicherheitsleistung Statt finden, so dass hier in Rücksicht auf die Art der Vormundschaft, auf die Person oder die geschehene Untersuchung eine Sicherheitsleistung zugelassen wird. 2Es ward gefragt, ob bei gesetzlichen, oder obrigkeitlichen Bevormundungen auch Einem Vormunde die Verwaltung zuerkannt werden könne? Labeo sagt, auch ein Einziger könne zum Vormunde bestimmt werden, es könnten ja Einige abwesend oder wahnsinnig sein. Diese Meinung muss man ihrer Nützlichkeit wegen aufnehmen, auf dass auch einem Einzigen die Verwaltung zuerkannt werde. 3Können sich aber nun auch diese Vormünder nach der obigen Clausel gegenseitig [zur Sicherheitsleistung] auffordern? Es hat die Behauptung mehr für sich, dass auch bei diesen in dem Falle, wo nicht Sicherheit geleistet wurde, eine Aufforderung dazu zulässig sei, nämlich wenn nicht alle Sicherheit leisteten, oder die Sicherstellung aufhörte, [denn es wird bisweilen keine Sicherstellung verlangt], oder wenn diese aufhörte, oder wenn Municipalbeamte von den durch sie gegebenen Vormündern keine Sicherheitsleistung erhalten konnten oder wollten. 4Ist dies nun auch von den Freilassern, vorzüglich da, wo keine Sicherheit zu leisten ist, anzunehmen? Nach meiner Meinung darf ein solches Auffordern, wenn nicht ein wichtiger Grund dazu vorhanden ist, bei den Freilassern keine Anwendung finden, damit Niemand die Hoffnung zur Erbschaft, die zu erwarten steht, vermindere. Denn wurde ein Freilasser von der Mitverwaltung ausgeschlossen, so kann ihm leicht durch den Mitfreilasser, der allein das Vermögen des Pupillen schlecht verwaltet, ein Schaden erwachsen. 5Erlitt der gesetzliche Vormund eine Schmälerung seines bürgerlichen Zustandes, so soll seine Vormundschaftsführung aufhören, und nach beendigter Vormundschaft die Vormundschaftsklage Statt finden.

6Pau­lus li­bro tri­ge­si­mo oc­ta­vo ad edic­tum. In­tes­ta­to pa­ren­te mor­tuo ad­gna­tis de­fer­tur tu­te­la. in­tes­ta­tus au­tem vi­de­tur non tan­tum is qui tes­ta­men­tum non fe­cit, sed et is qui tes­ta­men­to li­be­ris suis tu­to­res non de­dit: quan­tum enim ad tu­te­lam per­ti­net, in­tes­ta­tus est. idem di­ce­mus, si tu­tor tes­ta­men­to da­tus ad­huc fi­lio im­pu­be­re ma­nen­te de­ces­se­rit: nam tu­te­la eius ad ad­gna­tum re­ver­ti­tur.

6Paul. lib. XXXVIII. ad Ed. Stirbt der Vater ohne ein Testament, so kommen die Agnaten zur Vormundschaft. Ohne Testament gestorben ist aber nicht nur der, welcher kein Testament machte, sondern auch der, welcher in seinem Testamente seinen Kindern keine Vormünder gab; denn in Bezug auf die Vormundschaft hat er kein Testament gemacht. Eben dahin werden wir uns erklären, wenn der in einem Testament gegebene Vormund noch während der Unmündigkeit des Sohnes starb; denn es kehrt die Vormundschaft desselben zu den Agnaten zurück.

7Gaius li­bro pri­mo in­sti­tu­tio­num. Sunt au­tem ad­gna­ti, qui per vi­ri­lis se­xus per­so­nas co­gna­tio­ne iunc­ti sunt, qua­si a pa­tre co­gna­ti, vel­uti fra­ter eo­dem pa­tre na­tus, fra­tris fi­lius ne­pos­ve ex eo, item pa­truus et pa­trui fi­lius ne­pos­ve ex eo.

7Gaj. lib. I. Instit. Agnaten heissen die durch den Mannsstamm blutsverwandten Personen, als Abkömmlinge von einem gemeinsamen Erzeuger, wie z. B. der von demselben Vater erzeugte Bruder, dessen Sohn oder Enkel, ebenso des Vaters Bruder, dessen Sohn oder Enkel.

8Pau­lus li­bro tri­ge­si­mo oc­ta­vo ad edic­tum. Si re­li­que­ro fi­lium im­pu­be­rem et fra­trem et ne­po­tem ex alio fi­lio, con­stat utros­que es­se tu­to­res, si per­fec­tae ae­ta­tis sunt, quia eo­dem gra­du sunt.

8Paul. lib. XXXVIII. ad Ed. Wenn ich einen unmündigen Sohn und [zugleich] einen Bruder und einen Enkel von einem andern Sohn hinterliess, so werden bekanntlich diese beiden, wenn sie nur das erforderliche Alter haben, Vormünder, weil sie in demselben Verwandschaftsgrade stehen.

9Gaius li­bro duo­de­ci­mo ad edic­tum pro­vin­cia­le. Si plu­res sunt ad­gna­ti, pro­xi­mus tu­te­lam nan­cis­ci­tur et, si eo­dem gra­du plu­res sint, om­nes tu­te­lam nan­cis­cun­tur.

9Gaj. lib. XII. ad Ed. prov. Sind mehrere Agnaten da, so erhält der Nächstverwandte die Vormundschaft; stehen mehrere in demselben Verwandschaftsgrade, so erhalten alle die Vormundschaft.

10Her­mo­ge­nia­nus li­bro se­cun­do iu­ris epi­to­ma­rum. Ad­gna­to pro­pior fe­mi­na, quo mi­nus sit im­pu­be­ris ad­gna­ti tu­tor, non ob­ici­tur, id­eo­que pa­truus so­ro­rem con­san­gui­neam ha­ben­tis fra­tris fi­lii le­gi­ti­mus erit tu­tor, nec ami­ta pa­truo mag­no vel ma­ter­te­ra fra­tris fi­liis ne sint tu­to­res ob­stat. 1Sur­dus et mu­tus nec le­gi­ti­mi tu­to­res es­se pos­sunt, cum nec tes­ta­men­to nec alio mo­do uti­li­ter da­ri pos­sint.

10Hermogen. lib. II. Jur Epit. Eine näherverwandte Frauensperson steht einem Agnaten bei Uebernehmung der Vormundschaft über einen agnatisch verwandten Unmündigen nicht im Wege. Deshalb wird denn der Vatersbruder gesetzlicher Vormund seines Bruderssohnes sein, wenn dieser auch eine vatergleiche Schwester hat. Es hindert auch weder die Vatersschwester den Grossvatersbruder, noch die Mutterschwester44Das Unpassende dieses Beispiels von der Mutterschwester, die doch eine Agnatin war und wurde, veranlasste den Jos. Finestres, dies für die Waare eines ungelehrten Auslegers zu erklären. die Bruderssöhne, Vormünder zu werden. 1Taube und Stumme können aus dem Grunde keine gesetzlichen Vormünder sein, weil sie auch nicht in einem Testamente oder auf eine andere Weise mit Erfolg bestellt werden können.

11Pau­lus li­bro sex­to de­ci­mo ad Plau­tium. Mi­nus au­tem au­diens pot­est.

11Paul. lib. XVI. ad Plaut. Einer, der schwer hört, kann Vormund werden.