De divortiis et repudiis
(Von den Scheidungen und Kündigungen1.)
1Divortium wird nur von der Trennung der Ehe, repudium sowohl von dieser, als von der Trennung eines Verlobnisses gebraucht. Auch wird repudium häufig von der Handlung gebraucht, wodurch die Trennung bewirkt wurde, z. B. repudium mittere, dicere, scribere u. dergl. m. S. Wächter v. d. Ehescheid. S. 66. v. Glück a. a. O. S. 231 ff.
1Paul. lib. XXXV. ad Ed. Die Ehe wird getrennt durch Scheidung, Tod, Gefangenschaft, oder wenn eine andere Sclaverei einen von beiden [Ehegatten] betrifft.
2Gaj. lib. XI. ad Ed prov. Die Scheidung ist aber entweder von der Verschiedenheit der Gesinnungen [so] benannt worden, oder weil die, welche die Ehe trennen, sich nach verschiedenen Seiten wenden. 1Bei Kündigungen aber, das heisst bei der Aufsagung, sind diese Worte gebräuchlich geworden: du magst deine Sachen für dich behalten, ingleichen diese: du magst deine Sachen mit dir nehmen22Die erstere Formel sprach wohl die Frau zum Manne, die letztere der Mann zur Frau, wie auch die Basil. XXVIII. t. 7. c. 9. Tom. IV. p. 328. andeuten. S. v. Glück a. a. O. XXIII. S. 130. Anm. 61. — Wächter a. a. O. S. 111 ff. will aus einer Handschrift und gestützt auf andere Gründe statt der ersten Formel (tuas res tibi habeto) lesen: tuas res tibi, abeo (du magst deine Sachen für dich behalten, ich gehe weg) und statt der zweiten (tuas res tibi agito) tuas res tibi, ago (du magst deine Sachen mit dir nehmen, ich jage dich fort).. 2Man hat angenommen, dass auch bei der Trennung eines Verlöbnisses eine Aufsagung vorkommen müsse, und dabei sind diese Worte gebräuchlich geworden: ich will die Verbindung mit dir nicht eingehen33Conditione tua non utor. Die Vulg. liest utar.. 3Es macht aber keinen Unterschied, ob er [oder sie]44Ob der Theil, dem die Ehe oder das Verlöbniss aufgekündigt werden soll. gegenwärtig sei und ihm [oder ihr] selbst, oder ob er [oder sie] abwesend sei und ihm [oder ihr] durch den aufgesagt werde, der sich in seiner [oder ihrer] Gewalt befindet, oder in dessen Gewalt er oder sie sich befindet.
3Paul. lib. XXXV. ad Ed. Eine [wahre] Scheidung ist nicht vorhanden, wenn sie nicht eine ernstliche ist, welche mit der Absicht, eine immerwährende Trennung zu begründen, geschieht. Was daher in der Hitze des Zorns entweder geschieht, oder gesagt wird, ist nicht eher gültig, als bis aus der Beharrlichkeit erhellt hat, dass es der Ausspruch der Gesinnung gewesen sei; und darum scheint eine Ehefrau, wenn sie, nachdem in der Hitze eine Kündigung ergangen war, kurz darauf zurückgekehrt ist, sich nicht geschieden zu haben.
4Ulp. lib. XXVI. ad Sabin. Julianus fragt im achtzehnten Buche der Digesta, ob eine Rasende eine Kündigung ergehen lassen, oder ihr gekündigt werden könne; und er schreibt, dass einer Rasenden gekündigt werden könne, weil sie wie eine, die Nichts weiss, angesehen wird, dass sie aber nicht kündigen könne, weder sie selbst, wegen ihrer Unvernünftigkeit, noch ihr Curator; ihr Vater könne jedoch eine Kündigung ergehen lassen. [Julianus] würde dies aber nicht in Betreff der Kündigung erörtert haben, wenn es nicht bekannt wäre, dass die Ehe [mit einer Rasenden] fortbestehe; und diese Meinung scheint mir wahr zu sein.
5Idem lib. XXXIV. ad Ed. Wenn eine aus der väterlichen Gewalt entlassene Tochter sich deshalb geschieden hatte, damit sie [ihrem] Ehemann den Gewinn des Heirathsguts zuwende, [ihren] Vater [um dasselbe] betrüge, der doch das profecticische55S. die Bem. zu L. 5. pr. D. de j. dot. 23. 3. u. vergl. L. 6. pr. eod. Heirathsgut hätte fordern können, wenn sie, während die Ehe bestand, verstorben wäre, so ist darum dem Vater zu Hülfe zu kommen, damit er das Heirathsgut nicht verliere; denn der Prätor muss dem Vater nicht weniger als dem Ehemann zu Hülfe kommen; es ist demselben daher die Forderung des Heirathsguts zu geben, gleich als ob die Tochter, während die Ehe bestand, verstorben wäre.
6Julian. lib. LXII. Digestor. Die Ehefrauen derjenigen, welche in die Gewalt der Feinde gekommen sind, können blos deswegen noch als verheirathet angesehen werden, weil sie nicht leicht einen Anderen heirathen können. Und im Allgemeinen ist zu bestimmen, dass, so lange es gewiss ist, dass der in Gefangenschaft befindliche Ehemann lebe, die Ehefrauen solcher [Männer] keine Erlaubniss haben, zu einer anderen Ehe zu schreiten, wenn nicht lieber die Frauen selbst eine Veranlassung zur Kündigung geben wollen. Wenn es aber ungewiss ist, ob er noch lebendig bei den Feinden zurückgehalten werde, oder vom Tod getroffen sei, dann hat die Frau, wenn fünf Jahre seit der Zeit der Gefangennehmung verflossen sein werden, die Erlaubniss zu einer anderen Ehe zu schreiten, so jedoch, dass die frühere Ehe in Güte aufgelöst zu sein scheint, und ein jeder [Ehegatte] sein Recht unvermindert behält66D. h. nichts von seinem Vermögen verliert, indem sonst bei nicht gütlicher Scheidung Abzüge vom Vermögen des schuldigen Gatten Statt fanden. S. Hasse a. a. O. S. 162 ff.; dasselbe Recht ist auch dann zu beobachten, wenn der Ehemann im Vaterland lebt und die Ehefrau gefangen ist.
7Papinian. lib. I. de adult. Wenn es den [Ehegatten] gereut hat, welcher [Jemanden] einen Scheidungsbrief gegeben hat, damit derselbe [dem anderen Ehegatten] übergeben werde, und er aus Unbekanntschaft mit dem geänderten Willen überreicht worden ist, so muss man sagen, dass die Ehe fortdauere, wenn nicht der [Ehegatte], welcher [den Scheidungsbrief] erhalten hat, nachdem ihm die Reue [des anderen] bekannt geworden ist, selbst hat die Ehe auflösen wollen; dann nämlich wird durch den, welcher [den Scheidungsbrief] erhalten hat, die Ehe aufgelöst.
9Paul. lib. II. de adult. Keine Scheidung ist gültig, wenn nicht sieben mündige Römische Bürger zugezogen sind, ausser dem Freigelassenen dessen, der sich scheiden will. Als einen solchen Freigelassenen werden wir auch den ansehen, der vom Vater, Grossvater, Urgrossvater und den übrigen [Verwandten in] aufwärts [steigender Linie] freigelassen worden ist.
11Ulp. lib. III. ad leg. Jul. et Pap. Wenn das Gesetz77Das Julische und Papische. Vergl. L. 45. D. de ritu nupt. 23. 2. sagt: die Freigelassene, welche mit [ihrem] Patron verheirathet ist, soll die Erlaubniss sich zu scheiden nicht haben, so scheint es die Scheidung, welche nach dem bürgerlichen Recht die Ehe aufzulösen pflegt, nicht ungeschehen gemacht zu haben; und darum können wir nicht sagen, dass die Ehe bestehe, da sie getrennt ist. Sonach schreibt Julianus, dass eine solche die Klage wegen des Heirathsguts nicht habe; mit Recht hat sie daher so lange, als ihr Patron sie zu seiner Ehefrau haben will, nicht das Recht zur Ehe mit einem Anderen; denn weil der Gesetzgeber eingesehen hat, dass durch die Handlung der Freigelassenen die Ehe gleichsam getrennt sei, so hat er ihr das Recht zur Ehe mit einem Anderen entzogen. Mag sie daher geheirathet haben, wen sie will, sie wird für eine nicht Verheirathete gehalten werden. Julianus geht noch weiter, indem er glaubt, dass sie auch nicht im Concubinat mit einem anderen Patron leben könne. 1Das Gesetz sagt: Solange als der Patron sie zur Ehefrau haben will; er muss sie zur Ehefrau haben wollen und Patron bleiben. Wenn er also aufgehört haben wird, entweder Patron zu sein, oder [sie zur Ehefrau haben] zu wollen, so hat die Kraft des Gesetzes aufgehört. 2Das hat man ganz richtig angenommen, dass die Wohlthat dieses Gesetzes aufhöre, wenn es an einer Willensäusserung, sie möge beschaffen sein wie sie wolle, erkannt werden könne, dass der Patron aufgehört habe, [gegen die Freigelassene] die Gesinnung, gleichwie gegen eine Ehefrau, zu haben. Deshalb hat unser Kaiser mit seinem höchstseligen Vater88Ant. Caracalla und sein Vater Sept. Severus. rescribirt, dass, wenn der Patron gegen die Freigelassene, welche sich wider seinen Willen von ihm geschieden hat, mit der Klage wegen entwendeter Sachen verfahren wollte, man es gerade daran erkenne, dass er sie nicht mehr mit sich verheirathet wissen wolle, da er jene Klage oder eine andere anstellt, welche nur in Folge der Scheidung zu entstehen pflegt. Darum ist, wenn er sie des Ehebruchs angeklagt, oder wegen eines anderen Verbrechens belangt haben wird, welches Niemand [seiner] Ehefrau vorwirft, mehr dafür, dass die Ehe getrennt sei; denn man muss sich daran erinnern, dass ihr darum das Recht zur Ehe mit einem Anderen genommen werde, weil der Patron wünscht, dass sie mit ihm noch verheirathet sei. Wo man also auch nur ein unbedeutendes Anzeichen bemerken kann, dass er sie nicht mehr mit sich verheirathet wissen will, so muss man sagen, dass von da an die Freigelassene das Recht zur Ehe mit einem Andern zu haben anfange. Deshalb ist [dann], wenn der Patron sich mit einer Anderen verlobt, oder [eine Andere für sich zur Frau] bestimmt, oder nach der Ehe mit einer Anderen verlangt haben wird, zu glauben, dass er die Freigelassene nicht mehr mit sich verheirathet wissen wolle; und wenn er sich eine Concubine genommen haben wird, so wird dasselbe anzunehmen sein.