Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Zweites Buch übersetzt von Heimbach unter Redaction von Otto
Dig. II9,
Si ex noxali causa agatur, quemadmodum caveatur
Liber secundus
IX.

Si ex noxali causa agatur, quemadmodum caveatur

(Wie Sicherheit gestellt wird, wenn eine Noxalklage erhoben [oder: wegen Schädenansprüchen geklagt] wird.)

1Ul­pia­nus li­bro sep­ti­mo ad edic­tum. Si quis eum, de quo noxa­lis ac­tio est, iu­di­cio sis­ti pro­mi­sit, prae­tor ait in ea­dem cau­sa eum ex­hi­be­re, in qua tunc est, do­nec iu­di­cium ac­ci­pia­tur. 1‘In ea­dem cau­sa’ quid sit, vi­dea­mus: et pu­to ve­rius eum vi­de­ri in ea­dem cau­sa sis­te­re, qui ad ex­pe­rien­dum non fa­cit ius ac­to­ris de­te­rius. si de­si­nat ser­vus es­se pro­mis­so­ris vel ac­tio amis­sa sit, non vi­de­ri in ea­dem cau­sa sta­tum La­beo ait: vel si qui pa­ri lo­co erat in li­ti­gan­do, coe­pit es­se in du­rio­re, vel lo­co vel per­so­na mu­ta­ta: ita­que si quis ei qui in fo­ro pro­mis­so­ris con­ve­ni­ri non pot­est ven­di­tus aut po­ten­tio­ri da­tus sit, ma­gis es­se pu­tat, ut non vi­dea­tur in ea­dem cau­sa sis­ti. sed et si no­xae de­di­tus sit, Ofi­lius non pu­tat in ea­dem cau­sa sis­ti, cum no­xae de­di­tio­ne ce­te­ris noxa­lem ac­tio­nem per­emi pu­tat.

1Ulp. lib. VII. ad Edictum. Wenn Jemand versprochen hat, den vor Gericht zu stellen, dessentwegen eine Noxalklage vorliegt, so sagt der Prätor: man solle ihn unter denselben Umständen stellen, in welchen er damals sich befand, als die Einlassung auf die Klage erfolgte. 1Sehen wir, was es heisse, unter denselben Umständen stellen; und ich halte es für richtiger, dass man den für in denselben Umständen befindlich ansehen müsse, welcher des Klägers Recht in Bezug auf die Klage nicht verschlechtert. Wenn der Sclave aufhört, dem zu gehören, welcher das Versprechen geleistet hat, oder wenn die Klage verloren gegangen ist, so nimmt man, wie Labeo sagt, nicht an, dass er unter denselben Umständen gestellt worden, eben so wenig, als dann, wenn der, welcher im Streite gleich war, nun im Nachtheile ist, sei es, dass der Ort oder die Person eine Veränderung erlitten haben. Wenn daher Jemand dem, welcher im Gerichtsstande dessen, welcher das Versprechen geleistet hat, nicht verklagt werden kann, verkauft oder einem einflussreichern zum Eigenthum gegeben worden ist, glaubt er, es sei mehr dafür vorhanden, dass man annehme, jener sei nicht unter den nämlichen Umständen gestellt worden. Aber auch, wenn er zur Strafe ausgeliefert worden ist, glaubt Ofilius, er werde nicht unter den nämlichen Umständen gestellt, da durch diese Auslieferung zur Strafe seiner Meinung nach den übrigen das Recht auf die Noxalklage genommen wird.

2Pau­lus li­bro sex­to ad edic­tum. Sed alio iu­re uti­mur. nam ex prae­ce­den­ti­bus cau­sis non li­be­ra­tur no­xae de­di­tus: per­in­de enim no­xa ca­put se­qui­tur, ac si venis­set. 1Si ab­sens sit ser­vus, pro quo noxa­lis ac­tio ali­cui com­pe­tit: si qui­dem do­mi­nus non ne­gat in sua po­tes­ta­te es­se, com­pel­len­dum pu­tat Vin­dius vel iu­di­cio eum sis­ti pro­mit­te­re vel iu­di­cium ac­ci­pe­re, aut, si no­lit de­fen­de­re, cau­tu­rum, cum pri­mum po­tue­rit, se ex­hi­bi­tu­rum: sin ve­ro fal­so ne­get in sua po­tes­ta­te es­se, sus­cep­tu­rum iu­di­cium si­ne no­xae de­di­tio­ne. id­que Iu­lia­nus scri­bit et si do­lo fe­ce­rit, quo­mi­nus in eius es­set po­tes­ta­te. sed si ser­vus prae­sens est, do­mi­nus ab­est nec quis­quam ser­vum de­fen­dit, du­cen­dus erit ius­su prae­to­ris: sed cau­sa co­gni­ta do­mi­no post­ea da­bi­tur de­fen­sio, ut Pom­po­nius et Vin­dius scri­bunt, ne ei ab­sen­tia sua no­ceat: er­go et ac­to­ri ac­tio re­sti­tuen­da est, per­emp­ta eo quod duc­tus ser­vus in bo­nis eius es­se coe­pit.

2Paul. lib. VI. ad Edictum. Aber jetzt gilt anderes Recht; denn aus den obengenannten Gründen wird der zur Strafe Ausgelieferte nicht befreit: denn das Recht auf die Noxalklage hängt eben so an seiner Person, als ob er verkauft worden wäre. 1Ist der Sclave abwesend, in Bezug auf welchen Jemandem eine Noxalklage zusteht, so glaubt Vindius, dass, im Fall der Herr leugnet, er stehe in seiner Gewalt, dieser zu zwingen sei, entweder für dessen Stellung vor Gericht zu bürgen, oder sich auf die Klage einzulassen, oder wenn er ihn nicht gerichtlich vertreten will, Sicherheit zu stellen, dass er ihn, sobald er könne, stellen wolle: dagegen werde er sich auf die Klage mit Ausschluss aller Auslieferung zu Strafe einlassen müssen, wenn er fälschlich leugnet, er stehe in seiner Gewalt; und dasselbe schreibt Julian, werde Statt finden, wenn er hinterlistig ihn aus seiner Gewalt hinweggebracht habe. Aber wenn der Sclave gegenwärtig ist, der Herr abwesend, und Niemand den Sclaven gerichtlich vertritt, so ist er auf Befehl des Prätors in eigenen Gewahrsam zu nehmen; dem Herrn wird man jedoch nach vorläufiger Untersuchung der Sache in der Folge verstatten, ihn zu vertreten, wie Pomponius und Vindius schreiben, damit ihm seine Abwesenheit nicht schade. Auch dem Kläger ist demnach das Klagerecht wieder zu ertheilen, das er dadurch verlor, dass der in eigenen Gewahrsam gebrachte Sclave zu seinem Vermögen zu gehören angefangen hatte.

3Ul­pia­nus li­bro sep­ti­mo ad edic­tum. Si cum usu­fruc­tua­rio noxa­li iu­di­cio age­tur is­que ser­vum non de­fen­de­rit, de­ne­ga­tur ei per prae­to­rem usus fruc­tus per­se­cu­tio.

3Ulp. lib. VII. ad Edictum. Wenn man gegen den Nutzniesser mit einer Noxalklage einkommt, und dieser den Sclaven gerichtlich nicht vertritt, so wird ihm vom Prätor die gerichtliche Verfolgung seines Niessbrauchs abgeschlagen.

4Gaius li­bro sex­to ad edic­tum pro­vin­cia­le. Si cum uno ex do­mi­nis noxa­lis age­tur, an pro par­te so­cii sa­tis­da­re de­be­ret? Sa­b­inus ait non de­be­re: quia quo­dam­mo­do to­tum suum ho­mi­nem de­fen­de­ret, cui in so­li­dum de­fen­den­di ne­ces­si­tas es­set, nec au­di­tur, si pro par­te pa­ra­tus sit de­fen­de­re.

4Gaj. lib. VI. ad Edictum prov. Wenn gegen einen der Herrn eine Noxalklage angestellt wird, braucht der nur für seinen Antheil als Gesellschafter Sicherheit zu stellen? Sabinus sagt, er dürfe das nicht, weil der gewissermaassen den Sclaven als ihm ganz gehörig gerichtlich verträte, welchem die Nothwendigkeit auferlegt wäre, ihn völlig zu vertreten, und der nicht gehört wird, welcher für seinen Antheil ihn zu vertreten bereit ist.

5Ul­pia­nus li­bro qua­dra­gen­si­mo sep­ti­mo ad Sa­binum. Si ser­vum in ea­dem cau­sa sis­te­re qui­dam pro­mi­se­rit et li­ber fac­tus sis­ta­tur: si de ip­so con­tro­ver­sia est ca­pi­ta­lium ac­tio­num in­iu­ria­rum­que no­mi­ne, non rec­te sis­ti­tur: quia ali­ter de ser­vo sup­pli­cium et ver­be­ri­bus de in­iu­ria sa­tis­fit, ali­ter de li­be­ro vin­dic­ta su­mi­tur vel con­dem­na­tio pe­cu­nia­ria. quod au­tem ad ce­te­ras noxa­les cau­sas per­ti­net, et­iam in me­lio­rem cau­sam vi­de­tur per­ve­nis­se.

5Ulp. lib. XLVII. ad Sabinum. Wenn Jemand versprochen hat, einen Sclaven unter denselben Umständen zu stellen, und dieser, nachdem er die Freiheit erlangt hat, gestellt wird, so ist er nicht richtig gestellt, wenn in Bezug auf ihn aus Klaggründen, welche Todesstrafe mit sich bringen, oder wegen Injurien ein Process obschwebt, weil die Genugthuung anders beim Sclaven, anders beim Freien ausfällt; bei jenem besteht sie in Todesstrafe, und in Betreff der Injurien in Peitschenhieben; diesen trifft eine andere Kühlung der Rache oder Verurtheilung auf Geldstrafe. Was aber die übrigen Gründe anbelangt, aus denen Noxalklagen entspringen, so scheint er sogar einen bessern Stand dabei gewonnen zu haben.

6Pau­lus li­bro un­de­ci­mo ad Sa­binum. Sed si sta­tu li­be­rum sis­ti pro­mis­sum sit, in ea­dem cau­sa sis­ti vi­de­tur, quam­vis li­ber sis­ta­tur, quod im­pli­ci­tus ei ca­sus li­ber­ta­tis fue­rit.

6Paul. lib. XI. ad Sabinum. Aber wenn versprochen wurde, dass ein statu liber gestellt werde, so scheint er unter denselben Umständen gestellt zu werden, wenn er gleich schon als freier Mann gestellt wird, weil ja das Recht auf Freihheit an ihm schon damals haftete.