Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Zweites Buch übersetzt von Heimbach unter Redaction von Otto
Dig. II4,
De in ius vocando
Liber secundus
IV.

De in ius vocando

(Von der Berufung ins Gericht.)

1Pau­lus li­bro quar­to ad edic­tum. In ius vo­ca­re est iu­ris ex­per­i­un­di cau­sa vo­ca­re.

1Paul. lib. IV. ad Edictum. Ins Gericht berufen heisst Jemanden berufen, um mit ihm rechtlich zu verfahren.

2Ul­pia­nus li­bro quin­to ad edic­tum. In ius vo­ca­ri non opor­tet ne­que con­su­lem ne­que prae­fec­tum ne­que prae­to­rem ne­que pro­con­su­lem ne­que ce­te­ros ma­gis­tra­tus, qui im­pe­rium ha­bent, qui et co­er­ce­re ali­quem pos­sunt et iu­be­re in car­ce­rem du­ci: nec pon­ti­fi­cem dum sa­cra fa­cit: nec eos qui prop­ter lo­ci re­li­gio­nem in­de se mo­ve­re non pos­sunt: sed nec eum qui equo pu­bli­co in cau­sa pu­bli­ca trans­ve­ha­tur. prae­ter­ea in ius vo­ca­ri non de­bet qui uxo­rem du­cat aut eam quae nu­bat: nec iu­di­cem dum de re co­gnos­cat: nec eum dum quis apud prae­to­rem cau­sam agit: ne­que fu­nus du­cen­tem fa­mi­lia­re ius­ta­ve mor­tuo fa­cien­tem:

2Ulp. lib. V. ad Edictum. Ins Gericht darf nicht berufen werden, weder ein Consul, noch ein Präfect, noch ein Prätor, noch ein Proconsul, noch die übrigen Obrigkeiten, welche mit Imperium versehen sind, welche auch Jemand züchtigen können, und den Befehl geben, dass er eingekerkert werde, auch nicht ein Pontifex, während er opfert; noch die, welche aus Achtung gegen den Ort sich von da nicht wegbegeben können; aber auch nicht der, welcher auf einem auf öffentliche Kosten gehaltenen Pferde in öffentlicher Angelegenheit an einem Aufzuge Theil nimmt. Ausserdem darf in das Gericht nicht berufen werden, wer eine Frau nehmen will, oder die, welche einen zum Manne zu nehmen im Begriff ist; auch kein Richter, so lange er die Parteien über ihre Streitigkeit sprechen hört, noch Einer, so lange er vor dem Prätor für eine Partei das Wort führt, noch der, welcher eine seiner Familie zugehörige Leiche bestattet oder einem Todten die letzte Ehre erweist,

3Cal­lis­tra­tus li­bro pri­mo co­gni­tio­num. vel qui ca­da­ver pro­se­quun­tur, quod et­iam vi­de­tur ex re­scrip­to di­vo­rum fra­trum com­pro­ba­tum es­se:

3Callistrat. lib. I. Cognitionum. oder die, welche einen Leichenzug begleiten, was auch durch ein Rescript der höchstseligen kaiserlichen Gebrüder gebilligt zu sein scheint,

4Ul­pia­nus li­bro quin­to ad edic­tum. qui­que li­ti­gan­di cau­sa ne­ces­se ha­bet in iu­re vel cer­to lo­co sis­ti: nec fu­rio­sos vel in­fan­tes. 1Prae­tor ait: ‘pa­ren­tem, pa­tro­num pa­tro­nam, li­be­ros pa­ren­tes pa­tro­ni pa­tro­nae in ius si­ne per­mis­su meo ne quis vo­cet’. 2Pa­ren­tem hic utrius­que se­xus ac­ci­pe: sed an in in­fi­ni­tum, quae­ri­tur. qui­dam pa­ren­tem us­que ad tri­ta­vum ap­pel­la­ri aiunt, su­pe­rio­res ma­io­res di­ci: hoc ve­te­res ex­is­ti­mas­se Pom­po­nius re­fert: sed Gaius Cas­sius om­nes in in­fi­ni­tum pa­ren­tes di­cit, quod et ho­nes­tius est et me­ri­to op­ti­nuit. 3Pa­ren­tes et­iam eos ac­ci­pi La­beo ex­is­ti­mat, qui in ser­vi­tu­te sus­ce­pe­runt: nec ta­men, ut Se­ve­rus di­ce­bat, ad so­los ius­tos li­be­ros: sed et si vul­go11Die Großausgabe liest vol­go statt vul­go. quae­si­tus sit fi­lius, ma­trem in ius non vo­ca­bit,

4Ulp. lib. I. ad Edictum. und der, welcher eines Processes wegen vor dem Prätor oder an einem andern bestimmten Orte sich stellen muss; auch nicht Wahnsinnige oder Kinder [soll man ins Gericht berufen]. 1Der Prätor sagt: Dass Niemand Eltern, Freilasser, Freilasserin, Kinder, Eltern des Freilassers, der Freilasserin vor Gericht ohne meine Erlaubniss beruft. 2Eltern verstehe hier von beiden Geschlechtern; aber ob ohne Unterschied der Grade, darüber waltet Zweifel ob. Einige sagen, dass Eltern so bis zum dritten Grade genannt werden; höher hinauf stehende heissen Vorfahren. Dies sei die Meinung der Alten gewesen, sagt Pomponius; aber Cajus Cassius nennt alle ohne Unterschied der Grade Eltern, was auch ehrbarer ist und mit Recht die Oberhand behielt. 3Labeo glaubt, dass unter Eltern auch die verstanden werden, welche, in der Sclaverei befindlich, Kinder erzeugten. Doch bezieht sich dies nicht blos auf rechte Kinder, wie Severus annahm, vielmehr darf auch ein ausser der ehe erzeugter Sohn seine Mutter ins Gericht nicht berufen,

5Pau­lus li­bro quar­to ad edic­tum. quia sem­per cer­ta est, et­iam si vul­go11Die Großausgabe liest vol­go statt vul­go. con­ce­pe­rit: pa­ter ve­ro is est, quem nup­tiae de­mons­trant.

5Paul. lib. IV. ad Edictum. weil sie immer gewiss ist, wenn gleich sie ausser der Ehe empfangen haben sollte; Vater aber nur der ist, welchen die Ehe angibt.

6Idem li­bro pri­mo sen­ten­tia­rum. Pa­ren­tes na­tu­ra­les in ius vo­ca­re ne­mo pot­est: una est enim om­ni­bus pa­ren­ti­bus ser­van­da re­ve­ren­tia.

6Id. lib. I. Sentent. Leibliche Eltern kann Niemand ins Gericht berufen; denn gegen alle Eltern ist gleiche Ehrfurcht zu beobachten.

7Idem li­bro quar­to ad edic­tum. Pa­tris ad­op­ti­vi pa­ren­tes im­pu­ne vo­ca­bit, quon­iam hi eius pa­ren­tes non sunt, cum his tan­tum co­gna­tus fiat qui­bus et ad­gna­tus.

7Id. lib. IV. ad Edictum. Die Eltern des Adoptivvaters kann man ohne Strafe berufen, weil diese ihm nicht Eltern sind, da er nur denen natürlich verwandt wird, mit welchen er in bürgerlicher Verwandtschaft tritt.

8Ul­pia­nus li­bro quin­to ad edic­tum. Ad­op­ti­vum pa­trem, quam­diu in po­tes­ta­te est, in ius vo­ca­re non pot­est iu­re ma­gis po­tes­ta­tis quam prae­cep­to prae­to­ris, ni­si sit fi­lius qui cas­tren­se ha­buit pe­cu­lium: tunc enim cau­sa co­gni­ta per­mit­te­tur. sed na­tu­ra­lem pa­ren­tem ne qui­dem dum est in ad­op­ti­va fa­mi­lia in ius vo­ca­ri. 1‘Pa­tro­num’, in­quit, ‘pa­tro­nam’. pa­tro­ni hic ac­ci­pien­di sunt, qui ex ser­vi­tu­te ma­nu­mi­se­runt: vel si col­lu­sio­nem de­te­xit: vel si qui prae­iu­di­cio pro­nun­tie­tur es­se li­ber­tus, cum alio­quin non fue­rit, aut si iu­ra­vi eum li­ber­tum meum es­se: quem­ad­mo­dum per con­tra­rium pro pa­tro­no non ha­be­bor, si con­tra me iu­di­ca­tum est aut si me de­fe­ren­te iu­ra­ve­rit se li­ber­tum non es­se. 2Sed si ad ius­iu­ran­dum ad­egi, ne uxo­rem du­cat, ne nu­bat, im­pu­ne in ius vo­ca­bor. et Cel­sus qui­dem ait in ta­li li­ber­to ius ad fi­lium meum me vi­vo non trans­ire: sed Iu­lia­nus con­tra scri­bit. ple­ri­que Iu­lia­ni sen­ten­tiam pro­bant. se­cun­dum quod eve­niet, ut pa­tro­nus qui­dem in ius vo­ce­tur, fi­lius qua­si in­no­cens non vo­ce­tur.

8Ulp. lib. V. ad Edictum. Den Adoptivvater kann man, so lange man in seiner Gewalt steht, nicht ins Gericht berufen, und das mehr um des Rechtes der väterlichen Gewalt halber, als nach Vorschrift des Prätors; es müsste denn ein Sohn sein, der sich im Lager Vermögen erworben; denn dann wird es nach vorläufiger Untersuchung der Sache gestattet; nie aber, dass der leibliche Vater, nicht einmal so lange sich der Sohn in einer Adoptivfamilie befindet, von ihm ins Gericht berufen werde. 1Freilasser, sagt er [der Prätor], Freilasserin. Unter Freilassern sind hier zu verstehen, die, welche Jemand, welcher Sclave war, freiliessen, er mag nun [der Sclave] einen verabredeten Betrug entdeckt haben, oder auf gerichtlichem Wege als freigelassener anerkannt worden sein, ohne dass er es sonst gewesen, oder ich geschworen haben, das er mein Freigelassener sei; sowie ich im Gegentheile nicht für den Freilasser gehalten werden werde, wenn das Urtheil mir ungünstig ausfiel, oder die andere Partei auf meinen Antrag geschworen hat, dass sie nicht mein Freigelassener sei. 2Habe ich den Schwur veranlasst, keine Frau zu nehmen, oder keinen Mann, so werde ich ohne Strafe vor Gericht berufen werden. Und Celsus zwar sagt, dass mein Recht an einem solchen Freigelassenen bei meinem Leben nicht auf meinen Sohn übergehe, aber Julian schreibt das Gegentheil. Sehr viele billigen Julians Meinung, wonach es kommen wird, dass der Freilasser zwar ohne Strafe vor Gericht berufen werde, nicht aber der Sohn, den man als schuldlos ansieht.

9Pau­lus li­bro quar­to ad edic­tum. Is quo­que, qui ex cau­sa fi­dei­com­mis­si ma­nu­mit­tit, non de­bet in ius vo­ca­ri, quam­vis ut ma­nu­mit­tat, in ius vo­ce­tur.

9Paul. lib. IV. ad Edictum. Auch der, welcher auf einen fideicommissarischen Auftrag freilassen soll, darf nicht vor Gericht berufen werden, wenn es gleich zu dem Zwecke geschieht, dass er freilasse.

10Ul­pia­nus li­bro quin­to ad edic­tum. Sed si hac le­ge emi ut ma­nu­mit­tam, et ex con­sti­tu­tio­ne di­vi Mar­ci venit ad li­ber­ta­tem: cum sim pa­tro­nus, in ius vo­ca­ri non pot­ero. sed si suis num­mis emi et fi­dem fre­gi, pro pa­tro­no non ha­be­bor. 1Pro­sti­tu­ta con­tra le­gem ven­di­tio­nis ven­di­to­rem ha­be­bit pa­tro­num, si hac le­ge ven­ie­rat, ut, si pro­sti­tu­ta es­set, fie­ret li­be­ra. at si ven­di­tor, qui ma­nus in­iec­tio­nem ex­ce­pit, ip­se pro­sti­tuit, quon­iam et haec per­ve­nit ad li­ber­ta­tem, sub il­lo qui­dem, qui ven­di­dit, li­ber­ta­tem con­se­qui­tur, sed ho­no­rem ha­be­ri ei ae­quum non est, ut et Mar­cel­lus li­bro sex­to di­ges­to­rum ex­is­ti­mat. 2Pa­tro­num au­tem ac­ci­pi­mus et­iam si ca­pi­te mi­nu­tus sit: vel si li­ber­tus ca­pi­te mi­nu­tus, dum ad­ro­ge­tur per ob­rep­tio­nem. cum enim hoc ip­so, quo ad­ro­ga­tur, ce­lat con­di­cio­nem, non id ac­tum vi­de­tur ut fie­ret in­ge­nuus. 3Sed si ius anu­lo­rum ac­ce­pit, pu­to eum re­ve­ren­tiam pa­tro­no ex­hi­be­re de­be­re, quam­vis om­nia in­ge­nui­ta­tis mu­nia ha­bet. aliud si na­ta­li­bus sit re­sti­tu­tus: nam prin­ceps in­ge­nuum fa­cit. 4Qui ma­nu­mit­ti­tur a cor­po­re ali­quo vel col­le­gio vel ci­vi­ta­te, sin­gu­los in ius vo­ca­bit: nam non est il­lo­rum li­ber­tus. sed rei pu­bli­cae ho­no­rem ha­be­re de­bet et si ad­ver­sus rem pu­bli­cam vel uni­ver­si­ta­tem ve­lit ex­per­i­ri, ve­niam edic­ti pe­te­re de­bet, quam­vis ac­to­rem eo­rum con­sti­tu­tum in ius sit vo­ca­tu­rus. 5Li­be­ros pa­ren­tes­que pa­tro­ni pa­tro­nae­que utrius­que se­xus ac­ci­pe­re de­be­mus. 6Sed si per poe­nam de­por­ta­tio­nis ad per­egri­ni­ta­tem red­ac­tus sit pa­tro­nus, pu­tat Pom­po­nius eum amis­is­se11Die Großausgabe liest amis­sis­se statt amis­is­se. ho­no­rem. sed si fue­rit re­sti­tu­tus, erit ei et­iam hu­ius edic­ti com­mo­dum sal­vum. 7Pa­ren­tes pa­tro­ni et­iam ad­op­ti­vi ex­ci­piun­tur: sed tam­diu quam­diu ad­op­tio du­rat. 8Si fi­lius meus in ad­op­tio­nem da­tus sit, vo­ca­ri a li­ber­to meo in ius non pot­erit: sed nec ne­pos in ad­op­ti­va fa­mi­lia sus­cep­tus. sed si fi­lius meus em­an­ci­pa­tus ad­op­ta­ve­rit fi­lium, hic ne­pos in ius vo­ca­ri pot­erit: nam mi­hi alie­nus est. 9Li­be­ros au­tem se­cun­dum Cas­sium, ut in pa­ren­ti­bus, et ul­tra tri­ne­po­tem ac­ci­pi­mus. 10Si li­ber­ta ex pa­tro­no fue­rit eni­xa, mu­tuo se ip­sa et fi­lius eius in ius non vo­ca­bunt. 11Sin au­tem li­be­ri pa­tro­ni ca­pi­tis ac­cu­sa­ve­runt li­ber­tum pa­ter­num vel in ser­vi­tu­tem pe­tie­runt, nul­lus eis ho­nor de­be­tur. 12Prae­tor ait: ‘in ius ni­si per­mis­su meo ne quis vo­cet’. per­mis­su­rus enim est, si fa­mo­sa ac­tio non sit vel pu­do­rem non sug­gi­lat, qua pa­tro­nus con­ve­ni­tur vel pa­ren­tes. et to­tum hoc cau­sa co­gni­ta de­bet fa­ce­re: nam in­ter­dum et­iam ex cau­sa fa­mo­sa, ut Pe­dius pu­tat, per­mit­te­re de­bet pa­tro­num in ius vo­ca­ri a li­ber­to: si eum gra­vis­si­ma in­iu­ria ad­fe­cit, fla­gel­lis for­te ce­ci­dit. 13Sem­per au­tem hunc ho­no­rem pa­tro­no ha­ben­dum, et­si qua­si tu­tor vel cu­ra­tor vel de­fen­sor vel ac­tor in­ter­ve­niat pa­tro­nus. sed si pa­tro­ni tu­tor vel cu­ra­tor in­ter­ve­niat, im­pu­ne pos­se eos in ius vo­ca­ri Pom­po­nius scri­bit et ve­rius est.

10Ulp. lib. V. ad Edictum. Aber wenn ich einen unter der Bedingung gekauft, ihn freizulassen, und dieser vermöge der Constitution des höchstseligen Marcus zu Freiheit gelangt, werde ich vor Gericht nicht berufen werden könne, weil ich Freilasser bin. Habe ich ihn aber mit seinem eigenen Gelde gekauft und mein Versprechen gebrochen, werde ich nicht für den Freilasser gelten. 1Die, welche gegen den Kaufvertrag öffentlich preisgegeben worden ist, wird den Käufer zum Freilasser habe, wenn sie unter der Bedingung verkauft wurde, dass sie frei sei, wenn sie öffentlich preisgegeben worden. Aber wenn der Verkäufer, der sich eigenmächtiges Handanlegen ausdrücklich vorbehalten hat, selbst sie öffentlich preisgegeben, so erhält sie, weil auch sie zur Freiheit gelangt, dieselbe zwar unter dessen Schutze, welcher sie verkauft hat, aber es ist gegen die Billigkeit, dass ihm die Ehrenvorrechte zustehen, wie auch Marcellus im 6. Buche seiner Digesten meint. 2Unter Freilasser verstehen wir auch selbst den, welcher eine capitis deminutio erlitten, oder dessen Freigelassener eine dergleichen erlitten, dadurch, dass er durch Schleichwege adrogirt wird; denn wenn er in diesem Acte seinen Stand verbirgt, so nimmt man nicht an, dass man beabsichtigt, ihn zu einem Freigebornen zu machen. 3Wenn er das Recht, Ringe zu tragen, erlagt hat, glaube ich, dass er dem Freilasser die schuldige Ehrfurcht bezeigen müsse, ob er gleich alle Auszeichnungen eines Freigebornen hat. Etwas anders ist es, wenn der Flecken seiner Geburt getilgt worden ist; denn der Kaiser macht zum Freigebornen. 4Wer von einer Innung, oder einem Collegium, oder einer Stadt freigelassen wird, kann die einzelnen Glieder derselben ins Gericht berufen, weil er nicht dieser einzelnen Freigelassener ist, sondern nur dem Staate als Ganzem Ehrerbietung bezeigen muss; und will er gegen den Staat oder die Innung klagen, so muss er die Erlaubniss nach dem Edicte verlangen, wenn er gleich nur ihren bestellten Actor ins Gericht berufen wird. 5Kinder und Eltern des Freilassers und der Freilasserin müssten wir von beiden Geschlechtern verstehen. 6Aber wenn der Freilasser vermöge der Strafe der Deportation zum Fremdenstande herabgesetzt worden, so glaubt Pomponius, dass er die Ehrenrechte verloren; ist er aber in den vorigen Stand wieder eingesetzt, so wird ihm auf dieses Edicts Vortheil erhalten werden. 7Unter den Eltern des Freilassers sind auch die Adoptiveltern begriffen, aber nur so lange, als die Adoption währt. 8ist mein Sohn in Adoption gegeben worden, so wird er von meinem Freigelassenen nicht in das Gericht berufen werden können: aber auch nicht mein Enkel, der in der Adoptivfamilie erzeugt ist. Hat aber mein emancipirter Sohn nachher einen zum Sohne angenommen, so wird dieser, mein Enkel, ins Gericht berufen werden können, weil er mir fremd ist. 9Unter Kindern aber verstehen wir nach Cassius, sowie bei dem Begriffe von Eltern, auch die, welche über den Grad des Urgrossenkels hinausgehen. 10Wenn eine Freigelassene vom Freilasser Kinder erhalten hat, so wird sie und ihr Sohn gegenseitig sich nicht ins Gericht berufen. 11Wenn aber die Kinder des Freilassers den Freigelassenen des Vaters eines schweren Verbrechens angeklagt, oder gerichtlich sich zum Sclaven erbeten haben, so kommt ihm kein Ehrenrecht zu. 12Der Prätor sagt: dass Niemand ohne meine Erlaubniss vor Gericht berufe; denn er wird es erlauben, wenn die Klage, welche man gegen den Freilasser oder die Eltern anstellt, keine Schande verursacht, oder das Ehrfurchtgefühl nicht verletzt, die man gegen den Freilasser oder die Eltern anstellt. Und dies alles muss er nach vorgängiger Untersuchung thun; denn bisweilen muss er auch, im Fall die Klage Schande bringt, wie Pedius glaubt, erlauben, dass der Freilasser vom Freigelassenen vor Gericht berufen werden, wenn er ihm eine sehr grobe Beleidigung angethan, z. B. Streiche mit der Peitsche gegeben. 13Man muss aber immer dem Freilasser diese Ehre erweisen, auch wenn er als Vormund oder Curator oder Defensor oder Actor in den Process verwickelt werde. Wird aber der Vormund oder Curator des Freilassers darin verwickelt, so können sie, wie Pomponius schreibt, ohne Strafe vor Gericht gerufen werden, und das ist richtiger.

11Pau­lus li­bro quar­to ad edic­tum. Quam­vis non ad­iciat prae­tor cau­sa co­gni­ta se poe­na­le iu­di­cium da­tu­rum, ta­men La­beo ait mo­de­ran­dam iu­ris­dic­tio­nem: vel­uti si pae­ni­teat li­ber­tum et ac­tio­nem re­mit­tat: vel si pa­tro­nus vo­ca­tus non ve­ne­rit: aut si non in­vi­tus vo­ca­tus sit, li­cet edic­ti ver­ba non pa­tian­tur.

11Paul. lib. IV. ad Edictum. Fügt gleich der Prätor nicht hinzu, dass er nach vorläufiger Untersuchung des Strafgerichts gestatten werde, so sagt doch Labeo, man müsse der richterlichen Gewalt hier Zügel anlegen, z. B. wenn es den Freigelassenen gereue und er die Klage aufgebe, oder wenn der berufene Freilasser nicht gekommen sei, oder wenn er nicht gegen seinen Willen berufen worden, obgleich die Worte des Edicts diese Auslegung nicht dulden.

12Ul­pia­nus li­bro quin­qua­gen­si­mo sep­ti­mo ad edic­tum. Si li­ber­tus in ius vo­ca­ve­rit con­tra prae­to­ris edic­tum fi­lium pa­tro­ni sui, quem ip­se pa­tro­nus in po­tes­ta­te ha­bet: pro­ban­dum est ab­sen­te pa­tre sub­ve­nien­dum es­se fi­lio qui in po­tes­ta­te est et ei poe­na­lem in fac­tum ac­tio­nem, id est quin­qua­gin­ta au­reo­rum, ad­ver­sus li­ber­tum com­pe­te­re.

12Ulp. lib. LVII. ad Edictum. Wenn der Freigelassene gegen des Prätors Edict den Sohn seines Freilassers, welchen dieser selbst in seiner Gewalt hat, vor Gericht berufen, so muss man dahin entscheiden, dass man in Abwesenheit des Vaters dem in dessen Gewalt stehenden Sohne zu Hülfe kommen müsse, und dass ihm eine Klage in factum auf Strafe, d. h. auf 50 Goldstücke, gegen den Freigelassenen zustehe.

13Mo­des­ti­nus li­bro de­ci­mo pan­dec­ta­rum. Ge­ne­ra­li­ter eas per­so­nas, qui­bus re­ve­ren­tia prae­stan­da est, si­ne ius­su prae­to­ris in ius vo­ca­re non pos­su­mus.

13Modestin. lib. X. Pandect. Ueberhaupt können wir nicht die Personen, denen man Ehrfurcht bezeigen muss, ohne Befehl des Prätors vor Gericht berufen.

14Pa­pi­nia­nus li­bro pri­mo re­spon­so­rum. Li­ber­tus a pa­tro­no reus con­sti­tu­tus, qui se de­fen­de­re pa­ra­tus pro tri­bu­na­li prae­si­dem pro­vin­ciae fre­quen­ter in­ter­pel­lat, pa­tro­num ac­cu­sa­to­rem in ius non vi­de­tur vo­ca­re.

14Papin. lib. I. Respons. Ein Freigelassener, welcher vom Freilasser in den Beklagtenstand versetzt worden, und auf seine Vertheidigung bedacht, den Vorsteher der Provinz auf dem Richterstuhle oft angeht, scheint den anklagenden Freilasser nicht vor Gericht zu berufen.

15Pau­lus li­bro pri­mo quaes­tio­num. Li­ber­tus ad­ver­sus pa­tro­num de­dit li­bel­lum non dis­si­mu­la­to se li­ber­tum es­se eius: an si ad de­si­de­rium eius re­scri­ba­tur, et­iam edic­ti poe­na re­mis­sa es­se vi­de­tur? re­spon­di non pu­to ad hunc ca­sum edic­tum prae­to­ris per­ti­ne­re. ne­que enim qui li­bel­lum prin­ci­pi vel prae­si­di dat, in ius vo­ca­re pa­tro­num vi­de­tur.

15Paul. lib. I. Quaestionum. Ein Freigelassener ist gegen seinen Freilasser schriftlich eingekommen, ohne zu verbergen, dass er sein Freigelassener sei; scheint ihm nun, im Fall auf sein Begehren geantwortet wird, auch die im Edicte bestimmte Strafe erlassen? Ich habe geantwortet: ich glaube nicht, dass dieser Fall das Edict des Prätors angehe; denn man nimmt ja auch nicht an, dass der, welcher schriftlich beim Quaestor oder dem Vorsteher einer Provinz einkommt, den Freilasser vor Gericht berufe.

16Idem li­bro se­cun­do re­spon­so­rum. Quae­si­tum est, an tu­tor pu­pil­li no­mi­ne pa­tro­nam suam si­ne per­mis­su prae­to­ris vo­ca­re pos­sit. re­spon­di eum, de quo quae­ri­tur, pu­pil­li no­mi­ne et­iam in ius vo­ca­re pa­tro­nam suam po­tuis­se si­ne per­mis­su prae­to­ris.

16Id. lib. II. Responsorum. Man hat gefragt, ob der Vormund im Namen des Mündels eine Freilasserin ohne Erlaubniss des Prätors berufen könne. Ich habe geantwortet, dass der fragliche Mann im Namen seines Mündels seine Freilasserin auch ohne Erlaubniss des Prätors vor Gericht habe berufen können.

17Idem li­bro pri­mo sen­ten­tia­rum. Eum, pro quo quis apud of­fi­cium ca­vit, ex­hi­be­re co­gi­tur. item eum qui apud ac­ta ex­hi­bi­tu­rum se es­se quem pro­mi­sit, et si11Die Großausgabe liest et­si statt et si. of­fi­cio non ca­veat, ad ex­hi­ben­dum ta­men co­gi­tur.

17Id. lib. I. Sententiarum. Man wird gezwungen, den zu stellen, für welchen man beim niedern Gerichtspersonale Sicherheit gestellt hat. Ingleichen wird der, welcher zu Protocoll versprochen hat, dass er Jemanden stellen werde, obgleich er dem niedern Gerichtspersonale keine Sicherheit leistet, ihn zu stellen gezwungen.

18Gaius li­bro pri­mo ad le­gem duo­de­cim ta­bu­la­rum. Ple­ri­que pu­ta­ve­runt nul­lum de do­mo sua in ius vo­ca­ri li­ce­re, quia do­mus tu­tis­si­mum cui­que re­fu­gium at­que re­cep­ta­cu­lum sit, eum­que qui in­de in ius vo­ca­ret vim in­fer­re vi­de­ri.

18Gaj. lib. I. ad Legem XII. Tabularum. Sehr viele haben geglaubt, es sei nicht erlaubt, Jemand von seinem Hause weg vor Gericht zu berufen, weil das Haus jedem der sicherste Zufluchtsort sei; und der, welcher von da weg Jemanden vor Gericht berufe, scheine ihm Gewalt anzuthun.

19Pau­lus li­bro pri­mo ad edic­tum. Sa­tis­que poe­nae sub­ire eum, si non de­fen­da­tur et la­ti­tet, cer­tum est, quod mit­ti­tur ad­ver­sa­rius in pos­ses­sio­nem bo­no­rum eius. sed si ad­itum ad se prae­stet aut ex pu­bli­co con­spi­cia­tur, rec­te in ius vo­ca­ri eum Iu­lia­nus ait.

19Paul. lib. I. ad Edictum. Und gewiss leidet er genug Strafe dadurch, dass, wenn er nicht vor Gericht vertheidigt wird und verborgen bleibt, sein Gegner in den provisorischen Besitz der Güter desselben eingewiesen wird. Aber wenn er Zugang zu sich gestattet oder von der Strasse aus erblickt wird, so wird er, wie Julian sagt, den Rechten gemäss vor Gericht berufen.

20Gaius li­bro pri­mo ad le­gem duo­de­cim ta­bu­la­rum. Sed et­iam ab ia­nua et ba­li­neo et thea­tro ne­mo du­bi­tat in ius vo­ca­ri li­ce­re.

20Gaj. lib. I. ad Legem XII. Tabularum. Aber dass auch vom Weinberg, Bad und Theater weg Jemand vor Gericht berufen werden dürfe, bezweifelt Niemand.

21Pau­lus li­bro pri­mo ad edic­tum. Sed et­si is qui do­mi est in­ter­dum vo­ca­ri in ius pot­est, ta­men de do­mo sua ne­mo ex­tra­hi de­bet.

21Paul. lib. I. ad Edictum. Obgleich der, welcher zu Hause ist, bisweilen vor Gericht berufen werden kann, so darf doch Niemand aus seinem Hause herausgezogen werden.

22Gaius li­bro pri­mo ad le­gem duo­de­cim ta­bu­la­rum. Ne­que im­pu­be­res puel­las, quae alie­no iu­ri sub­iec­tae es­sent, in ius vo­ca­re per­mis­sum est. 1Qui in ius vo­ca­tus est, duo­bus ca­si­bus di­mit­ten­dus est: si quis eius per­so­nam de­fen­det, et si, dum in ius venitur, de re trans­ac­tum fue­rit.

22Gaj. lib. I. ad Legem XII. Tabul. Auch ist es nicht erlaubt, noch nicht erwachsene Mädchen, die fremder Gewalt unterworfen sind, ins Gericht zu berufen. 1Wer vor Gericht berufen worden ist, muss in zwei Fällen entlassen werden: wenn Jemand seine Vertheidigung vor Gericht besorgt, und wenn, während man ins Gericht geht, Vergleich über die Sache zu Stande gekommen ist.

23Mar­cia­nus li­bro ter­tio in­sti­tu­tio­num. Com­mu­nis li­ber­tus li­cet plu­rium sit, de­bet a prae­to­re pe­te­re, ut ei li­ceat vel quen­dam ex pa­tro­nis in ius vo­ca­re, ne in poe­nam in­ci­dat ex edic­to prae­to­ris.

23Marcian. lib. III. Institut. Ein Mehreren gemeinschaftlicher Freigelassener muss, ob er gleich Mehreren angehört, doch den Prätor ersuchen, dass es ihm gestattet werde, sogar nur einen seiner Freilasser vor Gericht zu berufen, damit er dem Edict des Prätors nach nicht in Strafe falle.

24Ul­pia­nus li­bro quin­to ad edic­tum. In eum, qui ad­ver­sus ea fe­ce­rit, quin­qua­gin­ta au­reo­rum iu­di­cium da­tur: quod nec he­redi nec in he­redem nec ul­tra an­num da­tur.

24Ulp. lib. V. ad Edictum. Gegen den, welcher gegen Obiges gehandelt, wird eine Klage auf 50 Goldstücke, jedoch weder dem Erben, noch gegen den Erben, noch über Jahresfrist hinaus, verstattet.

25Mo­des­ti­nus li­bro pri­mo de poe­nis. Si si­ne ve­nia edic­ti im­pe­tra­ta li­ber­tus pa­tro­num in ius vo­ca­ve­rit, ex que­rel­la pa­tro­ni vel su­pra­dic­tam poe­nam, id est quin­qua­gin­ta au­reos dat vel a prae­fec­to ur­bi qua­si in­of­fi­cio­sus cas­ti­ga­tur, si in­opia di­nos­ci­tur la­bo­ra­re.

25Modestin. lib. I. de Poenis. Wenn ein Freigelassener seinen Freilasser vor Gericht berufen hat, ohne die im Edicte enthaltene Erlaubniss erhalten zu haben, so erlegt er, auf vom Freilasser erhobene Beschwerde, entweder die genannte Strafe, d. h. 50 Goldstücke, oder im Fall man seine Armuth erfährt, wird er vom Präfect der Stadt als einer, der pflichtwidrig gehandelt, am Leibe gestraft.