De edendo
(Vom Vorzeigen.)
1Ulp. lib. IV. ad Edict. Jeder muss die Klage vorzeigen, die er anstellen will. Denn es scheint sehr billig, dass der, welcher klagen will, die Klage angebe, damit der Beklagte weiss, ob er weichen oder weiter fortstreiten solle, und wenn er fortzustreiten gedenket, vorbereitet zur Verhandlung komme, nachdem er die Klage, welche gegen ihn angestellt wird, erfahren hat. 1Vorzeigen heisst auch, die Erlaubniss zur Abschrift ertheilen, oder in einem schriftlichen Aufsatze umfassen und denselben dem Andern geben oder dictiren. Auch der, sagt Labeo, zeige vor, welcher den Gegner zur weissen Tafel führt und ihm zeigt, was er dictiren werde oder mündlich angiebt, wovon er Gebrauch machen will. 2Die Vorzeigungen müssen ohne Bezeichnung des Tages und Consuls geschehen, damit, wenn Tag und Consul mit angegeben worden, nichts ausgeklügelt und vor dem benannten Tage vollbracht werde. Nur den Tag und den Consul hat der Prätor ausgenommen, an welchem die Zahlung vor sich gehen soll; denn der Zahlungstermin ist eben so, wie die zu zahlende Summe, ein Theil der Stipulation. Jedoch Rechnungen müssen mit Angabe des Tags und Consuls vorgezeigt werden, weil Einnahme und Ausgabe nicht im Klaren sein können, wenn Tag und Consul nicht angegeben worden. 3Vorgezeigt muss alles werden, was man dem Richter selbst vorzeigen will, doch so, dass Niemand gezwungen werde, Urkunden vorzuzeigen, von denen er keinen Gebrauch machen will. 4Wer nicht die ganze Stipulation vorzeigt, scheint gar nicht vorzuzeigen. 5Denen, welche wegen Jugend, schuldloser Unwissenheit oder des Geschlechts [d. i. als weibliche Personen] sich geirrt und nichts vorgezeigt, oder diess aus einer andern gerechten Ursache nicht gethan haben, wird Schonung ertheilt werden.
3Marician. lib. II. de Poenis. Der Senat hat beschlossen, dass keiner von denen, welchen etwas für den Fiscus eingeklagt wird, andere Urkunden dem Angeber vorzuzeigen gezwungen wird, andere Urkunden dem Angeber vorzuzeigen gezwungen werden dürfe, als solche, welche zu der Sache gehörten, weshalb seinem Bekenntnisse nach die Denunciation geschehen sei.
4Ulp. lib. IV. ad Edict. Der Prätor sagt: die, welche einem Geldhändlertische vorstehen, sollen Rechnungen denen, welche sie betreffen, mit Angabe des Tages und des Consuls vorzeigen. 1Der Grund zur Aufstellung dieses Edicts ist sehr billig: denn da die Geldhändler (argentarii) die Rechnungen einzelner Individuen führen, so war es billig, dass die Urkunde, welche er meinetwegen ausgestellt, als mir gewissermaassen zugehörig ausgeantwortet werde. 2Aber auch ein Haussohn wird unter diesen Worten begriffen, so dass auch er selbst gezwungen werden kann, die Rechnungen vorzuzeigen; ob auch der Vater, ist die Frage. Labeo schreibt, dass der Vater nicht gezwungen werden dürfe, es müsste denn der Geldhandel mit seinem Wissen geführt werden: aber Sabinus hat mir Recht geantwortet, dies sei dann zuzulassen, wenn der aus dem Gelde gezogene Gewinn dem Vater gehöre. 3Aber wenn ein Sclave den Geldhandel betreibt — denn das kann er — so müsse, im Falle er dies mit Willen des Herrn gethan, dieser zum Vorzeigen gezwungen werden, und man müsse eben so gegen ihn die Klage gestatten, als ob er selbst den Handel getrieben; hat er es aber ohne Wissen des Herrn gethan, so reiche es hin, wenn der Herr schwöre, die Rechnungen besitze er nicht. Hat der Sclave mit seinem Sondergute den Geldhandel betrieben, so wird der Herr bis auf die Quantität des Sondergutes oder wegen des zu seinem Nutzen verwendeten Geldes verbindlich. Aber wenn der Herr die Rechnungen besitzt und nicht vorzeigt, so wird er für den ganzen Betrag verbindlich. 4Auch der, welcher aufgehört hat, Geldhandel zu treiben, wird zum Vorzeigen gezwungen. 5Man wird gezwungen, nur an dem Orte vorzuzeigen, wo man den Geldhandel getrieben hat, und das ist gesetzlich bestimmt. Hat Jemand die Urkunden für seinen Handel in einer andern Provinz, als wo er das Geschäft selbst geführt, so glaube ich, er müsse zum Vorzeigen an den Orte gezwungen, wo er den Geldhandel getrieben. Denn das ist zuerst seine eigene Schuld gewesen, dass er die Urkunden dazu wo andershin geschafft hat. Doch wenn er an einem andern Orte den Geldhandel betrieb, als wo er zum Vorzeigen angehalten werden wird, so wird er keineswegs dies zu thun gezwungen, du müsstest denn haben wollen, dass er an dem Orte, wo die Sache verhandelt wird, dir eine Abschrift gäbe, und das auf deine Kosten,
6Ulp. lib. IV. ad Edict. Wenn einer von den Geldhändlern, so wie es sehr viele von ihnen thun, auf dem Landhause, oder in seiner Niederlage die Rechnungen haben sollte, so wird er dich entweder dahin führen, oder dir die Rechnungen in Abschrift geben. 1Auch die Nachfolger in die Güter des Geldhändlers werden gezwungen werden, die Rechnungen vorzuzeigen. Sind mehrere Erben vorhanden und hat nur Einer die Rechnungen, so wird er allein zum Vorzeigen gezwungen; wenn alle sie besitzen und nur ein Einziger sie vorgezeigt hat, so sind alle zum Vorzeigen zu zwingen. Denn wie, wenn ein armer Schlucker, der wenig Credit hat, sie vorgezeigt, so dass man an der Glaubhaftigkeit, mit der die Vorzeigung geschehen, mit Recht zweifeln könnte. Damit also die Rechnungen verglichen werden können, müssen die Uebrigen entweder sie auch vorzeigen, oder des Einen Angabe unterschreiben. Dasselbe wird Statt finden, wenn es auch mehrere Geldhändler gewesen, von denen die Vorzeigung erheischt wird; denn auch, wenn mehrere Vormünder zusammen eine Vormundschaft verwaltet haben, müssen sie entweder alle die Rechnungen vorzeigen, oder des Einen Angabe unterschreiben. 2Man verlangt aber vom Gegner des Geldhändlers einen Eid, dass er versichere, nicht aus Chicane Vorzeigung der Documente zu verlangen; damit er, um den Geldwechsler zu vexiren, nicht etwa die Vorzeigung entweder überflüssiger Rechnungen, oder solcher, die er selbst hat, verlange. 3Rechnung, sagt Labeo, sie die Aufzeichnung der durch Hin- und Wiedergeben, Einnehmen, Borgen, Sichverbindlichmachen und Bezahlen gemachten Geschäfte; und keine Rechnung fange von der Bezahlung einer Schuld allein an; auch sei man nicht zu zwingen, dass man vorzeige, wenn man eine Pfand oder einen Auftrag erhalten habe: denn das liege ausser dem Kreise der Rechnung. Auch was der Geldhändler zu bezahlen versprochen hat, muss er vorzeigen; denn auch das ist Folge des Geldhandels. 4Aus diesem Edicte steht die klage auf so viel zu, als das Interesse betrug. 5Daher ist es klar, dass es erst dann von Wirkung sein könne, wenn die Rechnung mich betrifft. Sie scheint mich aber zu betreffen, wenn du sie nur auf meinen Auftrag geführt hast; hat indess in meiner Abwesenheit mein Anwalt den Auftrag dazu gegeben, muss dann mir die Rechnung vorgezeigt werden, als ob sie mich betreffe? Und es ist mehr dafür vorhanden, dass sie mir vorgezeigt werde. Eine Rechnung, in der er mit mir steht, bezweifle ich nicht, müsse er auch meinem Anwalte vorzeigen, gleich als ob sie ihn betreffe, und dieser müsse Sicherheit für Genehmhaltung seiner Handlungen stellen, wenn es ihm nicht besonders aufgetragen worden. 6Wenn der Anfang der Tafeln, auf welchen die Rechnung des Titius geschrieben ist, den Tag enthält, gleich nachher aber meine Rechnung steht und keinen Tag oder Consul aufweist, so muss auch mir Tag und Consul vorgezeigt werden: denn Vorsetzung des Tages und Consuls ist allen Rechnungen gemeinschaftlich. 7Vorzeigen (edi) aber heisst entweder dictiren, oder schriftlich geben, oder das Rechnungsbuch aufschlagen. 8Der Prätor sagt: Einem Geldhändler oder dem, welcher das Vorzeigen zum andern Male verlangen wird, werde ich nach vorläufiger Untersuchung der Sache vorzuzeigen befehlen. 9Er hindert die Vorzeigung der Rechnung an den Geldhändler deshalb, weil dieser doch selbst mit Urkunden seines Gewerbes versehen sein kann, und es absurd ist, selbst in den Umständen zu sein, dass man sie vorzeigen müsse, und dennoch zu verlangen, dass Andere sie ihm vorzeigen. Sehen wir, ob auch dem Erben des Geldhändlers die Rechnung nicht vorgezeigt werden müsse? Allerdings muss dies nicht geschehen, wenn er selbst zum Besitze der Urkunden über den Geldhandel gekommen ist; wo nicht, so muss sie ihm aus triftigen gründen vorgezeigt werden; denn auch dem Geldhändler selbst muss eine Rechnung aus Gründen vorgezeigt werden, wenn er beweist, dass er sie durch Schiffbruch, Einsturz, Feuersbrunst oder durch einen heimlichen Unfall verloren, oder dass er sie an einem zu weit entfernten Orte habe, z. B. über dem Meere drüben. 10Auch einem, der zum zweiten Male um Vorzeigung bittet, gestattet der Prätor sein Suchen nicht anders, als aus triftigen Gründen,
7Ulp. lib. III. ad Edict. z. B. wenn er beweist, dass er die Abschrift dessen, was ihm zum ersten Male vorgezeigt worden, weit von dem Orte entfernt habe; oder dass nicht Alles vorgezeigt worden, oder dass er Rechnungen durch unvorhergesehenen Unfall, nicht aber durch Nachlässigkeit, verloren. Hat er sie nämlich durch Zufall, der ihm nicht zugerechnet werden kann, verloren, so wird der Prätor von neuem Befehl zum Vorzeigen ertheilen. 1Der Ausdruck zum andern Male bedeutet zwei Dinge; erstens zeigt er auf eine bestimmte zweite Zeit, was die Griechen δεύτερον nennen. Zweitens bezieht er sich auch auf alle Folgezeiten, eine Bedeutung, welche die Griechen durch πάλιν ausdrücken. Hier versteht man ihn von: so oft es nothwendig sein wird. Denn es kann sein, dass Jemand eine zweimal vorgezeigte Rechnung verloren habe. Demnach ist hier zum andern Male für öfter zu nehmen.
8Ulp. lib. IV. ad Edict. Wenn ein Geldhändler Rechnungen vorzuzeigen befehligt wird, so wird er dann bestraft, wenn er sie aus bösem Vorsatze nicht aushändigt. Aber Schuld wird er nicht büssen, ausser derjenigen, welche dem bösen Vorsatze sehr nahe kommt. Aus bösem Vorsatze zeigt eben so sehr derjenige nicht vor, welcher die Rechnungen nur aus Chicane vorzeigt, als wer sie gar nicht vorzeigt. 1Wer diesem Edicte verfällt, ersetzt soviel, als mein Interesse, die Vorzeigung der Rechnungen zu erhalten, damals betrug, als die Vorzeigung vom Prätor anbefohlen wurde; nicht soviel, als es jetzt beträgt. Und hat vielleicht das Interesse ganz aufgehört, oder hat es angefangen, geringer oder grösser zu sein, so wird doch die Klage weder auf mehr noch auf weniger gerichtet werden können.
9Paul. lib. III. ad Edictum. Es giebt einige Personen, die uns die Rechnungen vorzeigen müssen, und doch vom Prätor durch das vorliegende Edict nicht dazu gezwungne werden. Wenn z. B. ein Anwalt meine Geschäfte und Rechnungen geführt, so wird er nicht vom Prätor durch die Furcht vor der Klage in factum gezwungen, die Rechnungen vorzuzeigen; weil wir nämlich dasselbe durch die Klage aus dem Auftrage erlangen können. Und hat mein Gesellschafter die Geschäfte aus bösem Vorsatze schlecht geführt, so kommt der Prätor mit unserer Vorschrift nicht ins Spiel; denn es steht mir die Klage aus dem Gesellschaftsvertrage zu. Auch den Vormund zwingt der Prätor nicht, auf diese Weise seinem Mündel die Rechnungen vorzuzeigen, sondern er pflegt dazu durch die Klage aus der Vormundschaft gezwungen zu werden. 1Es ist kein Unterschied, ob die Erben, der Vater oder der Herr des Geldhändlers zu dessen Profession gehörten, weil sie an die Stelle und in die Rechte des Geldhändlers rücken und deshalb auch seine Verpflichtungen übernehmen müssen. Wem aber der Geldhändler seine Rechnungen vermacht hat, der wird nicht hierunter begriffen zu sein scheinen, weil in diesen Worten eben so wenig ein Nachfolger im Rechte angedeutet wird, als wenn er sie ihm bei seinem eigenen Leben geschenkt habe. Auch die Erben werden nicht in Strafe kommen, weil sie weder dieselben besitzen, noch aus bösem Vorsatze den Besitz derselben aufgegeben haben. Wenn dem Erben indess, bevor er sie dem Legatar übergab, angekündigt wurde, er solle sie nicht früher übergeben, so wird er in Strafe kommen, als habe er aus bösem Vorsatze so gehandelt. Gleichfalls wird er straffällig sein, bevor er sie übergiebt. Wenn er in gar nichts mit bösem Vorsatze gehandelt, so muss nach vorläufiger Untersuchung der Sache der Legatar zum Vorzeigen gezwungen werden. 2Pomponius schreibt, es sei nicht unbillig, auch Geldwechsler (numularios) zum Vorzeigen von Rechnungen zu zwingen, weil auch diese, sowie die Geldhändler, Rechnungen führen, weil sie Geld empfangen und Theil für Theil ausgeben, wovon die Beweise besonders in ihren schriftlichen Aufzeichnungen und Handelsbüchern liegen: und sehr oft muss auf ihre Zuverlässigkeit gebaut werden. 3Uebrigens befiehlt der Prätor, dass die betreffenden Rechnungen nur denen vorgezeigt werden, welche es verlangen und schwören, dass sie dies nicht aus Chicane verlangen. 4Uns aber betreffen sie nicht allein dann, wenn wir selbst mit Jemanden contrahirt, oder dem contrahirenden Theile Erben geworden sind, sondern auch, wenn der, welcher in unserer Gewalt steht, contrahirt hat.
10Gaj. lib. I. ad Edictum prov. Wenn ein Geldhändler den Befehl erhält, die Rechnungen vorzuzeigen, so ist es kein Unterschied, ob mit diesem selbst oder mit einem Andern Streit obwaltet. 1Man zwingt aber nur Geldhändler, und keine andern von ihnen verschiedene Personen, zur Vorzeigung von Rechnungen, deshalb, weil nur ihr Wirkungskreis und ihr Dienst öffentlich ist, und es eine vorzügliche Beschäftigung derselben ausmacht, dass sie über ihre Geschäfte genau Rechnung führen. 2Vorzeigen einer Rechnung versteht man so, dass sie ganz vorgezeigt werde; denn sonst kann keine Rechnung verstanden werden, nicht als ob man das ganze Rechnungsbuch einzusehen und abzuschreiben Jedem verstatten müsse, sondern damit nur der Theil der Rechnungen, welcher auf Jedes Instruction Bezug hat, eingesehen und abgeschrieben werde. 3Weil aber die Klage nur auf soviel zusteht, als dem Kläger daran liegt, dass ihm die Rechnungen vorgezeigt wurden, so wird es kommen, dass, es mag nun Jemand verurtheilt worden sein, oder, warum er gebeten, eben deshalb nicht erlangt haben, weil er keine Rechnungen gehabt, mit denen er sein Ansuchen hätte unterstützen können, er dieses alles was er auf diese Weise verloren, vermittelst dieser Klage erhalte. Sehen wir indess, ob dies ausführbar sei. Wenn er nämlich bei dem Richter, welcher zwischen ihm und dem Geldhändler entscheidet, beweisen kann, dass er in jenem Processe, wo er unterlegen, habe siegen können, so wird er den Beweis auch damals haben führen können; und wenn er es nicht beweisen kann, oder der Richter seinen Beweis nicht beachtet, so muss er sich das selbst oder dem Richter zuschreiben. Aber so ist es nicht: denn es ist ja möglich, dass ich jetzt der Rechnungen entweder auf sein eigenes Vorzeigen oder auf andere Art habhaft geworden bin, oder vermöge anderer Urkunden oder Zeugen, die ich vorher aus einem anderen Grunde nicht gebrauchen konnte, zu erweisen im Stande bin, ich habe siegen können. Denn auf dieselbe Weise steht uns ja auch die Condiction wegen einer heimlich entwedeten oder verderbten Verschreibung und die Klage auf Vergütung ungerechten Schadens zu, weil wir das, was vorher wegen Vorenthaltung der Verschreibung nicht bewiesen werden konnte, und deshalb den Process verlieren machte, jetzt vermittelst anderer Urkunden oder durch Zeugen, die wir damals nicht gebrauchen konnten, zu erweisen im Stande sind.
11Modestin. lib. III. Regularum. Man hat angenommen, dass Copien von Urkunden auch ohne Unterschrift dessen, welcher sie vorzeigt, vorgezeigt werden können.
12Callistrat. lib. I. Edicti Monitorii. Frauen scheinen von dem Berufe eines Geldhändlers ausgeschlossen zu sein, weil dies eine nur für Männer passende Beschäftigung ist.
13Ulp. lib. IV. ad Edictum. Diese Klage wird weder nach Jahresfrist, noch gegen den Erben, ausser, wenn eine Handlung von ihm der Grund der Klage ist, wohl aber dem Erben, verstattet werden.