De feriis et dilationibus et diversis temporibus
(Von den Gerichtsferien und Aufschubsgestattungen und der Berechnung verschiedener Zeiten.)
1Ulp. lib. IV. de omnibus Tribunalibus. Dass Niemand den Gegner zwinge, zur Zeit der Ernte oder Weinlese vor Gericht zu kommen, ist in der Rede (Verordnung) des höchstseligen Marcus gesagt; weil die, welche mit Landarbeit zu thun haben, nicht zum vor Gericht Erscheinen zu zwingen sind. 1Aber wenn ein Prätor entweder aus Unwissenheit oder auch Nachlässigkeit sie berufen und sie freiwillig gekommen sind, so wird, wenn derselbe in ihrer Gegenwart und mit ihrem Willen das Urtheil gesprochen hat, dieses von Wirkung sein, obgleich er nicht recht gehandelt, als er sie berufen. Wenn er aber da, wo sie fortdauernd abwesend waren, auch in ihrer Abwesenheit ein Urtheil gesprochen hat, so wird man dem Obigen zu Folge sagen, dass dies Urtheil nichtig sei; denn die Handlung des Prätors kann dem Rechte keinen Eintrag thun. Und auch ohne Appellation wird das Urtheil also ungültig werden. 2Aber es sind einige Fälle ausgenommen, wo man gezwungen werden kann, auch während der Zeit, so Ernte und Weinlese ist, vor den Prätor zu kommen, nämlich wenn die Sache durch Ablauf von Zeit wahrscheinlich untergeht, d. h. wenn eine Aufschubsgestattung (dilatio) die Klage völlig aufheben würde. Allerdings, so oft es die Sache nothwendig erheischt, ist man zu zwingen, vor dem Prätor zu erscheinen; aber billig ist es, dass man nur gezwungen werde, sich auf die Klage einzulassen. Und das ist in den Worten der Rede enthalten. Wenigstens hat diese, wenn die eine Partei es verweigern sollte, nach der Einlassung weiter rechtlich zu verfahren, ihr Aufschub zugesichert.
2Idem lib. V. ad Edict. Durch das Ablesen derselben Rede hat der höchstselige Marcus bewirkt, dass in gewissen andern Fällen auch an Ferientagen der Prätor angegangen werden dürfe; z. B. damit Vormünder oder Curatoren bestellt, oder Nachlässige ihrer Pflicht erinnert, Entschuldigungsgründe angeführt, Alimente bestimmt, der Beweis des Alters geführt, provisorischer Besitz für ein ungeborenes Kind, oder wegen der Erhaltung des Streitgegenstandes, oder der Legate und Fideicommisse halber, oder um künftigem Schaden vorzubeugen, verfügt werden, ebenfalls wegen Aushändigung von Testamenten; damit ein Curator für das Vermögen dessen bestellt werde, von welchem es ungewiss ist, ob er je einen Erben haben werde; oder wegen Ernährung von Kindern, Eltern und Freilassern; oder wegen Antretung einer Schulden halber verdächtigen Erbschaft; oder damit eine schwere Beleidigung durch Augenschein gewürdert werde; oder wenn Einem eine Freilassung in einem Fideicommisse auferlegt ist.
3Idem lib. II. ad Edict. Es pflegt auch zur Ernte- und Weinlesezeit Recht über solche Dinge gesprochen zu werden, deren man durch Ablauf von Zeit oder durch Tod verlustig werden würde; durch Tod, wie z. B. Klagen wegen Diebstahl, wegen unrechtlicher Zufügung von schaden, wegen schwerer Beleidigungen, wenn Jemand beschuldigt wird, bei einer Feuersbrunst, einem Schiffbruche, oder Eroberung einer Flösse oder eines Schiffes sich des Raubes schuldig gemacht zu haben; und wenn dergleichen ähnliche Fälle vorliegen. Ebenfalls wenn die Gegenstände durch Ablauf von Zeit zu Grunde gehen würden, z. B. wenn die Frist, binnen der geklagt werden darf, ablaufen würde. 1Auch Klagen über Freiheit werden zu jeder Zeit angenommen. 2Ebenfalls gegen den, welcher der Jahrmärkte halber gegen das allgemeine Beste etwas erhalten hat, wird zu jeder Zeit Recht gesprochen.
5Ulp. lib. LXII. ad Edict. Den 31. December pflegen die Obrigkeiten weder Recht zu sprechen, noch sonst Audienz zu geben.
6Idem lib. LXXVII. ad Edictum. Wenn in Ferientagen das Urtheil gefällt worden, so ist gesetzlich vorgeschrieben, dass an diesen Tagen jedes Urtheil null sei, was nicht mit Willen der Parteien gefällt ist; und dass, wenn anders gegen diese Vorschrift geurtheilt worden, keiner verbunden sein soll, die ihm zuerkannte Verbindlichkeit zu erfüllen oder zu bezahlen, und dass Niemand, wenn er deshalb vor Gericht angegangen worden, ihn zwingen soll, die zuerkannte Verbindlichkeit zu erfüllen.
7Idem lib. I. de offic. Consulis. In der Rede des höchstseligen Marcus ist zwar ausgedrückt, es solle wegen Zusammensuchen von Beweisemitteln nicht mehr als Eine Dilation ertheilt werden. Aber zum Nutzen der Parteien pflegt nach vorläufiger Untersuchung der Sache dem Urtheile der Ortsgerichte gemäss sowohl in derselben, als in einer andern Provinz, auch zum zweiten Male Dilation gestattet zu werden; und besonders, wenn etwas Unverhofftes sich ereignen sollte. Wenn ein schon Verstorbener wegen der Beweismittel eine Dilation erhalten hat, so muss man sehen, ob sie auch seinem Nachfolger zu geben sei, oder ob sie vielmehr, weil sie schon gegeben, nicht mehr zu geben sei? Und es ist mehr dafür vorhanden, dass sie auch diesem nach vorläufiger Untersuchung der Sache gegeben werden müsse.
8Paul. lib. XIII. ad Sabin. Der Römischen Gewohnheit zufolge fängt der Tag von Mitternacht an, und endigt sich mit der Mitte der folgenden Nacht, und was daher nur in diesen 24 Stunden, d. h. zwei halben Nächten und dem dazwischenliegenden Tage verhandelt wurde, ist ebenso, als ob es zu jeder Tagesstunde verhandelt worden sei.
9Ulp. lib. VII. de offic. Proconsulis. Der höchstselige Trajan hat dem Minucius Natalis rescribirt, dass Ferien nur von den gerichtlichen Geschäften entbänden; was aber zur Kriegszucht gehöre, müsse auch an Ferientagen vollbracht werden, wozu auch die Besichtigung der Wachen gehöre.
10Paul. lib. V. Sententiar. In Geldsachen kann Dilation nicht mehr als einmal in einzelnen Processen, in peinlichen aber können dem Beklagten drei, dem Kläger zwei Dilationen gegeben werden, beides jedoch nach vorläufiger Untersuchung der Sache.