De lege Rhodiaa de iactu
(Von dem Rhodischen Gesetze über den Seewurf.)
aDie Großausgabe liest Rodia statt Rhodia.
2Idem lib. XXXIV. ad Ed. Wenn, da das Schiff Noth litt, Seewurf geschehen ist, so müssen die Eigenthümer der aufgeopferten Waaren, falls sie die Waaren zur Fracht verdungen hatten, die Miethklage gegen den Schiffer anstellen; dieser kann sodann die Uebrigen, deren Waaren erhalten worden, mit der Vermietherklage belangen, damit der Schade verhältnissmässig übertragen werde. Servius hat zwar begutachtet, man müsse die Miethklage gegen den Schiffer darauf richten, dass er die Waaren der übrigen Reisenden zurückhalte, bis sie ihren Antheil zur Entschädigung leisten. Wenn aber der Schiffer auch die Waaren nicht zurückhält, so wird er doch an sich schon die Vermietherklage gegen die Reisenden11Man muss hierbei an die Sitte des Alterthums denken, dass der Kaufmann oder dessen Sclav seine verschifften Waaren selbst zu begleiten pflegte. haben; denn wie wenn darunter einige sind, die kein Gepäck haben? Indess ist es dienlicher, wenn dergleichen da ist, es zurückzuhalten. Wo nicht, so wird Einer, der das ganze Schiff gemiethet hat, die Mietherklage haben, so wie die Passagiere, die Plätze auf dem Schiffe gemiethet haben; denn es ist höchst billig, dass der Schade von denen übertragen werde, die durch Aufopferung des Eigenthums Anderer die Rettung ihrer eigenen Waaren erlangt haben. 1Wenn die Güterladung erhalten, das Schiff aber beschädigt worden ist, oder vom Takelwerk etwas verloren hat, so ist kein Beitrag zu geben, weil es sich mit den Sachen, die des Schiffes wegen angeschafft werden, ganz anders verhält, als mit denen, wofür Fracht bezahlt worden ist; denn auch wenn ein Schmied seinen Ambos oder Hammer zerschlägt, kann dies nicht dem angerechnet werden, der die Arbeit ihm verdungen hat; wenn aber jener Schade mit Willen der Schiffenden oder aus Furcht vor irgend einer Gefahr verhängt worden ist, so muss derselbe ersetzt werden. 2Ein Schiff, in welchem viele Kaufleute verschiedene Arten von Waaren verladen hatten und zugleich ausserdem viele Passagiere, Sclaven sowohl als Freie, fuhren, hatte bei einem schweren Sturme nothgedrungen Waaren über Bord geworfen. Darauf wurde gefragt: ob Alle den Seewurf übertragen müssten, auch diejenigen, die Waaren in das Schiff gebracht, wodurch es nicht belastet wurde, wie Edelsteine und Perlen? und welcher Antheil zu tragen sei? und ob auch für die freien Menschen etwas gegeben werden müsse? und mit welcher Klage diese Sache ausgemacht werden könne? Man fand für gut, dass Alle, zu deren Vortheil der Seewurf gereicht, beitragen müssten, weil sie zu solchem Beitrag wegen Rettung ihrer Sachen verbunden seien; daher sei auch der Eigenthümer des Schiffes antheilig dazu verbunden. Der Betrag des Verlustes muss nach dem Werthe der Sachen vertheilt werden; freie Menschen können nicht geschätzt werden; die Eigenthümer der über Bord geworfenen Sachen werden gegen den Schiffer (nauta), das heisst, gegen den Capitain (magister) die Miethklage haben. So ist auch in Anregung gebracht worden, ob auch die Kleider und die Fingerringe eines Jeden mit zu berechnen seien? Und man hat erachtet, es sei Alles zu berechnen, es wäre denn dies und jenes geladen worden, um verzehrt zu werden, wohin Lebensmittel gehören, um so mehr, weil, wenn diese auf der Fahrt einmal mangelten, jeder soviel als er hätte, zum gemeinsamen Gebrauch hergeben würde. 3Wenn ein Schiff von Seeräubern losgekauft wird, so sagen Servius, Ofilius, Labeo: es müssen Alle beitragen; was aber die Seeräuber rauben, verliere der, dem es gehört; auch sei zum Besten Eines, der seine eigenen Waaren losgekauft habe, nichts zu übertragen. 4Der Beitrag wird übrigens nach dem Werthe der geretteten und der ausgeworfenen Sachen zusammen geleistet, und es thut zur Sache nichts, wenn die ausgeworfenen theurer zu verkaufen sein würden, weil nur der Schade, nicht der [eingebüsste] Gewinn ersetzt wird. Diejenigen Sachen aber, wegen derer beizutragen ist, müssen nicht wie sie eingekauft, sondern wie sie zu verkaufen sind, geschätzt werden. 5Auch die Sclaven, die im Meere umgekommen sind, werden eben so wenig in Anschlag gebracht, als wenn welche im Schiffe an Krankheit gestorben sind oder sich hinabgestürzt haben. 6Wenn Jemand unter den Reisenden nicht zahlungsfähig ist, so hat der Capitain diesen Schaden nicht zu tragen; denn ein Schiffer braucht nicht das Vermögen eines Jeden zu untersuchen. 7Wenn ausgeworfene Dinge wieder zum Vorschein kommen, so fällt die Uebertragung weg; sind die Beiträge schon gegeben, so können diejenigen, die bezahlt haben, die Miethklage gegen den Schiffer anstellen, damit er die Vermietherklage22Ut ex conducto experiatur. Dagegen oben pr. h. fr. ex locato habiturus est actionem cum vectoribus. Geht gleich jene Stelle auf die Eintreibung der Beiträge, diese auf die Zurückforderung der als Nichtschuld gezahlten, so kann doch nur dieselbe Klage gemeint sein, da sie in beiden Stellen auf den Schiffercontract gegründet ist. Die Verschiedenheit der Benennungen rührt aber daher, dass der Schiffercontract bald als locatio operarum gilt, wo der Schiffer locator heisst, bald als locatio operis, wo er conductor genannt wird. Daher unten fr. 9. §. 1. ex conducto locato. erhebe und was er eintreiben werde, zurückgebe. 8Eine ausgeworfene Sache bleibt übrigens im Eigenthum ihres Herrn, und gehört nicht dem Ergreifer, da sie nicht für verlassen geachtet wird.
4Callistr. lib. II. Quaest. Wenn Waaren zu Erleichterung eines beladenen Schiffes, weil es mit der Ladung nicht in einen Fluss oder Hafen einlaufen konnte, in ein Boot gebracht werden, damit das Schiff nicht, entweder ausserhalb des Flusses, oder in der Mündung oder dem Hafen selbst in Gefahr komme, und nun dieses Boot untergeht, so müssen die, deren Waaren auf dem Schiffe geborgen sind, mit denen, welche die ihrigen im Boote verloren haben, sich eben so berechnen, als ob dieselben über Bord geworfen worden wären; und dies billigt auch Sabinus in zweiten Buch der Responsa. Hingegen wenn das Boot mit einem Theile der Waaren geborgen, das Schiff aber untergegangen ist, so können die, so im Schiff etwas verloren haben, nichts berechnen, weil der Seewurf [nur] dann vertheilt wird, wenn das Schiff gerettet ist. 1Dass aber, wenn ein Schiff, das durch Auswerfen der Waaren Eines Kaufmanns erleichtert worden ist, an einem andern Orte untergeht, und die Waaren einiger Kaufleute durch Taucher gegen Lohn geborgen worden sind, diejenigen, die in der Folge das Ihrige durch die Taucher gerettet haben, mit dem, dessen Waaren während der Fahrt zu Erleichterung des Schiffs ausgeworfen worden sind, sich berechnen müssen, hat ebenfalls Sabinus begutachtet. Dagegen brauche der, welcher auf der Fahrt den Seewurf gemacht hat, Jenen, die solchergestalt etwas gerettet haben, deshalb, weil etwa Einiges von seinen Waaren durch Taucher geborgen worden ist, nichts zu vergüten, denn die Waaren Jener können nicht als zur Rettung des Schiffs geworfen gelten, da dieses untergegangen ist. 2Wenn aber aus einem Schiffe ein Seewurf geschehen ist, und Jemandes Waaren, die im Schiffe geblieben, beschädigt worden sind, so ist zu untersuchen, ob er zu einem Beitrag anzuhalten sei; da ihm nicht doppelter Schade aufgebürdet werden kann, der des Beitrags und der der Verschlechterung seiner Waaren. Es ist aber zu billigen, dass dieser nach dem gegenwärtigen Werthe der Waaren beitragen müsse, also z. B. wenn die Waaren eines Jeden von Zweien Zwanzig werth gewesen, und die des Einen durch Bespülung der Wogen auf den Werth von Zehn gesunken sind, so hat Jener, dessen Waaren unversehrt geblieben, nach Verhältniss von Zwanzig beizutragen, dieser von Zehn. Man kann jedoch auch so urtheilen, dass man unterscheidet, durch welche Ursache die Waaren beschädigt worden sind, das heisst, ob der Schade entstanden ist, weil die Sachen durch Wegnahme der ausgeworfenen blossgelegt worden sind, oder aus einer andern Ursache, wie wenn sie anderwärts in irgend einem Winkel lagen und das Wasser eingedrungen ist; denn dann wird er beitragen müssen. Aber wird er im erstern Falle von der Beitragslast frei zu lassen sein, weil der Seewurf auch ihm geschadet hat? Ferner: muss er etwas tragen, wenn auch durch Anspülung in Folge des Seewurfs die Waaren schlechter geworden sind? Man muss nun genau unterscheiden, ob der Schade oder der Beitrag mehr ausmache; z. B. es seien die Sachen Zwanzig werth gewesen, und die Vertheilung ergebe Zehn, der Schaden aber betrage Zwei: so muss er nach Abzug dieses erlittenen Schadens das Uebrige beitragen. Wie nun, wenn der Schade mehr ausmacht, als der Beitrag; z. B. es seien die Waaren um zehn Goldstücke verschlechtert und der Beitrag bestehe in zweien? Ohne Zweifel darf er nicht beides tragen. Hier ist aber zu untersuchen, ob ihm nicht selbst eine Entschädigung gebühre; denn was ist dazwischen für ein Unterschied, ob ich das Meinige durch den Wurf verloren, oder, weil es blossgelegt worden, an dessen Werthe eingebüsst habe? sowie dem, der um das Seinige ganz gekommen ist, geholfen wird, so muss auch dem geholfen werden, dessen Waaren aus Anlass des Wurfs schlechter geworden sind; dies hat Papirius Fronto so begutachtet.
5Hermogenian. lib. II. Jur. Epitom. Der Verlust des Schiffes wird von denjenigen, die ihre Waaren aus dem Schiffbruche geborgen haben, nicht durch gemeinschaftliche Beiträge ersetzt; denn diese werden nur dann für gerecht erachtet, wenn der Seewurf in gemeinsamer Gefahr, bei gerettetem Schiffe, den Uebrigen genutzt hat. 1Wenn der Mast gekappt wird, damit das Schiff sammt den Gütern gerettet werden könne, so wird die Vertheilung als gerecht Statt finden.
6Julian. lib. LXXXVI. Digest. Ein Schiff war, nachdem es im Sturme Noth gelitten hatte, und ihm durch Einschlagen des Blitzes Tauwerk, Mast und Raa verbrannt war, zu Hippo eingelaufen; dort mit nothdürftigem Takelwerk für den Augenblick versehen, steuerte es nach Ostia und brachte seine ganze Ladung mit; nun wurde gefragt, ob die, denen die Ladung gehörte, dem Schiffer seines Schadens wegen beitragen müssten? Er antwortete: nein, denn dieser Aufwand ist mehr zu Ausrüstung des Schiffes, als zu Erhaltung der Güter, gemacht worden.
7Paul. lib. III. Epitom. Alf. Digest. Wenn ein Schiff untergegangen oder gestrandet ist, so rettet ein Jeder das Seinige, was er daraus rettet, für sich, gleichwie aus einer Feuersbrunst.
8Julian. lib. II. ex Minicio. Wer zu Erleichterung eines Schiffs Sachen auswirft, hat nicht die Absicht, sie aufzugeben; indem er sie vielmehr, wenn er sie wieder fände, mitnehmen, und wenn er vermuthete, wohin sie versunken wären, aufsuchen würde; so dass es dasselbe ist, als wenn Jemand, von einer Last gedrückt, etwas auf den Weg wirft, um mit Andern zurückzukehren und es mitzunehmen.
9Volus. Maecen. ex lege Rhodia. Ἀξίωσις Εὐδαίμονος Νικομηδέως πρὸς Ἀντωνῖνον βασιλέα. Κύριε βασιλεῦ Αντωνῖνε, ναυφράγιον ποιήσαντες ἐν τῇ Ἰταλία, διηρπάγημεν ὑπο τῶν δημοσίων τῶν τὰς Κυκλάδας νήσους οἰκοῦντων. Ἀντωνῖνος εἶπεν Εὐδαίμονι· Ἐγὼ μὲν τοῦ κόσμου κύριος, ὁ δὲ νόμος τῆς Θαλάσσης. Τῷ νομῳ τῶν Ῥοδίων κρινέσθω τῷ ναυτικῷ, ἐν οἷς μή τις τῶν ἡμετέρων αὐτῷ νόμος ἐναντιοῦται. (Bittschrift des Eudämon aus Nikomedien an den Kaiser Antoninus. Herr Kaiser Antoninus, wir sind, nachdem wir bei Italien Schiffbruch gelitten, von den Zollpächtern, die auf den Kykladischen Inseln wohnen, geplündert worden. Antoninus antwortete dem Eudämon: Ich bin zwar Gebieter der Welt, aber das Gesetz ist es des Meeres; nach dem Seegesetz der Rhodier ist, soweit nicht eines unserer Gesetze entgegensteht, dies zu entscheiden.)
10Labeo lib. I. Pithanon a Paulo epitom. Wenn du dein Schiff zu Sclavenfracht verdungen hast, so gebührt dir für einen Sclaven, der auf dem Schiffe stirbt, kein Frachtlohn. Paulus: Vielmehr kommt es darauf an, wie gehandelt worden ist; ob die Fracht für die, welche eingeschifft, oder für die, welche anlangen würden, bezahlt werden sollte; wenn dies nicht ausgemittelt werden kann, so ist es für den Schiffer genug, wenn er beweist, dass der Sclav eingeschifft worden. 1Wenn du ein Schiff unter der Bedingung gemiethet hast, dass deine Waaren damit verschifft werden sollten, der Schiffer aber diese Waaren, ohne dazu genöthigt zu sein, und da er wusste, du wollest dies nicht, auf ein schlechteres Schiff umgeladen hat, und deine Waaren mit diesem Schiffe untergegangen sind, mit welchem sie zuletzt gingen, so hast du gegen den ersten Schiffer die Klage aus dem Miethvertrag. Paulus: das Gegentheil aber gilt, wenn beide Schiffe auf dieser Fahrt untergegangen sind, sofern dies ohne bösen Willen und Fahrlässigkeit des Schiffsvolks geschehen ist. Dasselbe wird Rechtens sein, wenn der erste Schiffer von Amtswegen zurückgehalten und mit deinen Waaren zu schiffen verhindert worden ist. Dasselbe wird auch Rechtens sein, wenn er die Fracht unter der Bedingung von dir übernommen hat, dass er dir eine gewisse Strafe zu zahlen habe, wenn er nicht bis zum bestimmten Tage deine Waaren an dem Orte ausgeschifft haben werde, wohin du sie verladen hast; er aber ohne seine Schuld glaubte, es sei ihm diese Strafe erlassen. Eben dasselbe wird auch in eben diesem gedachten Falle zu beobachten sein, wenn bewiesen wird, dass der Schiffer durch Krankheit an der Fahrt behindert worden sei. Und dasselbe wird zu sagen sein, wenn sein Schiff, ohne bösen Willen oder Fahrlässigkeit von seiner Seite, schadhaft wird. 2Wenn du ein Schiff von zweitausend Amphoren gemiethet, und einige Amphoren darauf gebracht hast, so bist du die Fracht für zweitausend Amphoren schuldig. Paulus: Vielmehr, wenn das Schiff im Ganzen gemiethet ist, so gebührt allerdings die Fracht für zweitausend; wenn aber der Frachtlohn nach der Zahl der Amphoren bedungen ist, so gilt das Gegentheil; nämlich du bist dann für soviel Amphoren schuldig, als du hineingebracht hast.