De eo quod certo loco dari oportet
(Von demjenigen, was an einem bestimmten Orte gegeben werden muss1.)
1Die Natur dieser Klage ist ebenfalls lange verkannt worden. Sie ist nicht, wie man sonst glaubte, eine condictio, sondern sie vertritt nur die Stelle einer condictio certi, und zwar dann, wenn an einem andern, als dem verabredeten Erfüllungsorte geklagt wird, was man mit der condictio certi, als einer Klage strengen Rechts, nicht thun konnte. Sie ist daher in das Ermessen des Richters gestellt, eine actio arbitraria. S. Gans a. a. O. S. 71 ff. Bethmann Hollw. Versuche S. 43 f. Zimmern a. a. O. §. 67.
1Gaj. lib. IX. ad Ed. prov. An einem andern Orte, als [an dem], auf welchen Jemand stipulirt hätte, dass ihm [Etwas] gegeben werden sollte, schien die Möglichkeit zu klagen nicht zuzustehen; aber weil es unbillig war, dass, wenn der Versprecher an den Ort, an welchem geben zu wollen, er versprochen hatte, niemals hinkam, (was er entweder mit Fleiss that, oder weil er an andern Orten nothwendig vielfach beschäftigt wurde), der Stipulator nicht zu dem Seinigen kommen könnte, darum hat es beliebt, eine analoge Klage für diesen Fall zu bilden.
2Ulp. lib. XXVII. ad Ed. [Diese] in das Ermessen des Richters gestellte Klage enthält den Nutzen Beider, sowohl des Klägers, als des Beklagten. Betrifft es das Interesse des Beklagten22D. h. verliert Begklagter durch den Ortswechsel, so erhält der Kläger so viel weniger, als der Schaden des Beklagten beträgt und umgekehrt., so geschieht die Verurtheilung in weniger Geld, als gefordert worden ist; aber wenn [es das Interesse] des Klägers [betrifft], so geschehe [die Verurtheilung] in mehr Geld. 1Diese Klage aber kommt aus jener Stipulation, wo ich von dir stipulirt habe, dass Zehn zu Ephesus gegeben werden sollten. 2Wenn Jemand, der stipulirt hat, dass zu Ephesus Zehn, oder zu Capua ein Mensch gegeben werden sollte, klagen sollte, so darf er nicht mit Weglassung des einen Orts klagen, damit er dem Beklagten nicht den Nutzen des Orts nehme. 3Ad Dig. 13,4,2,3ROHGE, Bd. 16 (1875), Nr. 109, S. 427, 429: Ergänzung unbestimmt gelassener Vereinbarungen. Arbitrium boni viri.Scävola sagt im funfzehnten Buche der Quästionen, dass nicht durchaus das, was stillschweigend in den Stipulationen enthalten sei, immer in der Macht des Beklagten stehe, sondern, was er schulde, stehe im Ermessen [desselben], ob er schulde, stehe nicht [darin]. Und darum könne der, welcher den Stichus oder Pamphilus verspricht, wählen, was er leisten wolle, so lange Beide leben; sonst, wenn einer gestorben ist, erlösche das Wahl[recht] desselben, damit es nicht im Ermessen desselben stehe, ob er schulde, indem er den lebendigen nicht leisten will, welchen allein er [jetzt] schuldet. Darum habe auch in dem angeführten [Fall] der, welcher versprochen hat, zu Ephesus oder zu Capua [zu geben], wenn es in seinem Ermessen gestanden haben würde, wo von ihm [die Schuld] gefordert werde, nicht belangt werden können, denn immer würde er einen andern Ort gewählt haben; so [würde] es kommen, dass es im Ermessen desselben stehe, ob er schulde; darum glaubt [Scävola], man könne von ihm an dem einen Orte auch ohne Beifügung des [andern] Orts fordern; wir geben daher dem Kläger die Wahl bei der Forderung. Und im Allgemeinen bestimmt Scävola, dass der Kläger die Wahl habe, wo er fordere, der Beklagte, wo er zahle, nämlich vor der Forderung. Deshalb, sagt er, bewirkt eine Alternative der Sachen, vermischt mit einer Alternative der Orte, nothwendig die Wahl des Klägers auch in Bezug auf die Sache wegen des Ortes; sonst nimmst du ihm die Klage, indem du dem Beklagten die Wahl vorbehalten willst. 4Wenn Jemand so stipulirt: zu Ephesus und zu Capua, so beabsichtigt er dies, dass er zu Ephesus einen Theil und zu Capua einen Theil fordere. 5Wenn Jemand stipuliren sollte, dass ein Einzelhaus errichtet werde, und den Ort nicht beifügen sollte, so gilt die Stipulation nicht. 6Wer so stipulirt, dass zu Ephesus Zwölf gegeben werden sollen, klagt, wenn er vor dem Tage, wo er nach Ephesus hinkommen könnte, klagen sollte, fälschlich vor dem Tage, weil auch Julianus glaubt, dass der Tag stillschweigend in dieser Stipulation enthalten sei. Darum halte ich für wahr, was Julianus sagt, dass der, welcher zu Rom stipulirt, dass heute zu Carthago gegeben werden solle, ohne Nutzen stipulire. 7Derselbe Julianus behandelt [die Frage], ob der, welcher stipulirt hat, dass zu Ephesus ihm, oder dem Titius gegeben werden solle, wenn anderswo dem Titius gezahlt werden sollte, nichts desto weniger [darauf] antragen könne, dass ihm (dem Stipulator) gegeben werden müsse. Und Julianus schreibt, die Befreiung [des Beklagten] sei nicht eingetreten, und darum könne das Interesse gefordert werden. Marcellus aber behandelt sowohl [diese Frage] an einer andern Stelle, als bemerkt auch beim Julianus, man könne sagen, auch wenn mir anderswo gezahlt werden sollte, sei die Befreiung eingetreten, obwohl ich nicht gezwungen würde wider Willen anzunehmen; freilich, wenn die Befreiung nicht eingetreten ist, sagt er, müsse man sagen, sei die Forderung der ganzen Summe übrig, auf eben die Weise wie, wenn Jemand ein Einzelhaus anderswo errichtet hätte, als wo er es versprochen hatte, er durchaus nicht befreit würde. Doch mir scheint die Zahlung einer Summe verschieden zu sein vom Bau eines Einzelhauses und darum das Interesse allein zu fordern zu sein. 8Ad Dig. 13,4,2,8ROHGE, Bd. 4 (1872), S. 192: Verpflichtung zum Ersatz von Conventionalstrafen, welche der durch Verzug des andern Contrahenten Beschädigte einem Dritten hat bezahlen müssen.ROHGE, Bd. 5 (1872), S. 171: Verpflichtung zum Ersatz von Conventionalstrafen, welche der durch Verzug des andern Contrahenten Beschädigte einem Dritten hat bezahlen müssen.Nun ist von der Pflicht des Richters bei dieser Klage zu sprechen, ob er sich nach der Quantität des Vertrags richten müsse, oder die Quantität entweder überschreiten oder verringern dürfe, so dass, wenn dem Beklagten daran gelegen hätte, lieber in Ephesus zu leisten, als an dem Orte, wo er belangt wurde, Rücksicht auf denselben genommen würde. Julianus, [welcher] der Meinung des Labeo gefolgt [ist], hat auch Rücksicht auf den Kläger genommen, dem zuweilen daran hat liegen können, zu Ephesus zu erhalten. Sonach wird auch der Nutzen des Klägers [in den Bereich dieser Klage] kommen; denn wie, wenn er ein überseeisches Darlehn gegeben haben sollte, um es zu Ephesus wieder zu erhalten, wo er unter einer Strafe Geld schuldete, oder unter Pfändern; und durch deinen Verzug die Pfänder verkauft worden sind, oder die Strafe verfallen ist; oder es wurde dem Staatsschatz etwas geschuldet und es ist eine Sache des Stipulators [deshalb] sehr wohlfeil verkauft worden? In [den Bereich] dieser in das Ermessen des Richters gestellten Klage wird (also] das Interesse kommen, und zwar über das gesetzliche Maass der Zinsen hinaus. Wie, wenn er Waaren zu kaufen pflegte, ob wohl auch Rücksicht auf den Gewinn genommen wird, oder auf den Schaden allein? Ich glaube, dass auch auf den Gewinn Rücksicht zu nehmen ist.
3Gaj. lib. IX. ad Ed. provinc. Darum wird diese Klage auf das Ermessen des Richters bezogen, weil wir wissen, wie verschiedenartig die Preise der Sachen nach den einzelnen Städten und Gegenden sind, am Meisten des Weines, des Oeles, des Getreides; obgleich der Werth (potestas) der Gelder überall ein und derselbe zu sein scheint, so werden gleichwohl auch sie an einigen Orten leichter und mit geringen Zinsen gefunden, an andern Orten schwerer und mit bedeutenden Zinsen.
4Ulp. lib. XXVII. ad Ed. Wenn zu Ephesus gefordert werden wird, so wird die Summe selbst allein gefordert werden, und mehr Nichts, ausser wenn [der Kläger] Etwas stipulirt hätte, oder das Interesse (utilitas) der Zeit eintritt. 1Ad Dig. 13,4,4,1Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 46, Note 4.Zuweilen darf der Richter, welcher zu Folge dieser Klage erkennt, da sie in sein Ermessen gestellt ist, den Beklagten frei sprechen, nachdem von demselben Sicherheit wegen der da, wo es versprochen worden ist, zu leistenden Zahlung des Geldes gefordert worden ist. Denn, wie, wenn [vom Beklagten] gesagt werden sollte, daselbst sei das Geld entweder dem Kläger angeboten, oder niedergelegt, oder leicht zu zahlen? Wird er [also] nicht zuweilen freisprechen dürfen? Kurz auch die Billigkeit muss der Richter vor Augen haben, welcher dieser Klage [vom Magistratus] zugesprochen worden ist.
5Paulus lib. XXVIII. ad Ed. Wenn dem Erben vom Testator aufgetragen sein sollte, Etwas an einem bestimmten Orte zu geben, so steht die in das Ermessend es Richters gestellte Klage zu,
6Pomp. lib. XXII. ad Sab. oder [wenn] ein Gelddarlehn so gegeben sein sollte, dass es an einem bestimmten Orte zurückgegeben werde.
7Paul. lib. XXVIII. ad Ed. Bei Klagen guten Glaubens steht, wenn man auch beim Schliessen des Vertrags übereinkam, dass an einem bestimmten Orte Etwas geleistet werde, die Klage aus dem Kaufe oder Verkaufe, oder die Niederlegung[sklage], nicht die in das Ermessen des Richters gestellte Klage zu. 1Wenn jedoch Jemand stipulirt hat33Das Wort stipulari ist hier auf den Verpflichteten zu beziehen. S. Anm. 74 zum 12ten Buche., dass er an einem bestimmten Orte übergeben werde, so wird man sich dieser Klage bedienen müssen.
8African. lib. III. Quaest. [Nachdem] du stipulirt [hattest], dass Hundert zu Capua gegeben werden sollten, hast du einen Bürgen erhalten; das Geld wird von ihm auf ähnliche Weise, wie vom Versprecher selbst gefordert werden müssen, das heisst, so dass, wenn es anderswo, als zu Capua gefordert werden sollte, mit der in das Ermessen des Richters gestellten Klage geklagt werden muss, und der streitige Gegenstand so hoch geschätzt werde, als ihm, oder dem Kläger daran gelegen haben sollte, dass jene Summe lieber zu Capua, als anderswo gezahlt würde. Auch wird nicht [darum,] weil es etwa an dem Beklagten gelegen haben sollte, dass die ganzen Hundert nicht zu Capua gezahlt wurden, die Verbindlichkeit des Bürgen vermehrt werden müssen. Denn es wird dieses Verhältniss nicht richtig, mit einer Verbindlichkeit zu Zinsen verglichen werden; da nämlich finden zwei Stipulationen Statt, hier aber ist eine einzige wegen dargeliehenen Geldes, und in Bezug auf die Vollziehung derselben wird die Art der Schätzung dem Ermessen des Richters überlassen. Und ich glaube, dass der handgreiflichste Beweisgrund für diesen Unterschied [der] ist, dass, wenn nach begangenem Verzuge ein Theil des Geldes gezahlt sein und das Uebrige gefordert werden sollte, die Pflicht des Richters der Art sein muss, dass er schätze, wie gross das Interesse des Klägers sei, dass nur die Summe, welche gefordert werden wird, zu Capua gezahlt worden sei.
10Ad Dig. 13,4,10ROHGE, Bd. 24 (1879), Nr. 16, S. 56: Anspruch auf Konventionalstrafe wegen Verspätung der Hauptleistung ungeachtet vorbehaltloser Annahme der Letzteren.Paul. lib. IV. Quaest. Wenn nach begangenem Verzuge, so dass nicht zu Capua bezahlt wurde, da [der Gläubiger nun] mit der in das Ermessen des Richters gestellten Klage klagen wollte, ein Bürge wegen dieser Klage angenommen sein sollte, so möchte wohl44Videamus, ne — non. Diese Worte enthalten eine verneinende Entscheidung des fraglichen Falles. S. A. 14 zum 12ten Buche und Haubold a. dem dort a. O. p. 263. — Die Erklärung der vorliegenden Stelle s. bei v. Glück a. a. O. S. 347. ff. Paulus spricht hier den Satz aus, dass der nach eingetretenem Verzuge dem Gläubiger deshalb, damit er die in das Ermessen des Richters gestellte actio de eo, quod certo loco etc. nicht anstelle, bestellte Bürge für das Interesse nicht hafte, welches der Schuldner, wenn er selbst belangt worden wäre, dem Gläubiger hätte leisten müssen. das Geld, welches in Folge des Urtheils des Richters [wegen des Interesses] hinzukommen kann, [von dem Bürgen] nicht geschuldet werden, auch nicht in der Verbindlichkeit [desselben] enthalten sein, so selbst, dass wenn auch jetzt das Capital gezahlt worden ist, oder wenn es zu Capua gefordert werden sollte, das Ermessen des Richters wegfällt; wenn nicht Jemand sagen sollte, dass, wenn der Richter in Hundert und zwanzig habe verurtheilen müssen, nachdem Hundert von dem Ganzen bezahlt worden, [dies] sowohl auf das Capital, als auf die Strafe55D. h. des wegen des Verzugs dem Gläubiger zukommende Interesse. gezahlt zu sein scheine, so dass die Forderung dessen übrig sei, was über das Capital hinausgehe, und die Strafe für eben die Quantität hinzukomme. Und dies glaube ich ist nicht zuzulassen, um so mehr, weil der Gläubiger dadurch, dass er das Geld annahm, die Strafe auch erlassen zu haben scheint.