Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Buch 13 übersetzt von Schneider unter Redaction von Otto
Dig. XIII3,
De condictione triticiaria
Liber tertius decimus
III.

De condictione triticiaria

(Von der triticiarischen Condiction1.)

1Die Natur dieser, wie der Ursprung des Namens Condiction, ist bekanntlich von jeher sehr bestritten gewesen. S. v. Glück Comment. Th. 13. S. 259 ff. Erst in neuerer Zeit hat man über Beides befriedigende Auskunft durch Gans a. a. O. Abh. 1. §. 4. erhalten, welchem in der Hauptsache Mühlenbruch a. a. O. S. 57 ff. und Doctr. Pand. §. 705., und Zimmern a. a. O. B. 3. §. 62. beigetreten sind. Dieser in den Quellen begründeten Ansicht zu Folge ist condictio triticiaria diejenige, welche auf andere Sachen, als baares Geld (pecunia numerata) gerichtet ist, mögen diese Sachen nun bestimmte ausser baarem Geld oder unbestimmte sein. Sie ist also der cond. si certum petetur entgegengesetzt, welche nur auf baares Geld geht, und da die Eintheilung in cond. certi und incerti sich auf die Bestimmtheit oder Unbestimmtheit des Gegenstandes bezieht, so folgt, dass die cond. si certum petetur stets certi sein muss (indem Geld ein unveränderlich Bestimmtes ist), die triticiaria aber bald certi, bald incerti sein kann. Die weitere Ausführung s. bei Gans. — Nachdem nun bisher die Condiction in mehreren Titeln nach ihren Entstehungsgründen aufgefasst war, schliesst sich dieser Titel wieder an den ersten des 12. B. an, indem er die verschiedenen Seiten der Condiction nach dem Gegenstand berücksichtigend, den Gegensatz zu der cond. si certum pet. aufstellt. Der Name triticiaria ist aber am füglichsten daher abzuleiten, dass der Weizen (triticum) als Repräsentant alles dessen, was nicht baares Geld ist, angesehen wurde, entweder weil er der gangbarste Handelsartikel bei den Römern war, oder weil die condictio auf andere Sachen, als baares Geld, zuerst bei Getreide gegeben wurde. Da jedoch diese Erklärung auch kürzlich noch verworfen und der Name von dem angeblichen Erfinder der Condiction, Triticius, hergeleitet worden ist (s. Heffter Observat. lib. ad Gaji I. Comment. quartum p. 71.), so ist in der Uebersetzung der lateinische Name beibehalten worden.

1Ul­pia­nus li­bro vi­cen­si­mo sep­ti­mo ad edic­tum. Qui cer­tam pe­cu­niam nu­me­ra­tam pe­tit, il­la ac­tio­ne uti­tur ‘si cer­tum pe­te­tur’: qui au­tem alias res, per tri­ti­ca­riam con­dic­tio­nem pe­tet. et ge­ne­ra­li­ter di­cen­dum est eas res per hanc ac­tio­nem pe­ti, si quae sint prae­ter pe­cu­niam nu­me­ra­tam, si­ve in pon­de­re si­ve in men­su­ra con­stent, si­ve mo­bi­les sint si­ve so­li. qua­re fun­dum quo­que per hanc ac­tio­nem pe­ti­mus et si vec­ti­ga­lis sit si­ve ius sti­pu­la­tus quis sit, vel­uti usum fruc­tum vel ser­vi­tu­tem utro­rum­que prae­dio­rum. 1Rem au­tem suam per hanc ac­tio­nem ne­mo pe­tet, ni­si ex cau­sis ex qui­bus pot­est, vel­uti ex cau­sa fur­ti­va vel vi mo­bi­li ab­rep­ta.

1Ulp. lib. XXVII. ad Ed. Ad Dig. 13,3,1 pr.Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. I, § 156, Note 1.Wer bestimmtes baares Geld fordert, bedient sich jener Klage: Wenn Bestimmtes gefordert werden wird; wer aber andere Sachen [fordert,] wird [sie] durch die triticiarische Condiction fordern. Und im Allgemeinen ist zu sagen, dass solche Sachen durch diese Klage gefordert werden, wenn etwa welche ausser baarem Geld sein sollten, mögen sie nach Gewicht oder nach Maass berechnet werden (constent), mögen sie bewegliche sein, oder [Sachen] des Bodens. Darum fordern wir auch ein Grundstück durch diese Klage, auch wenn es ein erbpachtliches (vectigalis) sein sollte, oder wenn Jemand ein Recht stipulirt haben sollte, wie den Niessbrauch, oder eine Dienstbarkeit beider [Arten der] Grundstücke22D. h. sowohl der ländlichen, als städtischen, in der Bedeutung, in welcher diese beiden Arten von Grundstücken in der Lehre von den Dienstbarkeiten vorkommen.. 1Seine Sache wird aber durch diese Klage Niemand [anders] fordern, als aus den Gründen, aus welchen er [es thun] kann, wie aus dem Grunde des Diebstahls, oder wenn eine bewegliche [Sache] mit Gewalt entrissen worden ist.

2Idem li­bro oc­ta­vo de­ci­mo ad Sa­binum. Sed et ei, qui vi ali­quem de fun­do de­ie­cit, pos­se fun­dum con­di­ci Sa­b­inus scri­bit, et ita et Cel­sus, sed ita, si do­mi­nus sit qui de­iec­tus con­di­cat: ce­te­rum si non sit, pos­ses­sio­nem eum con­di­ce­re Cel­sus ait.

2Idem lib. XVIII. ad Sabin. Dass man aber auch von demjenigen, welcher mit Gewalt Jemanden aus einem Grundstück hinausgetrieben hat, das Grundstück condiciren könne, schreibt Sabinus, und so auch Celsus. Jedoch [nur] dann, wenn es der Eigenthümer sein sollte, welcher hinausgetrieben, condicirt; sonst, wenn er es nicht sein sollte, so, sagt Celsus, condicire er den Besitz.

3Idem li­bro vi­cen­si­mo sep­ti­mo ad edic­tum. In hac ac­tio­ne si quae­ra­tur, res quae pe­ti­ta est cu­ius tem­po­ris aes­ti­ma­tio­nem re­ci­piat, ve­rius est, quod Ser­vius ait, con­dem­na­tio­nis tem­pus spec­tan­dum: si ve­ro de­sie­rit es­se in re­bus hu­ma­nis, mor­tis tem­pus, sed ἐν πλάτει se­cun­dum Cel­sum erit spec­tan­dum: non enim de­bet no­vis­si­mum vi­tae tem­pus aes­ti­ma­ri, ne ad ex­iguum pre­tium aes­ti­ma­tio red­iga­tur in ser­vo for­te mor­ti­fe­re vul­ne­ra­to. in utro­que au­tem, si post mo­ram de­te­rior res fac­ta sit, Mar­cel­lus scri­bit li­bro vi­cen­si­mo ha­ben­dam aes­ti­ma­tio­nem, quan­to de­te­rior res fac­ta sit: et id­eo, si quis post mo­ram ser­vum elus­ca­tum de­de­rit, nec li­be­ra­ri eum: qua­re ad tem­pus mo­rae in his erit re­du­cen­da aes­ti­ma­tio.

3Idem lib. XXVII. ad Ed. Wenn bei dieser Klage gefragt werden sollte, von welcher Zeit die Sache, welche gefordert worden ist, die Werthschätzung annehme, so ist es wahrer, was Servius sagt, es sei auf die Zeit der Verurtheilung zu sehen33Diese Ansicht scheint nicht blos der L. 4. h. t., sondern auch den übrigen Stellen der Pandecten, nach welchen es Regel ist, dass bei Klagen strengen Rechts die Werthschätzung sich nach der Zeit des eingeleiteten Streites (litis contestatae) oder der Einlassung auf die Klage (judicii accepti) richten muss, zu widersprechen. Allein wenn man von dem natürlichen Grundsatz ausgeht, dass eine Steigerung des Werthes, welche in die Zeit zwischen der Einlassung und der Verurtheilung fällt, doch nicht dem Beklagten zu Gute kommen kann, sondern dem Kläger zufallen muss, und die Meinung des Servius hierauf bezieht, so lässt sich diese Stelle als Ausnahme mit den übrigen, welche bei Aufstellung der Regel eine solche Steigerung des Werthes nicht berücksichtigen, gar wohl vereinigen. S. Mühlenbruch in den Heidelb. Jahrb. S. 58. vgl. mit Gans a. a. O. S. 63 ff. u. Zimmern a. a. O. §. 122.. Wenn sie aber aufgehört haben sollte, sich unter den menschlichen Dingen zu befinden, so wird auf die Zeit des Todes, aber im Allgemeinen, nach Celsus, zu sehen sein; es darf nämlich nicht die allerletzte Zeit des Lebens geschätzt werden, damit nicht auf einen geringen Preis die Werthschätzung bei einem etwa tödtlich verwundeten Sclaven zurückgeführt werde. Dass aber in beiden [Fällen], wenn nach dem Verzug die Sache schlechter geworden sei, die Werthschätzung [so hoch] anzustellen sei, um wieviel schlechter die Sache geworden sei, schreibt Marcellus im zwanzigsten Buch. Und darum, wenn Jemand nach dem Verzug einen einäugig gewordenen Sclaven gegeben haben sollte, werde er nicht befreit. Darum wird in diesen [Fällen] die Werthschätzung auf die Zeit des Verzugs zurückzuführen sein.

4Gaius li­bro no­no ad edic­tum pro­vin­cia­le. Si merx ali­qua, quae cer­to die da­ri de­be­bat, pe­ti­ta sit, vel­uti vi­num oleum fru­men­tum, tan­ti li­tem aes­ti­man­dam Cas­sius ait, quan­ti fuis­set eo die, quo da­ri de­buit: si de die ni­hil con­ve­nit, quan­ti tunc, cum iu­di­cium ac­ci­pe­re­tur. idem­que iu­ris in lo­co es­se, ut pri­mum aes­ti­ma­tio su­ma­tur eius lo­ci, quo da­ri de­buit, si de lo­co ni­hil con­ve­nit, is lo­cus spec­te­tur, quo pe­te­re­tur. quod et de ce­te­ris re­bus iu­ris est.

4Ad Dig. 13,3,4Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 258, Note 7.Gaj. lib. IX. ad Ed. prov. Wenn irgend eine Waare, welche an einem bestimmten Tage gegeben werden musste, gefordert sein sollte, wie Wein, Oel, Getreide, so sagt Cassius, sei der streitige Gegenstand (litem) so hoch zu schätzen, als er an dem Tage [werth] gewesen wäre, an dem er gegeben werden musste; wenn man wegen eines Tages nichts verabredet hat, [so hoch,] als er damals [werth gewesen wäre,] als [der Beklagte] sich auf die Klage einliess. Und dasselbe sei bei dem Orte Rechtens, so dass zuerst die Werthschätzung nach dem Orte genommen werde, an welchem [die Sache] hat gegeben werden sollen; wenn man wegen des Ortes nichts verabredet hat, auf den Ort gesehen werde, wo [die Sache] gefordert würde. Und dies ist auch wegen der übrigen Sachen Rechtens.