Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Zwölftes Buch übersetzt von Schneider unter Redaction von Otto
Dig. XII7,
De condictione sine causa
Liber duodecimus
VII.

De condictione sine causa

(Von der Condiction ohne Grund1.)

1I. e. ejus, quod sine causa apud aliquem est. Der Name cond. sine causa begreift theils im Allgemeinen alle die Fälle, in denen die Condiction wegen eines Habens ohne Grund Statt findet (also die sogenannte cond. ex mutuo, die causa data, causa non secuta u. s. w.), theils bezeichnet er insbesondere die Condiction, welche in den Fällen eines Habens ohne Grund zusteht, für welche keine eigene benannte Art der Condiction gegeben ist. Die einzelnen Fälle siehe bei v. Glück a. a. O. S. 187 ff. und Mühlenbruch Doctr. Pand. §. 657.

1Ul­pia­nus li­bro qua­dra­gen­si­mo ter­tio ad Sa­binum. Est et haec spe­cies con­dic­tio­nis, si quis si­ne cau­sa pro­mi­se­rit vel si sol­ve­rit quis in­de­bi­tum. qui au­tem pro­mi­sit si­ne cau­sa, con­di­ce­re quan­ti­ta­tem non pot­est quam non de­dit, sed ip­sam ob­li­ga­tio­nem. 1Sed et si ob cau­sam pro­mi­sit, cau­sa ta­men se­cu­ta non est, di­cen­dum est con­dic­tio­nem lo­cum ha­be­re. 2Si­ve ab in­itio si­ne cau­sa pro­mis­sum est, si­ve fuit cau­sa pro­mit­ten­di quae fi­ni­ta est vel se­cu­ta non est, di­cen­dum est con­dic­tio­ni lo­cum fo­re. 3Con­stat id de­mum pos­se con­di­ci ali­cui, quod vel non ex ius­ta cau­sa ad eum per­ve­nit vel red­it ad non ius­tam cau­sam.

1Ulp. lib. XLIII. ad Sabin. Auch dies ist ein Fall der Condiction, wenn Jemand ohne Grund [Etwas] versprochen, oder wenn Jemand eine Nichtschuld gezahlt haben sollte. Wer aber ohne Grund versprochen hat, kann nicht eine Quantität, da er keine gegeben hat, condiciren, sondern die Verbindlichkeit selbst. 1Aber auch wenn er wegen einer Gegenleistung versprochen hat, die Gegenleistung aber nicht erfolgt ist, so muss man sagen, dass die Condiction Statt habe. 2Mag vom Anfang an ohne Grund versprochen sein, oder mag ein Grund zum Versprechen vorhanden gewesen sein, der aber aufgehört hat, oder (als Gegenleistung) nicht erfolgt ist, so muss man sagen, dass die Condiction Statt finden werde. 3Ad Dig. 12,7,1,3ROHGE, Bd. 22 (1878), Nr. 66, S. 299: Cond. possessionis gegen den aus Irrthum Besitzenden. Besitz ein Vermögensobject.Es ist bekannt, dass man nur das von Jemand condiciren kann, was entweder nicht aus einem rechtmässigen Grund an ihn gekommen ist, oder auf einen nicht rechtmässigen Grund zurückkommt.

2Idem li­bro tri­gen­si­mo se­cun­do ad edic­tum. Si ful­lo ves­ti­men­ta la­van­da con­du­xe­rit, de­in­de amis­sis eis do­mi­no pre­tium ex lo­ca­to con­ven­tus prae­sti­te­rit post­ea­que do­mi­nus in­ve­ne­rit ves­ti­men­ta, qua ac­tio­ne de­beat con­se­qui pre­tium quod de­dit? et ait Cas­sius eum non so­lum ex con­duc­to age­re, ve­rum con­di­ce­re do­mi­no pos­se: ego pu­to ex con­duc­to om­ni­mo­do eum ha­be­re ac­tio­nem: an au­tem et con­di­ce­re pos­sit, quae­si­tum est, quia non in­de­bi­tum de­dit: ni­si for­te qua­si si­ne cau­sa da­tum sic pu­ta­mus con­di­ci pos­se: et­enim ves­ti­men­tis in­ven­tis qua­si si­ne cau­sa da­tum vi­de­tur.

2Ad Dig. 12,7,2ROHGE, Bd. 22 (1878), Nr. 77, S. 333: Condictio der dem Käufer vom Frachtführer gezahlten Entschädigung wegen Versäumung der Lieferfrist im Falle der Aufhebung des Kaufvertrags.Idem lib. XXXII. ad Ed. Wenn ein Tuchbereiter Kleider, um sie zu waschen, gemiethet, hernach, da sie verloren worden, dem Eigenthümer den Werth, aus dem Vermieth[-Contract] belangt, geleistet, und nachher der Eigenthümer die Kleider gefunden haben sollte, auf welche Klage muss wohl [jener] den Werth erlangen, welchen er gegeben hat? Und Cassius sagt, dass er nicht blos aus dem Mieth[-Contract] klagen, sondern auch gegen den Eigenthümer condiciren könne; ich glaube, dass er die Klage aus dem Mieth[-Contract] jeden Falls hat. Ob er aber auch condiciren könne, ist eine Streitfrage, weil er nicht eine Nichtschuld gegeben hat. Wenn wir nicht etwa glauben, dass so condicirt werden könne, gleich als ob ohne Grund gegeben sei; denn nachdem die Kleider gefunden worden sind, scheint gleichsam ohne Grund gegeben worden zu sein.

3Iu­lia­nus li­bro oc­ta­vo di­ges­to­rum. Qui si­ne cau­sa ob­li­gan­tur, in­cer­ti con­dic­tio­ne con­se­qui pos­sunt ut li­be­ren­tur: nec re­fert, om­nem quis ob­li­ga­tio­nem si­ne cau­sa sus­ci­piat an ma­io­rem quam sus­ci­pe­re eum opor­tue­rit, ni­si quod alias con­dic­tio­ne id agi­tur, ut om­ni ob­li­ga­tio­ne li­be­re­tur, alias ut ex­one­re­tur: vel­uti qui de­cem pro­mi­sit, nam si qui­dem nul­lam cau­sam pro­mit­ten­di ha­buit, in­cer­ti con­dic­tio­ne con­se­qui­tur, ut to­ta sti­pu­la­tio ac­cep­to fiat, at si, cum quin­que pro­mit­te­re de­be­ret, de­cem pro­mi­sit, in­cer­ti con­se­que­tur, ut quin­que li­be­re­tur.

3Julian. lib. VIII. Digest. Diejenigen, welche ohne Grund verbindlich gemacht werden, können mit der Condiction des Unbestimmten erlangen, dass sie befreit werden; auch macht es keinen Unterschied, ob Jemand die ganze Verbindlichkeit ohne Grund übernimmt, oder eine grössere, als er übernehmen musste; ausser, dass bald mit der Condiction das beabsichtigt wird, dass man von der ganzen Verbindlichkeit befreit werde, bald, dass man erleichtert werde, wie der, welcher Zehn versprochen hat [, da er nur Fünf schuldete]; denn wenn er gar keinen Grund zum Versprechen gehabt hat, so erlangt er mit der Condiction des Unbestimmten, dass die ganze Stipulation durch Acceptilation erlassen wird; aber wenn er, da er Fünf versprechen musste, Zehn versprochen hat, so wird er [mit der Condiction] des Unbestimmten erlangen, dass er auf Fünf befreit werde.

4Afri­ca­nus li­bro oc­ta­vo quaes­tio­num. Ni­hil re­fert, utrum­ne ab in­itio si­ne cau­sa quid da­tum sit an cau­sa, prop­ter quam da­tum sit, se­cu­ta non sit.

4African. lib. VIII. Quaest. Es macht keinen Unterschied, ob von Anfang an Etwas ohne Grund gegeben ist, oder ob die Gegenleistung, wegen welcher gegeben worden ist, nicht erfolgt ist.

5Pa­pi­nia­nus li­bro un­de­ci­mo quaes­tio­num. Avun­cu­lo nup­tu­ra pe­cu­niam in do­tem de­dit ne­que nup­sit: an ean­dem re­pe­te­re pos­sit, quae­si­tum est. di­xi, cum ob tur­pem cau­sam dan­tis et ac­ci­pien­tis pe­cu­nia nu­me­re­tur, ces­sa­re con­dic­tio­nem et in de­lic­to pa­ri po­tio­rem es­se pos­ses­so­rem: quam ra­tio­nem for­tas­sis ali­quem se­cu­tum re­spon­de­re non ha­bi­tu­ram mu­lie­rem con­dic­tio­nem: sed rec­te de­fen­di non tur­pem cau­sam in pro­pos­i­to quam nul­lam fuis­se, cum pe­cu­nia quae da­re­tur in do­tem con­ver­ti ne­qui­ret: non enim stu­pri, sed ma­tri­mo­nii gra­tia da­tam es­se. 1No­ver­ca pri­vi­gno, nu­rus so­ce­ro pe­cu­niam do­tis no­mi­ne de­dit ne­que nup­sit. ces­sa­re con­dic­tio pri­ma fa­cie vi­de­tur, quon­iam iu­re gen­tium in­ces­tum com­mit­ti­tur: at­quin vel ma­gis in ea spe­cie nul­la cau­sa do­tis dan­dae fuit, con­dic­tio igi­tur com­pe­tit.

5Papinian. lib. XI. Quaest. Die, welche ihren Oheim mütterlicher Seite heirathen wollte, hat Geld zur Mitgift gegeben, aber nicht geheirathet; man hat gefragt, ob sie dasselbe zurückfordern könne? Ich habe gesagt, dass, da das Geld wegen eines für den Geber und den Empfänger schändlichen Grundes gezahlt werde, die Condiction wegfalle, und bei einem gleichen Vergehen der Besitzer der vorzüglichere22Potiorem esse possessorem (ebenso oben L. 8. de cond. ob turp.) d. h. wenn das Geben sowohl dem Geber, als dem Empfänger zur Schande gereicht (wie hier, wo sie eine Ehe in verbotenen Graden mit einander eingehen wollten), so ist die Lage des Besitzers des Gegebenen insofern die bessere, als er behält, was er hat, und dies also, wenn er Empfänger war, nicht zurückgefordert werden kann. sei; und dass vielleicht Jemand, dieser Ansicht folgend, zum Bescheid gebe, dass die Frauensperson die Condiction nicht haben werde. Aber mit Recht vertheidige man [die Ansicht,] dass in dem vorliegenden [Fall] nicht sowohl ein schändlicher Grund, als gar keiner vorhanden gewesen sei, da das Geld, welches gegeben wurde, nicht in die Mitgift verwendet werden konnte; [nicht ein schändlicher Grund,] denn es sei nicht um eines unehelichen Beischlafs, sondern um der Ehe willen gegeben worden. 1Eine Stiefmutter hat [ihrem] Stiefsohn, eine Schwiegertochter [ihrem] Schwiegervater Geld als Mitgift gegeben, aber ihn nicht geheirathet; die Condiction scheint auf den ersten Anblick wegzufallen, weil [schon] nach dem Völkerrecht eine Blutschande begangen wird; aber es ist doch vielmehr in diesem Falle gar kein Grund zum Geben einer Mitgift vorhanden gewesen. Die Condiction steht daher zu.