Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Elftes Buch übersetzt von Sintenis
Dig. XI6,
Si mensor falsum modum dixerit
Liber undecimus
VI.

Si mensor falsum modum dixerit

(Wenn der Feldmesser ein falsches Maass angegeben hat.)

1Ulpianus libro vicensimo quarto ad edictum. Adversus mensorem agrorum praetor in factum actionem proposuit. a quo falli nos non oportet: nam interest nostra, ne fallamur in modi renuntiatione, si forte vel de finibus contentio sit vel emptor scire velit vel venditor, cuius modi ager veneat. ideo autem hanc actionem proposuit, quia non crediderunt veteres inter talem personam locationem et conductionem esse, sed magis operam beneficii loco praeberi et id quod datur ei, ad remunerandum dari et inde honorarium appellari: si autem ex locato conducto fuerit actum, dicendum erit nec tenere intentionem. 1Haec actio dolum malum dumtaxat exigit: visum est enim satis abundeque coerceri mensorem, si dolus malus solus conveniatur eius hominis, qui civiliter obligatus non est. proinde si imperite versatus est, sibi imputare debet qui eum adhibuit: sed et si neglegenter, aeque mensor securus erit: lata culpa plane dolo comparabitur. sed et si mercedem accepit, non omnem culpam eum praestare propter verba edicti: utique enim scit praetor et mercede eos intervenire. 2Is autem tenetur hac actione qui renuntiavit: sed renuntiasse et eum accipere debemus, qui per alium renuntiavit
1Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Wider den Vermesser von Aeckern hat der Prätor eine Klage auf das Geschehene ertheilt, weil er uns nicht betrügen darf; denn wir sind dabei betheiligt, bei der Angabe11Renunciatio, s. Calvin. Lex. Jurid. h. v. des Maasses nicht betrogen zu werden, wenn z. B. Streit über die Grenzen ist, oder der Käufer oder Verkäufer wissen will, wieviel Flächeninhalt der verkaufte Acker enthält. Er [der Prätor] hat diese Klage darum begründet, weil die Alten glaubten, dass mit einer solchen Person kein Miethsverhältniss Statt finde, sondern die Mühe mehr aus Gefälligkeit übernommen, und das, was ihr dafür gegeben werde, zur Erkenntlichkeit verabreicht und daher Ehrensold (honorarium) genannt werde; wenn aber die Klage aus dem Miethscontract erhoben worden ist, so muss sie abgewiesen werden. 1Diese Klage berücksichtigt blos die Arglist; denn man ist der Ansicht gewesen, dass der Feldmesser genügend verpflichtet sei, wenn die Arglist desselben allein zum Gegenstand seiner Verbindlichkeit werde, weil er nach dem bürgerlichen Rechte nicht verpflichtet ist; ist er daher unklug zu Werke gegangen, so muss es sich derjenige selbst zuschreiben, der ihn gebraucht hat; selbst wenn er nachlässig gewesen, ist er [vor Verantwortlichkeit] sicher; grobe Schuld steht der bösen Absicht aber gleich. Selbst wenn er einen Lohn22Merces, wie dieses hier zu verstehen sei, s. Glück XI. p. 377. n. 67. empfangen hat, braucht er, den Worten des Edicts nach, nicht alle Schuld zu vertreten; denn der Prätor weiss recht gut, dass sie auch für Lohn arbeiten. 2Es haftet durch diese Klage derjenige, der das Maass angegeben hat; die Angabe gemacht zu haben, wird auch von dem angenommen, der sie durch einen Andern gemacht hat,
2Paulus libro vicensimo quinto ad edictum. vel per litteras. 1Sed si ego tibi, cum esses mensor, mandaverim, ut mensuram agri ageres et tu id Titio delegaveris et ille dolo malo quid in ea re fecerit, tu teneberis, quia dolo malo versatus es, qui tali homini credidisti.
2Paul. lib. XXV. ad Ed. oder schriftlich. 1Wenn ich dir als Feldmesser aber aufgetragen habe, die Vermessung des Ackers zu besorgen, und du dies dem Titius weiter übertragen hast, und dieser bei der Sache arglistig gehandelt hat, so wirst du haften, weil du arglistig insofern zu Werke geschritten bist, dass du einem solchen Menschen Vertrauen geschenkt hast.
3Ulpianus libro vicensimo quarto ad edictum. Si duobus mandavero et ambo dolose fecerint, adversus singulos in solidum agi poterit, sed altero convento, si satisfecerit, in alterum actionem denegari oportebit. 1Competit autem haec actio ei, cuius interfuit falsum modum renuntiatum non esse, hoc est vel emptori vel venditori, cui renuntiatio offuit. 2Pomponius tamen scribit, si emptor plus dederit venditori propter renuntiationem, quia condicere potest quod plus dedit, agi cum mensore non posse: nihil enim emptoris interesse, cum possit condicere: nisi solvendo venditor non fuit: tunc enim mensor tenebitur. 3Sed si venditor maiorem modum tradiderit fraudatus a mensore, consequenter dicit Pomponius non esse actionem adversus mensorem, quia est ex vendito actio adversus emptorem, nisi et hic emptor solvendo non sit. 4Idem Pomponius scribit, si propter iudicium adhibitus mensor fraudaverit me in renuntiatione, teneri eum, si ob hoc de iudicio minus tuli: plane si a iudice adhibitus contra me renuntiaverit dolo malo, dubitat, an teneri mihi debeat? quod magis admittit. 5Hanc actionem heredi similibusque personis dandam Pomponius scribit: sed in heredem similesque personas denegandam ait. 6Servi autem nomine magis noxale quam de peculio competere ait, quamvis civilis actio de peculio competat.
3Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Wenn ich Zweien Auftrag ertheilt habe, und beide arglistig gehandelt haben, so kann gegen jeden Einzelnen auf das Ganze geklagt werden; wenn aber der Eine belangt worden ist, und Befriedigung gewährt hat, so muss die Klage wider den Andern abgeschlagen werden. 1Diese Klage steht demjenigen zu, der bei der Angabe des falschen Maasses betheiligt ist, d. h. entweder dem Käufer oder dem Verkäufer, dem die Angabe geschadet hat. 2Ad Dig. 11,6,3,2Windscheid: Lehrbuch des Pandektenrechts, 7. Aufl. 1891, Bd. II, § 470, Note 1.Pomponius schreibt jedoch wenn der Käufer dem Verkäufer wegen der Angabe mehr gezahlt hat, so könne wider den Feldmesser nicht geklagt werden, weil er die Condiction wegen des Mehrgegebenen anstellen könne; denn der Käufer sei dann weiter nicht betheiligt, wenn er die Condiction erheben könne, es müsste denn der Verkäufer nicht zahlungsfähig sein, dann haftet der Feldmesser. 3Hat hingegen der Verkäufer vom Feldmesser betrogen einen grössern Raum übergeben, so, sagt Pomponius folgerichtig, finde wider den Feldmesser keine Klage Statt, weil die Klage aus dem Verkauf wider den Käufer zuständig ist, es müsste denn auch hier der Käufer nicht zahlungsfähig sein. 4Ferner schreibt Pomponius, hafte der Feldmesser, wenn er, bei einer Klage zugezogen worden, mich bei der Angabe betrogen hat, sobald ich deshalb durch die Klage weniger erhalten habe. Wenn er aber vom Richter zugezogen eine [falsche] Angabe in böser Absicht wider mich gemacht hat, so spricht er sich nicht bestimmt aus, ob er haften müsse; doch findet er es zulässig. 5Diese Klage, schreibt Pomponius, sei dem Erben und ähnlichen Personen zu ertheilen, gegen den Erben und ähnliche Personen aber zu versagen. 6Wegen eines Sclaven, [der Feldmesser ist,] sagt er, finde mehr die Noxalklage als die wegen des Sonderguts Statt, wiewohl die bürgerlich rechtliche Klage wegen des letztern zuständig sei.
4Paulus libro vicensimo quinto ad edictum. Haec actio perpetua est, quia initium rei non ad circumscriptionem, sed a suscepto negotio originem accipit.
4Paul. lib. XXV. ad Ed. Diese Klage ist eine immerwährende, weil der Anfang sich nicht von dem Betruge, sondern von der Uebernahme des Geschäfts herschreibt33Wegen des Unpassenden dieses Grundes s. Glück XI. p. 383..
5Ulpianus libro vicensimo quarto ad edictum. Si mensor non falsum modum renuntiaverit, sed traxerit renuntiationem et ob hoc evenerit ut venditor liberetur, qui adsignaturum se modum intra certum diem promisit, haec actio locum non habet: sed nec dari utilem debere Pomponius ait. erit ergo ad actionem de dolo decurrendum. 1Si, cum falsus modus renuntiatus esset, emptor cum venditore ex empto egisset, agere poterit etiam cum mensore: sed si nihil eius interest, condemnari mensorem non oportet. quod si non de toto modo qui deerat cum venditore egerit, sed de minore, consequenter scribit Pomponius de residuo cum mensore agi posse. 2Hoc iudicium latius praetor porrexit: nam et si cuius alterius rei mensuram falsam renuntiavisse dicetur, haec actio competit. proinde si in aedificii mensura fefellit vel in frumenti vel in vini,
5Ulp. lib. XXIV. ad Ed. Wenn der Feldmesser zwar kein falsches Maass angegeben, sondern die Angabe verzögert hat, und dadurch es dahin gekommen ist, dass der Verkäufer Schaden erlitten, und jener versprochen hat, das Maass bis zu einem bestimmten Tage anzugeben, so findet diese Klage nicht Statt; Pomponius sagt auch, dass nicht einmal eine analoge Klage verstattet werden dürfe; man wird daher zur Klage wegen Arglist seine Zuflucht nehmen müssen. 1Wenn, nachdem ein falsches Maass angegeben worden, der Käufer wider den Verkäufer schon aus dem Kaufcontract geklagt hat, so kann er doch noch wider den Feldmesser Klage erheben44Wenn er nämlich vom Verkäufer keine Entschädigung erhalten hat.. Wenn er aber kein Interesse weiter hat, so darf der Feldmesser nicht verurtheilt werden. Wenn er aber nicht wegen des ganzen ihm fehlenden Raums wider den Verkäufer geklagt hat, sondern wegen eines kleinern, so, schreibt folgerichtig Pomponius, könne wegen des Ueberrests wider den Feldmesser Klage erhoben werden. 2Der Prätor hat diese Klage weiter ausgedehnt; denn dieselbe findet auch dann Statt, wenn Jemand der falschen Maassangabe irgend einer andern Sache beschuldigt wird. Daher wird derjenige, der in Betreff des Maasses eines Gebäudes einen Betrug verübt, oder dessen von Getreide, von Wein,
6Paulus libro vicensimo quarto ad edictum. sive de itineris latitudine sive de servitute immittendi proiciendique quaeratur, sive aream vel tignum vel lapidem metiendo mentitus fuerit
6Paul. lib. XXIV. ad Ed. oder wegen der Breite des Fahrweges, oder wenn es sich um eine Dienstbarkeit des Trammrechts oder der Erkeranlage handlet, oder er bei der Ausmessung eines Hofes, Balkens oder Steines falsche Angaben gemacht hat,
7Ulpianus libro vicensimo quarto ad edictum. vel cuius alterius rei, tenebitur. 1Et si mensor machinarius fefellerit, haec actio dabitur. 2Nec non illud quoque Pomponius dicit etiam in eum, qui mensor non fuit, fefellit tamen in modo, competere hanc actionem. 3Hoc exemplo etiam adversus architectum actio dari debet qui fefellit: nam et divus Severus adversus architectum et redemptorem actiones dandas decreverit. 4Ego etiam adversus tabularium puto actiones dandas, qui in computatione fefellit.
7Ulp. lib. XXIV. ad Ed. oder dem irgend einer andern Sache, haften. 1Auch wenn ein Werkmeister einen Betrug verübt hat, findet diese Klage Statt. 2Nicht minder sagt Pomponius, komme diese Klage auch wider den zur Anwendung, der kein Feldmesser war, aber bei dem Messen betrüglich zu Werke gegangen ist. 3Hiernach muss die Klage also auch wider den Baumeister verstattet werden, der einen Betrug ausgeübt hat; denn der Kaiser Severus hat verordnet, dass die Klagen auch wider Baumeister and Lieferanten ertheilt werden sollen. 4Nach meiner Ansicht müssen dieselben auch wider den Calculator55S. Glück XI. p. 385. n. 93a. Statt finden, der bei der Berechnung betrogen hat.