Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Elftes Buch übersetzt von Sintenis
Dig. XI4,
De fugitivis
Liber undecimus
IV.

De fugitivis

(Von entlaufenen Sclaven.)

1Ulpianus libro primo ad edictum. Is qui fugitivum celavit fur est. 1Senatus censuit, ne fugitivi admittantur in saltus neque protegantur a vilicis vel procuratoribus possessorum et multam statuit: his autem, qui intra viginti dies fugitivos vel dominis reddidissent vel apud magistratus exhibuissent, veniam in ante actum dedit: sed et deinceps eodem senatus consulto impunitas datur ei, qui intra praestituta tempora, quam repperit fugitivos in agro suo, domino vel magistratibus tradiderit. 2Hoc autem senatus consultum aditum etiam dedit militi vel pagano ad investigandum fugitivum in praedia senatorum vel paganorum (cui rei etiam lex Fabia prospexerat et senatus consultum Modesto consule factum), ut fugitivos inquirere volentibus litterae ad magistratus dentur, multa etiam centum solidorum in magistratus statuta, si litteris acceptis inquirentes non adiuvent. sed et in eum, qui quaeri apud se prohibuit, eadem poena statuta. est etiam generalis epistula divorum Marci et Commodi, qua declaratur et praesides et magistratus et milites stationarios dominum adiuvare debere inquirendis fugitivis, et ut inventos redderent, et ut hi, apud quos delitescant, puniantur, si crimine contingantur. 3Unusquisque eorum, qui fugitivum adpraehendit, in publicum deducere debet. 4Et merito monentur magistratus eos diligenter custodire, ne evadant. 5Fugitivum accipe et si quis erro sit. fugitivi autem appellatione ex fugitiva natum non contineri Labeo libro primo ad edictum scribit. 6In publicum deduci intelleguntur qui magistratibus municipalibus traditi sunt vel publicis ministeriis. 7Diligens custodia etiam vincire permittit. 8Tamdiu autem custodiuntur, quamdiu ad praefectum vigilum vel ad praesidem deducantur. 8aEorumque nomina et notae et cuius se quis esse dicat ad magistratus deferantur, ut facilius adgnosci et percipi fugitivi possint (notae autem verbo etiam cicatrices continentur): idem iuris est, si haec in scriptis publice vel in aedes proponas.
1Ulp. lib. I. ad Ed. Wer einen entlaufenen Sclaven verbirgt, ist ein Dieb. 1Der Senat hat verboten, entlaufene Sclaven in Gebüsche aufzunehmen, und den Gutsverwaltern und Geschäftsbesorgern der Besitzer [von Grundstücken] deren Beschützung untersagt, auch eine Geldstrafe darauf gesetzt; denen, welche die entlaufenen innerhalb zwanzig Tagen ihren Herren wieder zustellen, oder sie bei einer Behörde vorstellen, hat er für die Vergangenheit Verzeihung zugesagt. Nachher aber wird in demselben Senatsbeschluss demjenigen Straflosigkeit zugesichert, der innerhalb der vorher gedachten Zeit von da an, wo er die Entlaufenen auf seinem Grund und Boden angetroffen, sie ihrem Herrn oder den Behörden überliefert hat. 2Dieser Senatsbeschluss hat auch den Soldaten, wie den Civilisten11Paganus kann nur wie obsteht im Gegensatz zum Soldaten übersetzt werden., den Zugang auf [fremde] Grundstücke, sie mögen Senatoren oder andern Leuten gehören, zur Nachspürung der Entlaufenen gestattet. Hierfür hatte auch das Favische Gesetz und ein unter dem Consul Modestus abgefasster Senatsbeschluss insofern gesorgt, dass denen, die Entlaufenen nachforschen wollen, Briefe22Nämlich von ihrer eigenen Behörde. an die Behörden mitgegeben werden sollen; ingleichen ist eine Strafe von hundert Goldstücken für die Behörden bestimmt, welche nach Empfang der Briefe den Nachforschenden nicht beistehen. Dieselbe Strafe ist auch über den verhängt, der die Nachsuchung bei sich nicht will geschehen lassen. Es ist auch ein Brief der Kaiser Marcus und Commodus, der eine allgemeine Beziehung hat, vorhanden, worin erklärt wird, dass die Präsidenten sowohl wie die Behörden und die Garnisonsoldaten den Herren zum Aufsuchen der Entlaufenen behülflich sein, wenn sie sie aufgefunden haben, herausgeben, und diejenigen, bei denen sie verborgen waren, gestraft werden sollen, wenn ihnen ein Verbrechen zur Last fällt. 3Jeder, wer einen Entlaufenen aufgreift, muss ihn öffentlich vorführen. 4Und mit Recht werden die Behörden zur fleissigen Bewachung ermahnt, damit sie nicht entwischen. 5Unter einem Entlaufenen versteht man auch einen Herumläufer; dass aber ein von einer Entlaufenen geborenes Kind unter der Benennung Entlaufener nicht begriffen sei, schreibt Labeo im ersten Buche zum Edict. 6Oeffentlich vorgeführt werden diejenigen, die den Municipalbehörden oder öffentlichen Gerichtsdienern übergeben werden. 7Die fleissige Bewachung gestattet auch das Anlegen von Fesseln. 8Bewacht werden sie so lange, bis sie zum Wachtvorsteher oder zum Präsidenten geführt 8aund ihre Namen, Kennzeichen, und wem jeder anzugehören angibt, den Behörden mitgetheilt worden sind, damit die Entlaufenen um so leichter erkannt und abgeholt werden können. Unter Kennzeichen sind auch Wunden zu verstehen. Dasselbe gilt, wenn man dies schriftlich oder in den Tempeln öffentlich bekannt macht.
2Callistratus libro sexto cognitionum. Fugitivi simplices dominis reddendi sunt: sed si pro libero se gesserint, gravius coerceri solent.
2Callistrat. lib. VI. Cognit. Diejenigen, welche blos davon gelaufen sind, müssen ihren Herren zurückgegeben, wenn sie sich aber als Freie aufgeführt haben, pflegen sie härter bestraft zu werden.
3Ulpianus libro septimo de officio proconsulis. Divus Pius rescripsit eum, qui fugitivum vult requirere in praediis alienis, posse adire praesidem litteras ei daturum et, si ita res exegerit, apparitorem quoque, ut ei permittatur ingredi et inquirere, et poenam eundem praesidem in eum constituere, qui inquiri non permisserit. sed et divus Marcus oratione, quam in senatu recitavit, facultatem dedit ingrediendi tam Caesaris quam senatorum et paganorum praedia volentibus fugitivos inquirere scrutarique cubilia atque vestigia occultantium.
3Ulp. lib. VII. de off. Procons. Der Kaiser Pius hat verordnet: wer einen Entlaufenen aufsuchen will, kann den Präsidenten um Ertheilung eines Schreibens angehen, [der ihm] nach Erfordern der Sache auch einen Gerichtsdiener [mitgibt], um ihm den Eingang und das Nachsuchen zu verschaffen, und es werde der Präsident auch über den eine Strafe verhängen, der das Nachsuchen nicht gestatten will. Auch der Kaiser Marcus ertheilte in einem Vortrag, den er im Senat hielt, denen, die Entlaufenen nachforschen wollen, die Erlaubniss, die Grundstücke des Kaisers sowohl wie der Senatoren und anderer Leute zu betreten, und den Lagerstätten und Spuren der Versteckten nachzuforschen.
4Paulus libro primo sententiarum. Limenarchae et stationarii fugitivos depraehensos recte in custodiam retinent. magistratus municipales ad officium praesidis provinciae vel proconsulis conpraehensos fugitivos recte transmittunt.
4Paul. lib. I. Sententiar. Die Befehlshaber der Grenzwachen und die Garnisonsoldaten können aufgegriffene Entlaufene mit allem Rechte im Gefängniss festhalten. Die Municipalbehörden übersenden die ergriffenen Entlaufenen an die Präsidenten der Provinz oder den Proconsul zur weitern Verfügung.
5Tryphoninus libro primo disputationum. Si in harenam fugitivus servus se dederit, ne isto quidem periculo, discriminis vitae tantum, sibi irrogato potestatem domini evitare poterit: nam divus Pius rescripsit omnimodo eos dominis suis reddere sive ante pugnam ad bestias sive post pugnam, quoniam interdum aut pecunia interversa aut commisso aliquo maiore maleficio ad fugiendam inquisitionem vel iustitiam animadversionis in harenam se dare mallent. reddi ergo eos oportet.
5Tryphonin. lib. I. Disp. Wenn sich ein entlaufener Sclav bei den Fechterspielen anwerben lässt, so kann er nicht einmal dadurch, dass er bei dieser Gefahr sein Leben auf das Spiel setzt, der Gewalt seines Herrn entgehen; denn der Kaiser Pius hat verordnet, sie jeden Falls ihren Herren zurückzugeben, gleichviel ob vor dem Kampfe mit den wilden Thieren oder nachher, weil sie sich oft, wenn sie das [mitgenommene] Geld durchgebracht, oder ein schwereres Verbrechen begangen haben, um der Untersuchung oder der Gerechtigkeit der Strafe zu entfliehen, lieber bei den Fechterspielen verdingen; darum müssen sie herausgegeben werden.