De fugitivis
(Von entlaufenen Sclaven.)
1Ulp. lib. I. ad Ed. Wer einen entlaufenen Sclaven verbirgt, ist ein Dieb. 1Der Senat hat verboten, entlaufene Sclaven in Gebüsche aufzunehmen, und den Gutsverwaltern und Geschäftsbesorgern der Besitzer [von Grundstücken] deren Beschützung untersagt, auch eine Geldstrafe darauf gesetzt; denen, welche die entlaufenen innerhalb zwanzig Tagen ihren Herren wieder zustellen, oder sie bei einer Behörde vorstellen, hat er für die Vergangenheit Verzeihung zugesagt. Nachher aber wird in demselben Senatsbeschluss demjenigen Straflosigkeit zugesichert, der innerhalb der vorher gedachten Zeit von da an, wo er die Entlaufenen auf seinem Grund und Boden angetroffen, sie ihrem Herrn oder den Behörden überliefert hat. 2Dieser Senatsbeschluss hat auch den Soldaten, wie den Civilisten11Paganus kann nur wie obsteht im Gegensatz zum Soldaten übersetzt werden., den Zugang auf [fremde] Grundstücke, sie mögen Senatoren oder andern Leuten gehören, zur Nachspürung der Entlaufenen gestattet. Hierfür hatte auch das Favische Gesetz und ein unter dem Consul Modestus abgefasster Senatsbeschluss insofern gesorgt, dass denen, die Entlaufenen nachforschen wollen, Briefe22Nämlich von ihrer eigenen Behörde. an die Behörden mitgegeben werden sollen; ingleichen ist eine Strafe von hundert Goldstücken für die Behörden bestimmt, welche nach Empfang der Briefe den Nachforschenden nicht beistehen. Dieselbe Strafe ist auch über den verhängt, der die Nachsuchung bei sich nicht will geschehen lassen. Es ist auch ein Brief der Kaiser Marcus und Commodus, der eine allgemeine Beziehung hat, vorhanden, worin erklärt wird, dass die Präsidenten sowohl wie die Behörden und die Garnisonsoldaten den Herren zum Aufsuchen der Entlaufenen behülflich sein, wenn sie sie aufgefunden haben, herausgeben, und diejenigen, bei denen sie verborgen waren, gestraft werden sollen, wenn ihnen ein Verbrechen zur Last fällt. 3Jeder, wer einen Entlaufenen aufgreift, muss ihn öffentlich vorführen. 4Und mit Recht werden die Behörden zur fleissigen Bewachung ermahnt, damit sie nicht entwischen. 5Unter einem Entlaufenen versteht man auch einen Herumläufer; dass aber ein von einer Entlaufenen geborenes Kind unter der Benennung Entlaufener nicht begriffen sei, schreibt Labeo im ersten Buche zum Edict. 6Oeffentlich vorgeführt werden diejenigen, die den Municipalbehörden oder öffentlichen Gerichtsdienern übergeben werden. 7Die fleissige Bewachung gestattet auch das Anlegen von Fesseln. 8Bewacht werden sie so lange, bis sie zum Wachtvorsteher oder zum Präsidenten geführt 8aund ihre Namen, Kennzeichen, und wem jeder anzugehören angibt, den Behörden mitgetheilt worden sind, damit die Entlaufenen um so leichter erkannt und abgeholt werden können. Unter Kennzeichen sind auch Wunden zu verstehen. Dasselbe gilt, wenn man dies schriftlich oder in den Tempeln öffentlich bekannt macht.
2Callistrat. lib. VI. Cognit. Diejenigen, welche blos davon gelaufen sind, müssen ihren Herren zurückgegeben, wenn sie sich aber als Freie aufgeführt haben, pflegen sie härter bestraft zu werden.
3Ulp. lib. VII. de off. Procons. Der Kaiser Pius hat verordnet: wer einen Entlaufenen aufsuchen will, kann den Präsidenten um Ertheilung eines Schreibens angehen, [der ihm] nach Erfordern der Sache auch einen Gerichtsdiener [mitgibt], um ihm den Eingang und das Nachsuchen zu verschaffen, und es werde der Präsident auch über den eine Strafe verhängen, der das Nachsuchen nicht gestatten will. Auch der Kaiser Marcus ertheilte in einem Vortrag, den er im Senat hielt, denen, die Entlaufenen nachforschen wollen, die Erlaubniss, die Grundstücke des Kaisers sowohl wie der Senatoren und anderer Leute zu betreten, und den Lagerstätten und Spuren der Versteckten nachzuforschen.
4Paul. lib. I. Sententiar. Die Befehlshaber der Grenzwachen und die Garnisonsoldaten können aufgegriffene Entlaufene mit allem Rechte im Gefängniss festhalten. Die Municipalbehörden übersenden die ergriffenen Entlaufenen an die Präsidenten der Provinz oder den Proconsul zur weitern Verfügung.
5Tryphonin. lib. I. Disp. Wenn sich ein entlaufener Sclav bei den Fechterspielen anwerben lässt, so kann er nicht einmal dadurch, dass er bei dieser Gefahr sein Leben auf das Spiel setzt, der Gewalt seines Herrn entgehen; denn der Kaiser Pius hat verordnet, sie jeden Falls ihren Herren zurückzugeben, gleichviel ob vor dem Kampfe mit den wilden Thieren oder nachher, weil sie sich oft, wenn sie das [mitgenommene] Geld durchgebracht, oder ein schwereres Verbrechen begangen haben, um der Untersuchung oder der Gerechtigkeit der Strafe zu entfliehen, lieber bei den Fechterspielen verdingen; darum müssen sie herausgegeben werden.