Finium regundorum
(Von der Grenzberichtigung.)
1Paul. lib. XXIII. ad Ed. Die Grenzberichtigungsklage ist eine persönliche, wiewohl sie auch statt der Eigenthumsklage dient.
2Ulp. lib. XIX. ad Ed. Diese Klage betrifft ländliche Grundstücke, wenn auch Gebäude dazwischen liegen, denn es ist einerlei, ob man Bäume oder Gebäude auf der Grenze setzt. 1Dem Richter in der Grenzberichtigungsklage steht frei, da, wo er die [früheren] Grenzen nicht bestimmen kann, den Streit durch ein Zuerkennen als Eigenthum zu schlichten; und wenn er die Grenzen, um alte Ungewissheiten zu beseitigen, wo anders ziehen will, so kann er dies durch Zuerkennen als Eigenthum und Verurtheilung thun.
3Gaj. lib. VII. ad Ed. prov. In diesem Fall ist es nothwendig, dass dem Einen vom Grundstück des Andern etwas eigenthümlich zuerkannt werden müsse; wem aber etwas eigenthümlich zuerkannt wird, der muss wiederum für dasjenige, was ihm eigenthümlich zuerkannt worden, zur Erlegung einer bestimmten Summe verurtheilt werden.
4Paul. lib. XXIII. ad Ed. Es kann aber auch der Streit über eine einzige Stelle durch Zuerkennen als Eigenthum nach Antheilen geschlichtet werden, je nachdem der Richter das Eigenthum eines Jeden an der Stelle erforscht hat. 1Bei der Grenzberichtigungsklage kommt auch das Interesse in Betracht. Wie nun, wenn Jemand von der Stelle einen Nutzen gezogen hat, von der es sich ergibt, dass sie dem Nachbar gehörte? Hier würde eine desfallsige Verurtheilung unbillig sein11Die verschiedenen Erklärungsversuche dieser Stelle, sowie der Aenderungen der Lesart (inique damnatio — fiet) und der Interpunction s. bei Glück X. p. 445. n. 63. Glück selbst schwankt zwischen der Noodtschen Erklärung, der das Fragezeichen hinter fiet erst setzen und die Beantwortung in der Fragestellung finden will, und der Sammetschen, der nichts ändert, sondern damnatio für deminutio patrimonii erklärt. Mir scheint jede Aenderung entbehrlich, und die letzte, doch wohl gewagte, Erklärung von damnatio unnöthig, dahingegen man die gewöhnliche Bedeutung beibehalten kann. Paulus will offenbar blos die Regel, dass das Interesse zu berücksichtigen sei, durch zwei Beispiele verständlich zu machen suchen, von denen das erste nicht unter die Regel zu subsumiren ist, wohl aber das letzte. Diese Verschiedenheit zeigt schon der Anfang des letzten Satzes Sed et si u. s. w. Ohnehin befindet sich derjenige, welcher die Nutzungen gezogen, im ersten Fall in bona fide; man sehe nur den folgenden Paragraphen.. Wenn aber ein Feldmesser von dem Einem allein angenommen worden ist, so wird derjenige, welcher ihn nicht gedungen hat, [dennoch] zu einem Theile des Lohnes22Wegen dieses Ausdrucks s. Glück XI. p. 377. n. 64. Merces ist hier nur uneigentlich gebraucht. verurtheilt werden. 2Nach der Einleitung des Verfahrens kommen aber bei dieser Klage auch die Nutzungen in Betracht, denn von da an wird sowohl Verschuldung als Arglist vertreten; allein die vor der Einleitung des Verfahrens gewonnenen kommen nicht unbedingt bei dieser Klage in Betracht; denn man hat sie entweder im guten Glauben gewonnen, und dann muss man, wenn man sie verbraucht hat, den Vortheil davon geniessen, oder im schlechten Glauben, und dann müssen sie mittelst einer Condiction zurückgefordert werden. 3Wer aber dem Richter, der einen auf die Grenze gesetzten Baum umzuhauen, oder ein aufgeführtes Gebäude, oder einen Theil desselben wegzureissen anbefohlen, nicht Gehorsam geleistet hat, wird [zur Erlegung der Streitwürderung]33Glosse. verurtheilt. 4Wenn angezeigt worden, dass die Grenzmahle umgeworfen oder untergepflügt worden seien, so kann der Richter, der über das Verbrechen erkennt, auch über die Grenzen erkennen. 5Wenn ein Landgut Zweien, und ein anderes Dreien gehört, so kann der Richter der einen Partei eine streitige Stelle als Eigenthum zuerkennen, wenn sie auch mehrern Eigenthümern gehört, weil angenommen wird, dass die Grenzen vielmehr dem Landgute als den Personen zuerkannt werden; es wird hier aber, weil Mehreren eigenthümlich zuerkannt wird, Jeder einen Antheil [nach Verhältniss dessen] erhalten, den er an dem Landgute, auch als ungetheilt, besitzt. 6Diejenigen, welche ein Landgut in Gemeinschaft besitzen, werden sich gegenseitig nicht verurtheilt; denn es kann zwischen denselben gar keine Einlassung auf die Klage angenommen werden. 7Wenn wir, du und ich, ein Landgut gemeinschaftlich besitzen, und ich ein daran grenzendes allein, findet da zwischen uns die Grenzberichtigungsklage Statt? Pomponius sagt, sie könne nicht Statt finden, weil wir, ich und mein Mitgenosse, in dieser Klage nicht Gegner sein können, sondern die Stelle einer Person vertreten. Auch schreibt Pomponius, es finde nicht einmal eine analoge Klage Statt, indem derjenige, wer ein eigenes Landgut besitzt, entweder dieses oder seinen Antheil an dem gemeinschaftlichen verkaufen und dann die Klage erheben könne. 8Es kann aber nicht blos zwischen zwei Landgütern, sondern auch zwischen dreien und mehreren die Grenzberichtigungsklage Statt haben, z. B. wenn das eine an mehrere grenzt, etwa an drei oder vier. 9Die Grenzberichtigungsklage kann auch in Ansehung von Zinsäckern, und zwischen denen, die den Niessbrauch haben, oder dem Niessbraucher und dem Eigenheitsherrn eines benachbarten Landgutes, und denen, welche pfandrechtsweise besitzen, Statt finden. 10Diese Klage kommt in Betreff der ländlichen Grundstücke zur Anwendung, bei städtischen nicht; denn diese grenzen nicht an einander, sondern sind vielmehr blos benachbart zu nennen und werden auch meist durch gemeinschaftliche Wände geschieden; wenn daher auf Aeckern sich an einander stossende Gebäude befinden, so findet diese Klage keine Anwendung. Innerhalb der Stadt kann auch die Breite der Gärten bewirken, dass die Grenzberichtigungsklage zur Anwendung kommen kann. 11Wenn ein öffentlicher Weg zwischen [zwei Grundstücken] durchgeht, so wird keine Begrenzung angenommen, und deshalb kann auch keine Grenzberichtigungsklage erhoben werden,
6Idem lib. XXIII. ad Ed. Wenn aber ein Privatbach dazwischen fliesst, so kann die Grenzberichtigungsklage erhoben werden.
8Ulp. lib. VI. Opin. Wenn eine Ueberschwemmung durch einen Durchbruch eines Flusses die Grenzen eines Ackers zerstört, und dadurch diesem oder jenem Gelegenheit gegeben hat, sich Ländereien zu bemächtigen, an denen ihnen kein Recht zukommt, so befiehlt ihnen der Provincialpräsident, sich fremden Eigenthums zu enthalten und dem Eigenthümer das Seine zurückzuerstatten, und die Grenzen durch einen Feldmesser zu bestimmen. 1Zur Amtspflicht dessen, dem die rechtliche Erörterung über die Grenzen obliegt, gehört auch die Absendung von Feldmessern, um durch dieselben die Frage wegen der Grenzen selbst lösen zu lassen, wie es billig ist; wenn es die Sache erfordert, auch die [streitigen] Stellen selbst in Augenschein zu nehmen.
9Julian. lib. VIII. Dig. Die Grenzberichtigungsklage bleibt fortdauernd, wenn auch die mehreren Miteigenthümer [des betheiligten Grundstücks] die Gemeingutstheilungsklage wider einander erhoben, oder das Gut veräussert haben.
11Papin. lib. II. Resp. Bei Grenzerörterungen kann man sich nach alten Denkmälern und dem Ansehn der vor dem Beginn des Streites angelegten Censustabellen44Census = tabulae censuales de agrorum finibus publica auctoritate per agrimensores s. finitores confectde. S. Glück X. p. 458. n. 98. richten, es liesse sich denn erweisen, dass durch den Wechsel der Nachfolge im Eigenthum und die Willkühr der Besitzer die Grenzen durch Hinzunahme oder Ausschliessung von Aeckern späterhin verändert worden seien.
12Paul. lib. III. Resp. Was die Frage wegen des Eigenthums angeht, so muss man sich nach denjenigen Grenzmahlen zwischen [zwei] Landgütern richten, welche der frühere Eigenthümer beider Grundstücke, als er das eine von beiden verkaufte, als solche bezeichnet hat; denn es müssen nicht diejenigen Grenzmahle, welche die einzelnen Landgüter von einander scheiden, berücksichtigt werden, sondern die Bezeichnung der Begrenzung soll neue Grenzen zwischen den Landgütern herstellen.
13Gaj. lib. IV. ad Leg. Duod. Tabul. Es ist zu bemerken, dass bei der Grenzberichtigungsklage darauf Acht genommen werden muss, was gewissermaassen nach dem Beispiel desjenigen Gesetzes geschrieben worden ist, welches Solon zu Athen gegeben haben soll, denn hier heisst es so: Wer einen Zaun längs einem fremden Grundstück setzt und in die Erde gräbt, der darf die Grenze nicht überschreiten; wenn eine Mauer, so lasse er einen Fuss Zwischenraum; wenn aber ein Haus, zwei Fuss; wenn er ein Grab oder eine Grube gräbt, so muss er soviel Zwischenraum, als sie Tiefe hat, lassen; wenn einen Brunnen, eine Klafter Breite; Oel- oder Feigenbäume pflanze er neun Fuss vom fremden Boden abwärts; andere Bäume fünf Fuss.