Corpus iurisprudentiae Romanae

Repertorium zu den Quellen des römischen Rechts

Digesta Iustiniani Augusti

Recognovit Mommsen (1870) et retractavit Krüger (1928)
Deutsche Übersetzung von Otto/Schilling/Sintenis (1830–1833)
Erstes Buch übersetzt von Sintenis
Dig. I21,
De officio eius, cui mandata est iurisdictio
Liber primus
XXI.

De officio eius, cui mandata est iurisdictio

(Von der Amtspflicht dessen, der mit der Gerichtsbarkeit beauftragt worden ist.)

1Pa­pi­nia­nus li­bro pri­mo quaes­tio­num. Quae­cum­que spe­cia­li­ter le­ge vel se­na­tus con­sul­to vel con­sti­tu­tio­ne prin­ci­pum tri­buun­tur, man­da­ta iu­ris­dic­tio­ne non trans­fe­run­tur: quae ve­ro iu­re ma­gis­tra­tus com­pe­tunt, man­da­ri pos­sunt. et id­eo vi­den­tur er­ra­re ma­gis­tra­tus, qui cum pu­bli­ci iu­di­cii ha­beant ex­er­ci­tio­nem le­ge vel se­na­tus con­sul­to dele­ga­tam, vel­uti le­gis Iu­liae de ad­ul­te­riis et si quae sunt aliae si­mi­les, iu­ris­dic­tio­nem suam man­dant. hu­ius rei for­tis­si­mum ar­gu­men­tum, quod le­ge Iu­lia de vi no­mi­na­tim ca­ve­tur, ut is, cui op­ti­ge­rit ex­er­ci­tio, pos­sit eam si pro­fi­cis­ca­tur man­da­re: non ali­ter ita­que man­da­re pot­erit, quam si ab­es­se coe­pe­rit, cum alias iu­ris­dic­tio et­iam a prae­sen­te man­de­tur. et si a fa­mi­lia do­mi­nus oc­ci­sus es­se di­ce­tur, co­gni­tio­nem prae­tor, quam ex se­na­tus con­sul­to ha­bet, man­da­re non pot­erit. 1Qui man­da­tam iu­ris­dic­tio­nem sus­ce­pit, pro­prium ni­hil ha­bet, sed eius, qui man­da­vit, iu­ris­dic­tio­ne uti­tur. ve­rius est enim mo­re ma­io­rum iu­ris­dic­tio­nem qui­dem trans­fer­ri, sed me­rum im­pe­rium quod le­ge da­tur non pos­se trans­ire: qua­re ne­mo di­cit anim­ad­ver­sio­nem le­ga­tum pro­con­su­lis ha­be­re man­da­ta iu­ris­dic­tio­ne. Paulus notat: et im­pe­rium, quod iu­ris­dic­tio­ni co­hae­ret, man­da­ta iu­ris­dic­tio­ne trans­ire ve­rius est.

1Papin. lib. I. Quaest. Was durch ein Gesetz, oder einen Senatsbeschluss, oder durch eine Kaiserliche Constitution ausdrücklich [Jemandem] verliehen worden ist, kann durch Beauftragung mit der Gerichtsbarkeit nicht [auf Andere] übertragen werden; was aber [Jemandem] vermöge der Stellung als Beamter zukommt, damit kann er Andere beauftragen. Daher befinden sich diejenigen Beamten, welche eine ihnen durch ein Gesetz oder einen Senatsbeschluss, verliehene Ausübung der peinlichen Gerichtsbarkeit haben, als z. B. nach dem Julischen Gesetz wegen Ehebruchs, oder andere dergleichen, in Irrthum, wenn sei [glauben] mit ihrer Gerichtsbarkeit Andere beauftragen [zu können]. Der stärkste Grund hierfür ist der, dass im Julischen Gesetz über Gewaltthätigkeiten ausdrücklich verordnet worden ist, dass derjenige, dem die Ausübung obliegt, mit derselben, wenn er verreise, Andere beauftragen könne. Er darf sie daher Andern nur dann auftragen, wenn er abwesend ist, dahingegen sonst auch ein anwesender [Beamter einen Andern] mit der Gerichtsbarkeit beauftragen kann. Auch wenn es heisst, dass ein Herr von seinem Gesinde getödtet worden sei, kann der Prätor die Untersuchung, welche ihm nach einem Senatsbeschluss zukommt, keinem Andern auftragen. 1Wer eine Gerichtsbarkeit auftragsweise übernimmt, handelt nicht im eigenen Namen, sondern nur vermöge der Gerichtsbarkeit des Beauftragenden. Denn es ist zwar richtig, dass nach der Sitte der alten eine Gerichtsbarkeit übertragen werde[n könne,], allein die unumschränkte Gewalt, welche durch ein Gesetz verliehen wird, kann auf Niemanden [auftragsweise] übergehen; daher sagt Niemand, dass der Legat des Proconsuls vermöge ihm aufgetragener Gerichtsbarkeit Todesstrafe verhängen könne. Paulus bemerkt: auch diejenige Gewalt, welche mit der Gerichtsbarkeit zusammenhängt, kann durch Auftrag der Gerichtsbarkeit übergehen.

2Ul­pia­nus li­bro ter­tio de om­ni­bus tri­bu­na­li­bus. Man­da­ta iu­ris­dic­tio­ne a prae­si­de con­si­lium non pot­est ex­er­ce­re is, cui man­da­tur. 1Si tu­to­res vel cu­ra­to­res ve­lint prae­dia ven­de­re, cau­sa co­gni­ta id prae­tor vel prae­ses per­mit­tat: quod si man­da­ve­rit iu­ris­dic­tio­nem, ne­qua­quam pot­erit man­da­ta iu­ris­dic­tio­ne eam quaes­tio­nem trans­fer­re.

2Ulp. lib. III. de omn. Tribun. Vermöge vom Präsidenten aufgetragener Gerichtsbarkeit, kann der Beauftragte keinen Rath zusammenberufen. 1Wenn Vormünder oder Curatoren Grundstücke verkaufen wollen, so kann dies der Prätor oder Präsident nach vorheriger Untersuchung der Sache gestatten; hat er aber Auftrag der Gerichtsbarkeit erhteilt, so kann er durch diesen Auftrag jene Untersuchung einem Andern nicht übertragen.

3Iu­lia­nus li­bro quin­to di­ges­to­rum. Et si prae­tor sit is, qui alie­nam iu­ris­dic­tio­nem ex­se­qui­tur, non ta­men pro suo im­pe­rio agit, sed pro eo cu­ius man­da­tu ius di­cit, quo­tiens par­ti­bus eius fun­gi­tur.

3Julian. lib. V. Dig. Wenn auch derjenige, welcher eine fremde Gerichtsbarkeit verwaltet, Prätor ist, so handelt er hier doch nicht vermöge seiner Gewalt, sondern für den, in dessen Auftrag er Recht spricht, so oft er dessen Stelle vertritt.

4Ma­cer li­bro pri­mo de of­fi­cio prae­si­dis. Co­gni­tio de su­spec­tis tu­to­ri­bus man­da­ri pot­est. im­mo et­iam ex man­da­ta ge­ne­ra­li iu­ris­dic­tio­ne prop­ter uti­li­ta­tem pu­pil­lo­rum eam con­tin­ge­re con­sti­tu­tum est in haec ver­ba: ‘Im­pe­ra­to­res Se­ve­rus et An­to­ni­nus Bra­duae pro­con­su­li Afri­cae. Cum pro­priam iu­ris­dic­tio­nem le­ga­tis tuis de­de­ris, con­se­quens est, ut et­iam de su­spec­tis tu­to­ri­bus pos­sint co­gnos­ce­re.’ 1Ut pos­ses­sio bo­no­rum de­tur, vel si cui dam­ni in­fec­ti non ca­vea­tur ut is pos­si­de­re iu­bea­tur, aut ven­tris no­mi­ne in pos­ses­sio­nem mu­lier, vel is cui le­ga­tum est le­ga­to­rum ser­van­do­rum cau­sa in pos­ses­sio­nem mit­ta­tur, man­da­ri pot­est.

4Macer. lib. I. de off. Praes. Die Untersuchung wider verdächtige Vormünder kann Andern aufgetragen werden; ja es ist sogar verordnet worden, dass dieselbe, zum Nutzen der Unmündigen, aus einem allgemeinen Auftrag der Gerichtsbarkeit zuständig sei; die [betreffenden] Worte lauten so: Die Kaiser Severus und Antoninus an den Bradua, Proconsul von Africa: Wenn du deinen Legaten deine eigene Gerichtsbarkeit übertragen hast, so müssen sie auch Untersuchungen wider verdächtige Vormünder einleiten können. 1Zu der Ertheilung des Nachlassbesitzes, oder der Einsetzung in den Besitz dessen, dem wegen drohenden Schadens keine Bürgschaft geleistet worden ist, oder eines Weibes in den Besitz, wegen der Leibesfrucht, oder dessen, dem ein Vermächtniss hinterlassen worden ist, um dasselbe zu erhalten, kann Auftrag gegeben werden.

5Pau­lus li­bro oc­ta­vo de­ci­mo ad Plau­tium. Man­da­tam si­bi iu­ris­dic­tio­nem man­da­re al­te­ri non pos­se ma­ni­fes­tum est. 1Man­da­ta iu­ris­dic­tio­ne pri­va­to et­iam im­pe­rium quod non est me­rum vi­de­tur man­da­ri, quia iu­ris­dic­tio si­ne mo­di­ca co­er­ci­tio­ne nul­la est.

5Paul. lib. XVIII. ad Plaut. Dass Niemand eine ihm aufgetragene Gerichtsbarkeit einem Andern auftragen könne, ist bekannt. 1Wenn die Gerichtsbarkeit einer Privatperson übertragen worden ist, so wird zugleich die Gewalt, insofern sie keine unumschränkte ist, als in den Auftrag inbegriffen betrachtet, weil die Gerichtsbarkeit, ohne dass einigermaassen ein Zwangsrecht Statt findet, so gut wie keine ist.