De officio eius, cui mandata est iurisdictio
(Von der Amtspflicht dessen, der mit der Gerichtsbarkeit beauftragt worden ist.)
1Papin. lib. I. Quaest. Was durch ein Gesetz, oder einen Senatsbeschluss, oder durch eine Kaiserliche Constitution ausdrücklich [Jemandem] verliehen worden ist, kann durch Beauftragung mit der Gerichtsbarkeit nicht [auf Andere] übertragen werden; was aber [Jemandem] vermöge der Stellung als Beamter zukommt, damit kann er Andere beauftragen. Daher befinden sich diejenigen Beamten, welche eine ihnen durch ein Gesetz oder einen Senatsbeschluss, verliehene Ausübung der peinlichen Gerichtsbarkeit haben, als z. B. nach dem Julischen Gesetz wegen Ehebruchs, oder andere dergleichen, in Irrthum, wenn sei [glauben] mit ihrer Gerichtsbarkeit Andere beauftragen [zu können]. Der stärkste Grund hierfür ist der, dass im Julischen Gesetz über Gewaltthätigkeiten ausdrücklich verordnet worden ist, dass derjenige, dem die Ausübung obliegt, mit derselben, wenn er verreise, Andere beauftragen könne. Er darf sie daher Andern nur dann auftragen, wenn er abwesend ist, dahingegen sonst auch ein anwesender [Beamter einen Andern] mit der Gerichtsbarkeit beauftragen kann. Auch wenn es heisst, dass ein Herr von seinem Gesinde getödtet worden sei, kann der Prätor die Untersuchung, welche ihm nach einem Senatsbeschluss zukommt, keinem Andern auftragen. 1Wer eine Gerichtsbarkeit auftragsweise übernimmt, handelt nicht im eigenen Namen, sondern nur vermöge der Gerichtsbarkeit des Beauftragenden. Denn es ist zwar richtig, dass nach der Sitte der alten eine Gerichtsbarkeit übertragen werde[n könne,], allein die unumschränkte Gewalt, welche durch ein Gesetz verliehen wird, kann auf Niemanden [auftragsweise] übergehen; daher sagt Niemand, dass der Legat des Proconsuls vermöge ihm aufgetragener Gerichtsbarkeit Todesstrafe verhängen könne. Paulus bemerkt: auch diejenige Gewalt, welche mit der Gerichtsbarkeit zusammenhängt, kann durch Auftrag der Gerichtsbarkeit übergehen.
2Ulp. lib. III. de omn. Tribun. Vermöge vom Präsidenten aufgetragener Gerichtsbarkeit, kann der Beauftragte keinen Rath zusammenberufen. 1Wenn Vormünder oder Curatoren Grundstücke verkaufen wollen, so kann dies der Prätor oder Präsident nach vorheriger Untersuchung der Sache gestatten; hat er aber Auftrag der Gerichtsbarkeit erhteilt, so kann er durch diesen Auftrag jene Untersuchung einem Andern nicht übertragen.
4Macer. lib. I. de off. Praes. Die Untersuchung wider verdächtige Vormünder kann Andern aufgetragen werden; ja es ist sogar verordnet worden, dass dieselbe, zum Nutzen der Unmündigen, aus einem allgemeinen Auftrag der Gerichtsbarkeit zuständig sei; die [betreffenden] Worte lauten so: Die Kaiser Severus und Antoninus an den Bradua, Proconsul von Africa: Wenn du deinen Legaten deine eigene Gerichtsbarkeit übertragen hast, so müssen sie auch Untersuchungen wider verdächtige Vormünder einleiten können. 1Zu der Ertheilung des Nachlassbesitzes, oder der Einsetzung in den Besitz dessen, dem wegen drohenden Schadens keine Bürgschaft geleistet worden ist, oder eines Weibes in den Besitz, wegen der Leibesfrucht, oder dessen, dem ein Vermächtniss hinterlassen worden ist, um dasselbe zu erhalten, kann Auftrag gegeben werden.
5Paul. lib. XVIII. ad Plaut. Dass Niemand eine ihm aufgetragene Gerichtsbarkeit einem Andern auftragen könne, ist bekannt. 1Wenn die Gerichtsbarkeit einer Privatperson übertragen worden ist, so wird zugleich die Gewalt, insofern sie keine unumschränkte ist, als in den Auftrag inbegriffen betrachtet, weil die Gerichtsbarkeit, ohne dass einigermaassen ein Zwangsrecht Statt findet, so gut wie keine ist.